Gauweiler kandidiert auf dem Nürnberger CSU-Parteitag:O mei, CSU

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Peter Gauweiler personifiziert das, was die CSU war, aber nicht mehr ist: das Kraftvolle und Kraftmeierische. Er hat die Fähigkeit, seine Partei in die Vergangenheit zu führen - weil sie mit Seehofer und Söder wenig Zukunft hat. Er ist ein Mann für eine CSU, die es nicht mehr gibt und für eine Zeit, die vorbei ist. Seine Stärke heute ist vor allem die Schwäche Seehofers. Gauweiler ist ein Großkopferter, den die kleinen Leute mögen.

Heribert Prantl

Seit 54 Jahren, seit Oktober 1957, herrscht in Bayern die CSU. Sie regierte das Land knapp fünfzig Jahre lang mit starker, seitdem mit schwacher Hand; jüngst musste sie sich gar von der FDP einen Krückstock leihen. Es geht der Partei lange nicht mehr so gut wie einst, aber das ist kein Wunder. Weil nämlich jedes Jahr in der Regierung dreifach zählt, ist die CSU jetzt gefühlte 162 Jahre alt.

Peter Gauweiler hat in der CSU schon viel erlebt und die CSU musste mit ihm schon viel mitmachen. (Foto: REUTERS)

Das merkt man ihr an: Die CSU hat sich verbraucht im Dienst des weiß-blauen Staates. Auf Parteitagen, wie jetzt auf dem Parteitag in Nürnberg, darf sie sich daran erinnern, was sie alles geleistet hat - und dann proklamieren, dass dieses Erbe verpflichtet; wen auch immer.

Die CSU hat aus einem Bauernland ein Industrieland gemacht und dafür gesorgt, dass Bayern trotzdem schön geblieben ist. Dafür konnte sie nicht immer etwas, weil das Land halt von Grund auf schön ist und also die Fehler aushalten konnte, wie sie die CSU zuhauf gemacht hat.

Gleichwohl: Die CSU hat Bayern stark und seine Bewohner klug gemacht, weil sie Schulen und Hochschulen gebaut hat. Die CSU hat also dafür gesorgt, dass die Leute auch ohne sie zu Rande kommen. Jetzt ist die CSU eine Staatspartei im Austrag. Sie hat nicht mehr die Kraft zum Ackern, Säen und Ernten auf den weiten Fluren, sie lebt von dem, was in ihrem Vorgarten wächst - und von den Erinnerungen an die alten Zeiten.

Ihr Fleisch ist noch willig, aber der Geist ist schon schwach. Sie blättert gern in den alten Fotoalben. Dabei ergeht es der CSU so, wie es eben den Alten ergeht, wenn sie in den Alben blättern. Auf einmal werden die Bilder lebendig und die Figuren steigen heraus. Just das passiert gerade auf dem Parteitag von Nürnberg.

Peter Gauweiler, der Knappe des alten Franz Josef Strauß, hat die alte Rüstung noch einmal angezogen und wird landauf und landab bejubelt wie ein junger Held. Auch sein Name beginnt mit G, wie der von Guttenberg, auch Gauweiler verkörpert die Sehnsucht nach Glanz. Aber Gauweiler ist kein kurz Hereingeschmeckter, wie es Guttenberg war; er kennt die CSU in- und auswendig, seit Jahrzehnten; er hat in ihr gelebt und gelitten, ist in ihr groß und wieder klein gemacht worden. Gauweiler ist kein adeliger Blender, sondern ein kluger Bollerer.

Gauweiler fühlt sich als Testamentsvollstrecker von Franz Josef Strauß - und er hat nun all diejenigen ausgesessen, die er für Franz Josefs falsche Erben gehalten hat: Stoiber und Co. Er personifiziert das, was die CSU war, aber nicht mehr ist: das Kraftvolle und Kraftmeierische; er ist vital, brutal und sentimental, einer, der so tun kann, als ob der Weltgeist Bairisch spräche. Er befriedigt die Lust am Derblecken, aber auch die Sehnsucht nach dem gescheiten Kopf, vor dem "die anderen" Respekt haben.

Gauweilers Attraktivität ist sein ungebrochenes Selbstbewusstsein in Zeiten des Zweifels. Er stillt die Begierde nach dem seligen Gefühl, das alle Uneinigkeiten überbrückt: Mir san mir. Er ist der Intellektuelle in Lederhosen, er ist der Großkopferte, den die kleinen Leute mögen. Kurz: Er ist ein starker Politiker, der die CSU siegreich in die Vergangenheit führen könnte - weil sie mit Seehofer und Söder wenig Zukunft hat.

Er ist freilich ein Mann für eine CSU, die es nicht mehr gibt und für eine Zeit, die vorbei ist. Er ist stark, aber von gestern. Seine Stärke heute ist vor allem die Schwäche Seehofers. Schon pfeift die frühere Europa-Partei CSU die Anti-Euro-Lieder Gauweilers. Er würde, er wird die CSU zurückführen ins Europa der Vaterländer. Das wäre die Spaltung der Union.

Das alles ist für die Bayern-SPD kein Anlass zum Jubeln: Sicher, es schmeichelt ihr, dass die einst so mächtige CSU vor ihr, also vor einer Partei Angst hat, die nicht einmal auf zwanzig Prozent kommt. Die SPD ist seit 54 Jahren in Bayern nicht mehr an der Regierung. Jedes Jahr, das man nicht regiert, zählt fünffach. Die SPD ist also gefühlt 270 Jahre alt. Und das merkt man ihr auch an.

© SZ vom 08.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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