Bildung in Bayern:"Faust" fliegt aus dem Lehrplan - na und?

Bildung in Bayern: Goethes "Faust" soll zwar bald seinen Status als Pflichtlektüre an Bayerns Gymnasien verlieren - aus den Abiturprüfungen wird das Werk so schnell nicht verschwinden.

Goethes "Faust" soll zwar bald seinen Status als Pflichtlektüre an Bayerns Gymnasien verlieren - aus den Abiturprüfungen wird das Werk so schnell nicht verschwinden.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Goethes Klassiker verliert seinen Status als Pflichtlektüre für bayerische Abiturienten. Los sind sie ihn damit noch lange nicht.

Glosse von Anna Günther

Eine Séance für möglichen Kontakt zur Totenwelt ist freilich keine seriöse Quelle, Goethe selbst zu fragen, fällt also aus. Und so bleibt einem nur das Studium seiner Schriften. Der Dichterfürst sähe es wahrscheinlich nicht so locker, dass sein Werk aus dem bayerischen Lehrplan gestrichen wurde. Faust I ist keine Pflichtlektüre mehr im neuen neunjährigen Gymnasium? Während die Schulen längst in Sommerferienruhe versinken, kommt im Land Aufregung auf.

Die Klassik Stiftung Weimar appellierte am Dienstag in einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Bayern solle Vorbild sein und zu seiner Verantwortung stehen "für das zentrale Zukunftskapital Bildung". Die Frage, die die Stiftung bewegt: Ist ein Buch noch relevant, wenn es nicht im Lehrplan steht? Die Suche nach der Antwort würde diesen Rahmen sprengen.

Kultusminister Michael Piazolo versucht zu beruhigen: Der Faust werde keineswegs "verbannt", viele Schüler werden ihn lesen. Aber halt nicht mehr alle. Dennoch geben sich selbst die Gymnasiallehrer entspannt. Klar, ein Kanon für Deutsch wäre schön gewesen. Aber für den Faust den Aufstand proben? Nein. Letztlich wollen die meisten Pädagogen mehr Freiheit und weniger Gängelei. Die haben sie nun. Und wer auf Kontrolle steht: In Bayern wird wohl noch lange Faust I gelesen, zu wahrscheinlich ist es, dass im Abitur Fragen dazu drankommen.

Zurück zum Dichterfürsten. Zum Thema Bildung schrieb Goethe vieles, auf jeder Seite des Disputs um den Faust könnte man dafür Belege finden. "Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen", steht in Wilhelm Meisters Wanderjahre. Ist es also egal, was in der Schule gelesen wird? Der Deutschlehrer der Autorin dieses Textes ließ seinen Leistungskurs Dutzende Lektüren lesen (im neuen Lehrplan sind in 12. und 13. Klasse fünf "Ganzschriften" vorgeschrieben) und ging ständig mit dem Kurs auf (literarische) Reisen. Faust I und II bekamen also viel Raum, aber die Reisen blieben lebhafter in Erinnerung.

Ist das der Beweis für die nächste Goethe-Bildungsweisheit? "Alles Große bildet, sobald wir es gewahr werden." Letztlich liegt es an der Lehrerin, Literatur so zu behandeln, dass etwas hängen bleibt. Wie relevant und modern Faust I sein kann, zeigt der Blick ins Netz: Das Drama gibt es längst als Graphic Novel. Und der Youtube-Klassiker des Dramaturgen Michael Sommer - Faust I in neun Minuten mit Playmobilfiguren - wurde 1,7 Millionen Mal geklickt.

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