Oberbayern:Gequält im Haus der Katzenzüchterin

Bei einer Hausdurchsuchung fanden Polizeibeamte 68 verdreckte und kranke Katzen.

Bei einer Hausdurchsuchung fanden Polizeibeamte 68 verdreckte und kranke Katzen.

"Seit zwanzig Jahren bin ich bei Tierrettungen dabei, aber so was Fürchterliches habe ich noch nie gesehen": Im Landkreis Freising fanden Polizeibeamte verwahrloste und kranke Tiere. Den Ämtern war die Besitzerin schon länger bekannt. Unter Katzenzüchtern war sie jedoch ein Star.

Von Gerhard Wilhelm

Katzenzüchter weltweit sind entsetzt über Tierquälereien in einem bis vor kurzem noch hoch angesehenen Betrieb in Gammelsdorf im Landkreis Freising. 68 völlig verwahrloste und schwerkranke Perserkatzen hatten Polizei, Veterinäramt und Tierschützer vor etwa zwei Wochen aus dem Haus der seit 2004 als Züchterin zugelassenen Renate N. geholt. Zehn mussten sofort eingeschläfert werden. 31 kamen ins Münchner Tierheim in Riem, 27 ins Tierheim Heinzelwinkl bei Landshut. In beiden Heimen starben trotz aller Bemühungen weitere Katzen - an Nierenversagen, an allgemeiner Schwäche.

Die Katzen waren verdreckt, abgemagert, voller Flöhe, Parasiten und Pilze. "Alles war total verwahrlost im Haus, voller Kot und Urin, knöchelhoch. Es lagen mumifizierte und skelettierte Tiere herum. Seit zwanzig Jahren bin ich bei Tierrettungen dabei, aber so was Fürchterliches habe ich noch nie gesehen", sagt Anna-Maria Moser, die Geschäftsführerin des Tierheims Landshut.

Unter Katzenzüchtern war Renate N. seit Jahren ein Star. Fast jedes Wochenende war sie auf einer Ausstellung mit ihren Persern - national und international. Zuletzt am ersten und zweiten Februar in Sofia. Oft gewann sie erste Preise. "Alle haben immer staunend und begeistert zu ihr hochgesehen. Richter aller Nationalitäten waren begeistert und ließen sich immer freudenstrahlend mit ihr und den wunderbaren Tieren fotografieren", sagt Perserzüchterin Andrea Frank, die im Internet einen Blog betreibt. Sie selber kennt die Züchterin seit fünf Jahren persönlich. Sie zu Hause besuchen durfte sie jedoch nie.

Bei Ausstellungen fiel Renate N. nach Aussage von Frank aber nicht nur wegen ihrer Tiere auf. "Sie stank nach Katzen", sagt sie. Ein Problem, das in Gammelsdorf, einem Ort mit etwa 1600 Einwohnern, viele auch rochen, wenn sie an dem Haus in der Hauptstraße vorbeigingen. Zudem war der Garten vermüllt. "Das ist schon ein Schandfleck", sagt Bürgermeister Paul Bauer. Immer wieder habe die Gemeinde versucht, auf die Besitzer einzuwirken, aber meistens vergebens.

Auch das Landratsamt Freising wurde schon 2011 von Nachbarn über den Gestank, den Müll und eine damit verbundene Rattenplage informiert. Das gibt die Behörde zu: Sowohl das Veterinäramt als auch das Sachgebiet Abfallrecht hätten mehrere Ortstermine seit 2011 gehabt. Es habe Bußgeldbescheide wegen Auflagenverstößen in puncto Tierhaltung gegeben.

Auch dem Jugendamt sei die Familie seit längerem bekannt. Seit Juni 2013 werde sie durch eine "sozialpädagogische Familienhilfe" unterstützt. Doch oft seien die Mitarbeiter des Landratsamts vor verschlossenen Türen gestanden oder ihnen sei der Zutritt zu Räumen verweigert worden. Ein Gutachten vom 16. Dezember 2013, basierend auf einen Hausbesuch im Juli, bescheinigt, dass die Familie in einem "relativ sauberen Zustand" lebe - bemerkt wurde dort jedoch auch ein starker Geruch nach Katzen. Im Haus lebt neben Renate N. ihr Mann und ihr 15-jähriger Sohn.

Betreten der Räume ist nur mit Atemschutz möglich

Das Veterinäramt stellte am 1. Juli 2013 nach Mitteilung von Eva Dörpinghaus, der Pressesprecherin des Landratsamtes, "unter dem Maßstab der tierschutzrechtlichen Vorschriften zufriedenstellende Hygienezustände in den Räumen" fest. Das Amt notierte außerdem: "Bei o. g. Kontrollen wurde Zutritt nur für die Räume gewährt, die von der Konzession umfasst wurden; weitere Räume wurden als privat und als nicht zur genehmigten Haltungseinrichtung für Katzen gehörend bezeichnet, zu diesen wurde der Zutritt verwehrt".

Ende Januar steht dann aber die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Türe - wegen einer Strafsache in einem ganz anderen Fall. Die Polizisten sind entsetzt über die Zustände im Haus und informieren das Landratsamt. Das beantragt beim Amtsgericht eine weitere Durchsuchung, bei der die Katzen gerettet werden. Ins Haus gehen die Retter nur mit Schutzanzügen und Atemmasken. Renate N. darf seitdem keine Tiere mehr halten. Außerdem wurde der Frau die Zuchterlaubnis entzogen. Eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz läuft.

Der Fall hat sich unter Katzenliebhabern schnell herumgesprochen. Bei den beiden Tierheimen stehen seitdem die Telefone nicht mehr still. Sogar aus den USA und aus Russland kommen Sach- und Geldspenden - vor allem von Züchtern. Tiernahrungshersteller haben ganze Paletten Katzenfutter geschickt. Ohne diese Spenden wären die Tierheime schnell an ihre Grenzen gestoßen, denn alleine die Tierarztkosten seien fünfstellig für alle Perserkatzen. "Früher bekamen wir am Tag vielleicht drei Briefe, heute kommt der Postbote mit dem Kastenwagen, um die Pakete transportieren zu können", sagt Anna-Maria Moser. Das Tierheim Riem hat deshalb zur besseren Koordinierung der Hilfsangebote im Internet eine "Wunschliste" veröffentlicht.

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