Gebirgsjäger in Bad Reichenhall:Krieg, putzig und kindgerecht

Eigentlich wollten die Gebirgsjäger in Bad Reichenhall für ihre Truppe werben. Doch dann lief alles aus dem Ruder - und Kinder spielten, wie man ein Dorf angreift. Das ist nicht nur peinlich, sondern verharmlost den Krieg.

Annette Ramelsberger

Kinder spielen gern Räuber und Gendarm. Sie verstecken sich gern unter Tarnnetzen und schießen Platzpatronen aus ihren Revolvern. Sie lieben es auch, sich heranzuschleichen und den Feind zu überraschen. Das kann alles unheimlich lustig sein. Es kann aber auch unheimlich peinlich sein. Nicht für die Kinder, sondern für die Erwachsenen, die das organisieren.

Eklat um ein Schiessspiel fuer Kinder

Abstruses Kinderprogramm: Soldaten lassen Kinder unter Tarnnetzen mit Spielzeuggewehren auf Häuser zielen.

(Foto: "Rabatz")

Dann nämlich, wenn sie vor lauter Begeisterung fürs Kinderprogramm vergessen, wo sie sich aufhalten: auf dem Gelände der Bundeswehr in Bad Reichenhall. Und wann sie das Spektakel veranstalten: in einer Zeit, in der fast jede Woche gefallene Soldaten nach Deutschland zurückgeflogen werden.

Die Gebirgsjäger sind in den vergangenen Jahren immer wieder peinlich aufgefallen: Mal spielten Soldaten aus ihren Einheiten in Afghanistan Fußball mit Totenköpfen, mal mussten sich junge Gefreite in Mittenwald Mannbarkeitsritualen unterziehen und rohe Leber essen. Immer hieß es, davon hätten die Vorgesetzten nichts gewusst, das hätten sich ein paar untergeordnete Dienstränge auf Stube ausgedacht. Und natürlich werde man alles dafür tun, damit sich das Bewusstsein ändere.

Das Bewusstsein hat sich aber offenbar nicht geändert. Und diesmal können sich die Vorgesetzten auch nicht herausreden. Was an einem Tag der offenen Tür gespielt wird, selbst wenn es nur im Kinderprogramm läuft, das weiß die Leitung. Die Belustigung war ja geradezu generalstabsmäßig geplant - bis hin zum Ortsschild, auf dem Klein-Mitrovica stand. Und bis zu den Häusern der vermeintlichen Feinde, die - schön echt - ausgebrannt und angeschossen aussahen.

Wenn man sich des schweren Erbes nur ein wenig bewusst ist, das die deutsche Wehrmacht der Bundeswehr durch ihre Untaten auf dem Balkan hinterlassen hat, weiß man, dass sich Kinderspiele mit solchen Anklängen verbieten. Aber selbst wenn man das nicht weiß, muss man nur die täglichen Nachrichten anschauen. Dann erkennt man, dass Krieg kein Kinderspiel ist.

Während in Afghanistan deutsche Soldaten unter Feuer stehen, spielen ihre Kameraden in Reichenhall den Angriff - hübsch putzig und kindgerecht. So verharmlost man Krieg.

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