Fund im Bodensee:Das Surfbrett aus der Bronzezeit

Bayerns ältestes Boot geborgen

Mit großer Vorsicht heben Experten das älteste Wasserfahrzeug, das bislang in einem bayrischen Gewässer gefunden worden ist, aus dem Bodensee. Das Heck des Einbaums ist sehr gut erhalten, der Bug weniger.

(Foto: Josef Hildenbrand/dpa)
  • In Lindau am Bodensee wurde ein 3150 Jahre altes Boot geborgen.
  • Der Einbaum ist das älteste Wasserfahrzeug, das je in bayerischem Gewässer gefunden wurde.
  • Nach einer schwierigen Bergung wurde der Fund zur Archäologischen Staatssammlung nach München gebracht.

Von Christian Rost, Lindau

Bayerns ältestes Boot ist geborgen. Es liegt am Donnerstagmorgen in einer Art Hängematte im Hafen der Seemeisterstelle in Lindau am Bodensee und begeistert Denkmalpfleger, Unterwasserarchäologen und die Experten der Archäologischen Staatssammlung gleichermaßen. Es handelt sich bei dem Einbaum um das älteste Wasserfahrzeug, das jemals in einem bayerischen Gewässer gefunden wurde, es stammt aus der Bronzezeit und ist etwa 3150 Jahre alt. Damit reicht es zwar nicht an die Einbaumfunde in den Niederlanden heran, die auf ein Alter von bis zu 8000 Jahren geschätzt werden. Immerhin löst das Boot in seiner Bedeutung einen Fund aus dem Starnberger See ab, der aus der Zeit 900 vor Christus stammen soll.

Ein Privatmann hatte den Einbaum vor drei Jahren bei einem Tauchgang bei Wasserburg 170 Meter vom Ufer entfernt im Bodensee zufällig entdeckt. "Es ist der erste Einbaum, der im Bodensee gefunden wurde", berichtet Robert Angermayr von der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie. Der Taucher hatte ihn am Seegrund ausmachen können, weil er nur von einer dünnen Schlickschicht bedeckt war. Mit 6,80 Meter Länge und 1,05 Meter Breite ist von dem Boot noch ein großer Teil vorhanden. Im Schlick, wo der Sauerstoffgehalt gleich null beträgt, konnte sich der aus einem halben Eichenstamm gefertigte Einbaum relativ gut halten. Unter anderen Bedingungen wäre das Holz längst verfault, so der Vorsitzende der Gesellschaft der Unterwasserarchäologen, Tobias Pflederer. Das Heck ist nahezu vollständig erhalten geblieben, der Bug, der offenbar stärker der Erosion ausgesetzt war, ist teilweise abgebrochen. Weil der Zahn der Zeit auch an den Bordwänden genagt hat, sieht der Einbaum heute aus wie ein übergroßes Surfbrett.

Bayerns ältestes Boot geborgen

Die Bergung des Bootes gestaltete sich schwierig, die Archäologen wollten unbedingt verhindern, dass das Eichenholz auseinanderbricht.

(Foto: dpa)

Vom Fund bis zur Bergung vergingen allerdings Jahre, weil Experten zunächst bei etlichen Tauchgängen die Lage und die Form dokumentierten und Proben für die Altersbestimmung entnahmen. Das Landesamt für Denkmalpflege untersuchte das Holz in seinem Labor im schwäbischen Thierhaupten und kam zu dem Ergebnis, dass der Baum um 1130 vor Christus gefällt worden sein muss. Franz Herzig, der die Untersuchung im Labor für Dendroarchäologie vorgenommen hat, fand einiges über die Eiche heraus. Sie sei nicht älter als 200 Jahre gewesen, als sie zu einem Boot wurde, und habe zuvor in einem geschlossenen Wald gestanden. Der Stamm sei auf einen Durchmesser von mindestens 1,20 Meter gekommen. Das Alter des Baumes konnte Herzig anhand der Jahresringe abzählen. Dass es sich nicht um eine freistehende Eiche gehandelt hatte, schließt er aus der Tatsache, dass am Stamm nur wenige Äste vorhanden waren.

Die eigentliche Bergung des Einbaums aus dem See gestaltet sich schwierig. Die Archäologen wollten unbedingt verhindern, dass das Holz auseinanderbricht. Ein Riss hatte sich schon gezeigt, weshalb das Boot zunächst vorsichtig vom Seegrund gelöst werden muss. Es ist regelrecht mit dem Sediment verbacken. In einer aufwendigen Prozedur schälen Taucher das Holz vom Gestein ab und fädeln Bergegurte unter dem Stamm hindurch. Die Gurte werden dann in einen rechteckigen Spezialrahmen eingehängt, den ein Kran aus dem Wasser hebt. "Wir waren uns nicht sicher, ob wir ihn an einem Stück herausbekommen", sagt der maßgeblich an der Aktion beteiligte Tobias Pflederer. Das Experiment hat aber geklappt. Als der Einbaum schließlich auf dem Trockenen liegt, kann man den dichten Muschelbewuchs am Rumpf gut erkennen.

Noch am Donnerstag bringt ein Transporter den als "hochrangig" eingestuften Fund zur Archäologischen Staatssammlung nach München. Dort wird eine spezielle Methode zur Nassholzkonservierung angewandt, um den Einbaum zu erhalten. Zunächst wird er für etwa zwei Jahre in Polyethylenglykol eingelegt, eine Chemikalie, die zunächst das Wasser aus dem Holz verdrängt und dann, ähnlich wie Kunstharz, aushärtet, damit sich die Struktur des Holzes festigt. Ist das Bodendenkmal robust genug, kann es ausgestellt werden.

Der Fund im Bodensee elektrisiert die bayerischen Denkmalpfleger geradezu. Landeskonservator Sebastian Sommer sieht ihn als Indiz dafür, dass auch auf der Ostseite des Bodensees einst Pfahlbautensiedlungen standen. Bislang gibt es keine Nachweise dafür. Solche prähistorischen Siedlungen standen einst nachweislich weiter westlich im See, wo die Bodenbeschaffenheit so ist, dass Pfähle im Seegrund nicht so schnell verrotten. Ein Pfahlbautenmuseum zeigt in Unteruhldingen auf der baden-württembergischen Seite die Funde. Sommer hält es für durchaus möglich, auch vor Lindau und dem angrenzenden Ufer noch weitere Zeugnisse aus dieser Zeit im Wasser zu finden. Archäologe Angermayr meint: "Es müssen noch viele Einbäume im See liegen." Man muss sie nur noch finden.

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