Gabriele Pauli:Von der Rebellin zur Außenseiterin

Gabriele Pauli war die Erste, die offen Stoibers Rücktritt forderte. Die Parteibasis feierte sie für ihren Mut. Heute will keiner mehr was mit der Fürther Landrätin zu tun haben. Ein Jahr nach ihren Spitzelvorwürfen gegen Stoiber ist sie zur politischen Außenseiterin geworden. Eine Entwicklung, an der sie selbst schuld ist.

Birgit Kruse

Wen immer in der CSU man auch fragt: Sobald der Name Gabriele Pauli fällt, gibt es zwei typische Reaktionen: genervtes Augenverdrehen oder gleichgültiges Schulterzucken. Kein Wunder. Seit Monaten ist die Fürther Landrätin bei den Christsozialen Persona non grata.

Gabriele Pauli: Gabriele Pauli: "Diese Park-Avenue-Fotos sind für mich harmlose Modefotos", sagt sie später. "Da ist nichts dabei."

Gabriele Pauli: "Diese Park-Avenue-Fotos sind für mich harmlose Modefotos", sagt sie später. "Da ist nichts dabei."

(Foto: Foto: AP)

Das war nicht immer so. Vor einem Jahr bejubelte insbesondere die CSU-Basis die couragierte Landrätin aus Fürth. Denn Pauli hatte als Erste den Mut das offen zu sagen, was viele sich schon seit längerem dachten: Stoibers Zeit ist abgelaufen.

Paulis Aufstieg: Sie war es, die auf dem CSU-Parteitag im Oktober 2006 in Augsburg als Einzige den Antrag von Alfred Sauter unterstützte. Darin wurde gefordert, den Regierungschef direkt vom Volk wählen zu lassen und seine Regierungszeit auf maximal zehn Jahre zu beschränken. Alle anderen schwiegen, obwohl auch sie von Stoiber enttäuscht waren.

Sein plötzlicher Rückzug aus Berlin, der Verzicht auf das Superministerium für Wirtschaft und Technologie, der Streit zwischen Beckstein und Huber um seine Nachfolge - all das hatte die Basis dem Regierungschef zu diesem Zeitpunkt nicht verziehen.

Wenige Wochen nach dem Parteitag verschärfte Pauli die Debatte um Stoibers Zukunft weiter. Sie richtete auf ihrer Internetseite ein Anti-Stoiber-Forum ein. Jeder konnte hier seine Meinung zur politischen Zukunft von Edmund Stoiber abgeben - die Möglichkeit wurde rege genutzt.

Der erste Eintrag stammte von Pauli selbst: Viele Bürger hätten es Stoiber nicht verziehen, dass er in Berlin kein Ministeramt angenommen und Beckstein und Huber damit "umsonst ins Rennen" um seine Nachfolge geschickt habe, schrieb sie und forderte: "Edmund Stoiber sollte 2008 nicht mehr als Ministerpräsident antreten." Das saß.

Während die Parteibasis Pauli für ihren Mut feierte, beobachtete man in der Münchner Parteizentrale das Treiben mit Argwohn. Denn Pauli, die in ihren 17 Amtsjahren als Landrätin stets unauffällig war und auch als Vorstandsmitglied nie durch konstruktive Wortbeiträge aufgefallen war, hatte sich an die Spitze einer Anti-Stoiber-Bewegung gesetzt. Wenige Monate später trat Stoiber entnervt zurück.

Ihre Homepage musste Pauli nach wenigen Wochen auf Druck der Parteispitze schließen. Die Äußerungen waren immer unflätiger geworden und bis heute hält sich das Gerücht, Generalsekretär Markus Söder habe bewusst Debattenbeiträge lancieren lassen, um das Forum zu diskreditieren.

Der Spitzelvorwurf: Doch auf der CSU-Vorstandssitzung am 18. Dezember 2006 holt die 50-Jährige zum Gegenschlag aus. Die Sitzung ist schon fast zu Ende, als sich Pauli noch einmal zu Wort meldet. "Ich möchte noch etwas Persönliches sagen", sagt sie. "Es kann nicht sein, dass man in meinem Privatleben herumwühlt." Ein Spitzel aus dem engen Stoiber-Umfeld sei auf sie angesetzt worden, um Kompromittierendes über sie herauszufinden. Das hat gesessen. Der Vorstand schweigt betroffen, Stoiber selbst kanzelt die Kritikerin ab. Sie sei doch gar nicht wichtig genug, lässt er sie abblitzen. Ein folgenschwerer Fehler.

Wenige Tage später muss Stoibers Vertrauter Michael Höhenberger als Sündenbock für die Bespitzelungsaktion gehen. An der Basis wächst der Unmut über Stoiber. Kurz vor Weihnachten ist gar von offenem Widerstand gegen seinen Plan die Rede, 2008 automatisch wieder als Spitzenkandidat für die CSU in die Landtagswahl zu gehen. Ein Riss geht durch die Partei.

Pauli spaltet die Partei: Kommunale Mandatsträger trauen sich auf einmal, offen gegen Stoiber vorzugehen. "Bislang haben wir mit Stoiber eine Zweidrittelmehrheit erreicht, künftig müssen wir versuchen, trotz Stoiber eine Mehrheit zu erringen", wettert beispielsweise der Nürnberger CSU-Bürgermeister Klemens Gsell.

Die Parteispitze übt sich indes in Solidaritätsbekundungen. Generalsekretär Markus Söder nennt Paulis Vorschlag, die Mitglieder über den Spitzenkandidaten entscheiden zu lassen, einen "Witz". Innenminister Günther Beckstein scheitert mit dem Versuch, Pauli durch ein Vier-Augen-Gespräch von ihrem unerbittlichen Anti-Stoiber-Kurs abzubringen.

Stoiber selbst verpasst indes die Chance, der Parteirebellin durch ein persönliches Gespräch, das sie nach den Spitzelvorwürfen von ihm gefordert hatte, Wind aus ihren Segeln zu nehmen. Das zeigt, wie weit sich der Regierungschef von der Parteibasis entfernt hat. Und rund 60 Prozent der Wähler wünschen sich einen neuen Regierungschef.

Pauli hat ihr Ziel fast erreicht, will ihren "Alleingang im Namen vieler" fortsetzen, und befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Popularität.

Pauli auf dem Höhepunkt ihrer Popularität: Auch in der Fraktion wächst der Unmut gegenüber Stoiber und spätestens, als dieser ankündigt, auf jeden Fall bis 2013 an der Macht bleiben zu wollen, steht auch die CSU-Fraktion nicht mehr hinter ihm. Da werden Solidaritäsbekundungen, die der CSU-Vorstand und die Landesgruppe noch ein paar Tage zuvor abgegeben hatten, rasch Makulatur.

Am 18. Januar 2007 erklärt Stoiber seinen Rückzug als Ministerpräsident und Parteichef zum 30. September. Eben an diesem Januartag, an dem er sich endlich zu einem Gespräch mit der Partei-Rebellin aus Fürth in der Staatskanzlei treffen wollte.

Pauli hat ihr Ziel erreicht. Ruhe gibt sie jedoch nicht. Im Gegenteil. Die "schöne Landrätin", wie sie oft genannt wird, ist zum neuen Medienstar der Republik aufgestiegen. Wo sie auftaucht, wird sie von Kamerateams und Journalisten umringt, das Blitzlichtgewitter, das über sie hereinbricht, dauert oft viele Minuten. Selbst bei Sabine Christiansen durfte sie gemeinsam mit Gregor Gysi über das Thema "Nimmt die Politik die Bürger noch ernst?" diskutieren. Pauli genießt den Rummel.

Die Basis steht nicht mehr hinter Pauli: Bei der Parteibasis kommt das gar nicht gut an. Immer mehr fragen sich, ob es Pauli wirklich um die Sache und nicht doch mehr um die eigene Popularität gegangen sei. Ihre Äußerungen scheinen den Kritikern Recht zu geben. Pauli fühlt sich plötzlich zu Höherem berufen. "Die letzten Wochen haben mit gezeigt, dass es interessante politische und berufliche Perspektiven für mich gibt", sagt sie und spekuliert sogar auf einem Kabinettsposten - ohne zu merken, dass sie sich innerhalb der CSU immer mehr ins Abseits manövriert. Buh-Rufe auf dem Politischen Aschermittwoch und offene Feindschaft aus den eigenen Reihen sind die Folge.

Landrätin in Latex: Ihre politische Glaubwürdigkeit verspielt sie damit jedoch noch nicht. Immer wieder wird spekuliert, sie könne bei den Landtagswahlen 2008 für die Freien Wähler ins Rennen gehen. Ihren größten Fehler begeht sie Anfang März, als sie sich für das Magazin Park Avenue im Domina-Outfit mit Latexhandschuhen ablichten lässt.

Damit ist sie in der CSU endgültig zur Außenseiterin geworden, die niemand mehr ernst nimmt. Pauli selbst sieht das nicht so, kann die Ablehnung nicht verstehen. "Diese Park-Avenue-Fotos sind für mich harmlose Modefotos", sagt sie später. "Da ist nichts dabei."

Spätestens ab diesem Zeitpunkt glaubt keiner mehr, dass es Pauli noch um die Zukunft der CSU geht. Es scheint ihr nur noch um die eigene zu gehen. Meldet sich immer wieder zu Wort, kündigt an, als Stellvertreterin des CSU-Chefs kandidieren zu wollen. Die Aufmerksamkeit, die sie noch vor wenigen Monaten auf sich gezogen hatte, erreicht sie nicht mehr.

Paulis letzte Offensive: Doch Pauli gibt nicht auf, kämpft um ihren Platz in der Partei und kündigt völlig unvermittelt in einem Radiointerview an, dass nun auch sie auf dem Parteitag für den Posten des CSU-Vorsitzenden kandidieren wolle - gegen die politischen Schwergewichte Horst Seehofer und Erwin Huber.

Der Coup scheint zunächst auch aufzugehen. Die mediale Aufmerksamkeit ist ihr sicher. Und auch in den Umfragen schneidet sie zunächst gut ab. 56 Prozent der CSU-Wähler finden es gut, wenn der Parteitag zwischen drei Kandidaten entscheiden könne; 15 Prozent würden sie auch wählen.

Doch selbst den letzten Rest an Wählersympathie verspielt sie mit abstrusen Forderungen: Die Ehe müsste auf sieben Jahre begrenzt werden, findet sie und fordert, das Kabinett auch für andere Parteien zu öffnen. 24 Delegierte geben ihr noch ihre Stimme, das sind 2,5 Prozent.

Buh-Rufe wie auf dem Politischen Aschermittwoch bleiben ihr diesmal zwar erspart, doch auch Pauli weiß, dass es in der CSU für sie keine Zukunft mehr gibt: Am 21. November erklärt sie ihren Austritt. In der CSU wird das mit Schadenfreude quittiert.

Doch auch woanders will man die selbstverliebte Frau jetzt nicht mehr. "Frau Pauli ist momentan unserer Basis nicht vermittelbar", sagt Hubert Aiwanger, der Landesvorsitzende der Freien Wähler.

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