G-7-Gipfel:Obama und das Weißwurstmassaker

G-7-Gipfel: Historischer Beitrag zum Gelingen des G-7-Gipfels 2015: Joachim Sauer (Vordergrund) führt den damaligen Präsidenten Barack Obama in bayerische Bräuche ein.

Historischer Beitrag zum Gelingen des G-7-Gipfels 2015: Joachim Sauer (Vordergrund) führt den damaligen Präsidenten Barack Obama in bayerische Bräuche ein.

(Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung/dpa)

Vom 130 Millionen Euro teuren G-7-Gipfel auf Schloss Elmau wird so gut wie nichts in Erinnerung bleiben - außer einer geglückten Inszenierung. Das freut vor allem die Hoteliers in der Region.

Von Lisa Schnell, Krün

Was der "Barrak" Obama, wie der US-Präsident auf Bairisch heißt, mit dieser armen Weißwurst veranstaltete, das wird Thomas Schwarzenberger sein Lebtag nicht vergessen. Obama zückte schon Messer und Gabel, war kurz davor, sich eine Scheibe der "german sausage" in den Mund zu schieben. Entsetzte Blicke unter Gamsbarthüten und Flechtfrisuren auf dem Krüner Rathausplatz. Sie schienen zu rufen: die Haut, Obama, die Haut!

Da fasste sich Angela Merkel ein Herz. Es war wohl die schnellste Entscheidung im politischen Leben der Kanzlerin. Sie rettete Obama vor der Weißwursthaut, die Weißwurst selbst aber war verloren. Geradezu "seziert" hat Obama sie, sagt Schwarzenberger, und er muss es wissen, schließlich saß er in Festtagsjanker und mit Edelweiß am Hut direkt daneben.

Werbekatalog für Oberbayern

Das kleine Weißwurstmassaker nimmt er dem Präsidenten natürlich nicht übel. Erstens hat der sich ja auch dazu gezwungen, wenigstens ein Stück dieser weiß-grün gepunkteten Fleischmasse auf seiner Gabel mit einem Schluck alkoholfreiem Weißbier runterzuspülen. Und zweitens machte er Krün, dessen Bürgermeister Schwarzenberger ist, weltberühmt.

So erinnern die Bilder, die vom G-7-Gipfel im Juni auf Schloss Elmau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen geblieben sind, auch eher an einen Werbekatalog als an ein Politikertreffen: die sieben Staatenlenker vor dem Wettersteinmassiv, leuchtende Gipfel, strahlend blauer Himmel. Bilder, die mittlerweile wirklich zu Postkarten geworden sind, mit denen die Region für sich wirbt. Damit gaben sich die Tourismusstrategen aber natürlich nicht zufrieden.

Im Café Rusticana in Klais wird die Gipfeltorte serviert, mit sieben Schichten. Hier macht auch gerne Klaus Ronge Rast, wenn er seine G-7-Führung durch das Werdenfelser Land gibt. Alle zwei Wochen wandelte er im Sommer mit Interessierten auf den Spuren des Gipfels : von der Straße, wo Obamas schwarze Limousine - das Beast - entlang gebrettert sein muss, bis zum Ferchensee, an dessen Ufern Merkels Ehemann mit den Frauen der anderen Staatschefs Konversation betrieb. Aus was die genau bestand, weiß Ronge nicht, dafür aber allerlei andere Details rund um den Gipfel. Wegen der großen Nachfrage gibt es die Tour auch im Winter.

Die Obama-Bank ist eingewintert

Die größte Attraktion macht dagegen gerade Winterschlaf: die Obama-Bank. Sie wurde in der Region zum Kultobjekt erhoben. Gleich an zwei Orten soll sie die Touristen anlocken. Eine steht in Murnau in der Brauerei Karg, deren Logo auf Obamas Weißbierglas prangte, die andere auf dem Rathausplatz in Krün. Natürlich schafft es selbst der US-Präsident nicht, gleichzeitig auf zwei Bänken zu sitzen. Krün musste sich mit einer Bank begnügen, von der man höchstens Obamas Rücken bewundern konnte.

Die Touristen stört das nicht. Nahezu täglich posierten sie auf ihr für ein Foto, heißt es. Mittlerweile ist sie sogar Teil der Bayern-Tour einer japanischen Reisefirma und damit fast so berühmt wie Neuschwanstein. Beliebt ist auch die Originalbank im Biergarten der Brauerei Karg. Doch statt sich zum Foto auch ein Weißbier zu bestellen, stibitzen sich die frechen Bankschmarotzer kurz ein leeres Glas vom Tablett der Bedienung. Schnell Foto gemacht und weg. Mehr Umsatz macht Wirt Franz Schubert deshalb nicht.

Friedlicher Gipfel in idyllischer Kulisse

Merkel und Obama in Elmau

Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama - und eine Bank, die berühmt wurde.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ob die vier Prozent mehr Übernachtungen in der Region wirklich auf den Gipfel zurückzuführen sind, weiß niemand. Doch überall erkennen die Wirte Gesichter wieder. Polizisten, die im Juni noch in Uniform steckten und jetzt als Urlauber zurück kommen. Auch G-7-Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer war schon wieder da. An seiner Pinnwand im Büro hängt ein Foto seiner Wirtin in Garmisch. Negative Erinnerungen? "Pfff", sagt Kammerer. Er erinnert sich nur, wie freundlich die Garmischer waren, wie warm die Sauna im Vier-Sterne-Hotel nach einer ungemütlichen Nachtschicht am Zaun.

Überhaupt der kilometerlange Zaun, 4000 zugeschweißte Gullydeckel, mindestens 18 000 Polizisten in Kampfmontur. Was war das eigentlich für ein Aufwand? Für 130 Millionen Euro oder sogar 360, wenn man dem Bund der Steuerzahler glaubt. Dafür, dass am Schluss Obamas Weißwurst so ziemlich das einzige war, das ernsthaft gefährdet war. Im Nachhinein hätte man die ein oder andere Einheit nicht gebraucht, sagt Kammerer. Aber wer hätte das nach der Ankündigung von 3000 gewaltbereiten G-7-Gegnern denn ahnen können?

Kein Heiligendamm im Alpenland

Keine eingeschlagenen Fenster, keine brennenden Autos, kein Heiligendamm im Alpenland. Die Angst der Garmischer, ihre vernagelten Ladenfenster - unnötig. Die Menschen mit den bunten Haaren, die in Zelten schliefen und sich in Dixi-Klos entleerten, die Couscous statt Schweinsbraten aßen, die sich nackt im Bergbach wuschen - sie waren eigentlich ganz nett. Die Garmischer brachten Kuchen, die G-7-Gegner blieben friedlich. Der größte Schaden entstand an einer Kuh, die sich vor einem Hubschrauber erschreckte, sich ein Bein brach und eingeschläfert werden musste.

Benjamin Ruß, ein Sprecher der Gipfelgegner, kann über den Kuh-Vorfall nicht lachen, und mit Banken tut er sich eh schwer. Mit denen, gegen die er in Frankfurt demonstrierte, und auch mit der Obama-Bank. In seinem Zimmer hängt kein Foto vom G-7-Sommer. Er hat die Bilder im Kopf: wie ihre Garmischer Demo von einem Unwetter weggespült wird.

Die Gegner sind noch immer sauer

Sie frierend im Bahnhof, daneben das Medienzentrum, in dem die Journalisten sich an Feinkost laben. Wie am nächsten Tag der blaue Himmel über Obama leuchtet. Sie bekamen den Regen, er die Sonne. Ihr Ziel, Bilder des Protests zu schaffen, die hängenbleiben wie bei Heiligendamm, ist gescheitert. Der Preis dafür, dass sie friedlich blieben? Bitter ist es für Ruß trotzdem, dass kaum etwas von ihrer Kritik blieb. Etwa, dass sie nicht in Sichtweite von Schloss Elmau demonstrieren durften.

In Krün planen sie ein kleines Gipfel-Museum. Obamas Weißbierglas und ein Stück vom Zaun soll es zu sehen geben. Und: Zeitzeugenberichte. Auch Ruß wollen sie fragen. Mindestens einmal hat er noch die Chance, seine Version vom Gipfelmärchen zu erzählen. Er bekommt sie ausgerechnet von Thomas Schwarzenberger, dem Mann, der so begeistert ist, einmal Obamas Banknachbar gewesen zu sein.

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