Gabriele Pauli:Trotz Niederlage siegesgewiss

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Gabriele Pauli verliert den Stimmkreis gegen Beckstein - kann aber trotzdem noch für die Freien Wähler in den Landtag einziehen.

Olaf Przybilla

Murat Bülbül lässt sich nicht beirren. Der Stadtrat von Zirndorf hält Gabriele Pauli für eine "außerordentlich mutige Frau", ganz gleich, was er inzwischen lesen musste über deren Eskapaden.

Das Duell mit Günther Beckstein im Stimmkreis Nürnberg-Nord hat Gabriele Pauli - hier bei der Stimmabgabe in Zirndorf - klar verloren. Aufgrund der hohen Zustimmung im Fürther Land könnte sie dennoch in den Landtag einziehen. (Foto: Foto: dpa)

Er kenne Pauli ganz anders, sagt der Wirt Bülbül, schließlich habe er als Zirndorfer Kommunalpolitiker jahrelang mit der ehemaligen Landrätin von Fürth zu tun gehabt. Mit erfreulichen Folgen für Bülbül: Am Sonntag hat er sein Bistro "Maroni" um ein Medienzelt mit Heizstrahlern erweitert, weil sich abends Frau Pauli angekündigt hat, zur Wahlparty. Es gibt zweifelsohne lauschigere Ecken in Nürnberg als den Stadtteil Gebersdorf - nicht weit weg von Bülbüls Bistro steht ein Großkraftwerk.

Den Freien Wählern (FW) aber schlägt das an diesem Abend nicht auf die Stimmung. Frau Pauli, die im Stimmkreis Nürnberg-Nord gegen Günther Beckstein antritt, komme über die Liste in den Landtag, prophezeit Bülbül. Nach den Prognosen, nach dem Triumph der Freien, ist er sich schon "todsicher" - und öffnet eine Flasche Sekt auf Pauli.

Sieg dank des "Pauli-Faktors"

Gewiss, dass die ehemals jüngste Landrätin aller Zeiten und ehemalige CSU-Rebellin eine so glanzvolle Wiederkehr auf der politischen Bühne gelingen könnte, dass sie gleich ihren Stimmkreis gewinnt - das war eigentlich ausgeschlossen, das wusste auch Bülbül.

Erstens ist Pauli die Frau von Fürth-Land, und in der rivalisierenden Halbmillionenstadt Nürnberg gilt das nicht unbedingt als Referenz. Zweitens fristeten die Freien Wähler in Nürnberg bislang nicht mal das Dasein eines Mauerblümchens und durften schon froh sein, wenn sie überhaupt einen Vertreter in den Stadtrat schicken durften - von Landtagswahlen ganz zu schweigen. Und drittens hieß Paulis direkter Gegenkandidat in Nürnberg-Nord eben Beckstein.

Der hat das ungleiche Duell mit Pauli gewonnen, natürlich. Der Ministerpräsident kam dort auf 40 Prozent der Stimmen, das sind mehr als zehn Prozentpunkte weniger als bei der letzten Landtagswahl. Pauli musste sich mit 7,3 Prozent zufriedengeben, legte dabei aber in Nürnberg-Nord um 5,8 Prozentpunkte für die Freien zu.

Der selbst in Nürnberg bis dato weithin unbekannte SPD-Kandidat Jonas Lanig erreichte 26,3 Prozent der Stimmen. Lanig, 58 Jahre alt, kandidierte ebenso wie Pauli zum ersten Mal in dem von der CSU gefürchteten Stimmkreis, den die SPD in den vergangen drei Wahlen immerhin zweimal direkt gewinnen konnte - 1994 und 1998 gelang es Renate Schmidt, ihrem Konkurrenten Beckstein schmerzhafte Niederlagen zuzufügen. Er sei nur zufrieden, wenn er am Ende in den Landtag gelange, hatte SPD-Mann Lanig zuvor wissen lassen - nun kann er nur noch hoffen, über die Liste ins Maximilianeum zu gelangen.

Das muss auch Gabriele Pauli, die darüber jedoch vermutlich erst in der Nacht Bescheid wissen dürfte, wenn die Einzelergebnisse der FW-Kandidaten in Mittelfranken ermittelt sind. Pauli hatte es bei der Listenaufstellung der Freien Wähler in Mittelfranken lediglich auf Rang acht geschafft, in Abwesenheit.

Nürnbergs FW-Chef Jürgen Horst Dörfler - der Mann, der Pauli gegen viel Widerstand in den eigenen Reihen zu den Freien lotste - geht davon aus, dass drei FW-Kandidaten aus Mittelfranken in den Landtag einziehen, darunter Pauli. Könnte sie in ihrem ehemaligen Fürther Landkreis nur ein Drittel der Zweitstimmen auf sich vereinigen, die sie in ihrer Zeit als Landrätin dort stets eingesammelt hatte - die in ihrer Heimat weiterhin populäre Pauli würde auf Rang eins der mittelfränkischen FW-Liste vorgewählt werden.

Nicht nur Dörfler hält das für "hochwahrscheinlich". Dass Pauli ihren Stimmkreis gewinnen würde, hatte er sowieso nie für möglich gehalten. Deswegen hat er Pauli in diversen Bierzelten in Südbayern auftreten lassen, während sie sich in Nürnberg nur gelegentlich blicken ließ. Wichtig sei gewesen, dass "wir mit Pauli in Bayern über die Fünf-Prozent-Hürde kommen", sagt Dörfler.

Als diese im braunen Hosenanzug auf ihrer persönlichen "Gabriele-Pauli-Wahlparty" eintrifft, zeigt sie sich in Siegerpose. Von einem "Erdrutsch bei der CSU" redet sie, den Triumph der Freien nennt sie "unglaublich". Dass sie ihrem Stimmkreis gegen Beckstein hoch verloren habe, findet sie "gar nicht so wichtig". Dass der "Pauli-Faktor" den Freien über die Fünf-Prozent-Hürde geholfen hat, hält sie für "wahrscheinlich" - und lächelt. Die Strategie der Freien, Beckstein in seinem Stimmkreis medienwirksam zu ärgern, aber im ganzen Freistaat mit Pauli auf Stimmenfang zu gehen, sei voll aufgegangen, pflichtet Dörfler bei.

Markus Söder - er ist seit drei Monaten Nürnbergs CSU-Chef - spricht auf der Parteiparty im "Tucherbräu" von einem "bayernweiten Desaster" und einer "historischen Stunde" für die CSU. Das Ergebnis in Nürnberg, wo die Partei mit 41 Prozent mehr als elf Prozent einbüßt, nennt Söder "noch ganz ordentlich". Immerhin handele es sich um eine ehemalige SPD-Hochburg. Beckstein habe in Nürnberg "engagiert gekämpft".

© SZ vom 29.09.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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