Frühgeschichte:Der Jahrhundertfund von Pförring

Spätantikes Grab Pförring

Ein drei mal drei Meter großer "Fast-Jahrtausendfund": Archäologen legen in Pförring in penibler Feinarbeit das Kammergrab frei.

(Foto: Proarch/oh)
  • Forscher haben in Pförring ein komplett erhaltenes Kammergrab gefunden, das sie auf den Zeitraum zwischen 400 und 450 nach Christus datieren.
  • Das Grab stammt aus einer Zeit, über die man bisher extrem wenig weiß - als das römische Kaiserreich an der Donau auseinanderbrach.
  • Das letzte Kammergrab aus der Völkerwanderungszeit wurde in Süddeutschland vor 25 Jahren entdeckt.

Von Christian Gschwendtner

Der Archäologe Hubert Fehr ist nicht der Mann, der zu großen Übertreibungen neigt. Er steht im Restaurationsraum des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und soll mal kurz die Dimension des Funds von Pförring erklären. Klar ist: Bei dem ausgegrabenen Kammergrab handelt es sich um einen spektakulären Fund. Aber ist es auch wirklich ein Jahrhundertfund?

So weit wollten die Denkmalschützer in der Pressemitteilung ursprünglich nicht gehen. Lieber sprachen sie von einem Fast-Jahrhundertfund. Das Problem ist nur: Wenn man Hubert Fehr fragt, was noch zum Superlativ gefehlt hätte, dann fällt ihm auf Anhieb nicht viel ein. Genau genommen fällt ihm sogar gar nichts ein. Der Fund von Pförring, einem 4000-Einwohner Dorf im Landkreis Eichstätt, erfüllt alle Kriterien, die sich Fehr als Archäologe wünschen kann.

Er stammt aus einer Zeit, über die man bisher extrem wenig weiß, die Zeit als das römische Kaiserreich an der Donau auseinanderbrach. Die Römer zogen aus Südbayern ab und die Bajuwaren tauchten langsam auf. Bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts wurden sie nirgendwo erwähnt, erst dann notiert der Schreiber Jordanes beiläufig, dass die Bayern ja Nachbarn der Schwaben seien. Frühere Schriftstücke gibt es keine. Vor allem über die Germanenvölker, die sich in der Zwischenzeit in der Gegend aufhielten, weiß man wenig. Das könnte sich nun ändern. Denn genau aus dieser Umbruchzeit stammt das Kammergrab.

Es ist drei mal drei Meter groß, die Forscher datieren es auf den Zeitraum zwischen 400 und 450 nach Christus. Dort wo heute Pförring steht, befand sich damals eine germanische Siedlung. Bis zum römischen Kaiserreich war es nur ein kurzer Sprung, das Römer-Kastell lag acht Kilometer entfernt. Das wusste man in der Marktgemeinde, deshalb gab man die Ausgrabung im Sommer 2016 überhaupt erst in Auftrag. Auf dem Gebiet soll eine Wohnsiedlung entstehen. Doch der Bagger der Grabungsfirma musste nur 40 Zentimeter tief graben, dann stieß er bereits auf den Schädel einer jungen Frau. Als Holzreste einer der Außenwände auftauchten, war klar: Es ist kein gewöhnlicher Fund. Es handelt sich um ein Kammergrab aus der spätkaiserlichen Zeit.

Nach allem, was die Archäologen bisher herausfanden, wurde die junge Frau um die zwanzig Jahre alt. Ob sie eines natürlichen Todes starb, muss erst noch genauer untersucht werden. Bisher deutet aber alles darauf hin. Das Besondere an der Frau ist: Sie war immerhin 1,70 Meter groß.

Ein Grab auf zwei Ebenen

"Größer als ich", sagt Hubert Fehr im Restaurationsraum. Für die damalige Zeit war eine Frau von solch stattlichem Wuchs keineswegs alltäglich. Die Frau muss einer höheren Gesellschaftsschicht angehört haben. Darauf deuten auch die zahlreichen Grabbeigaben hin, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden. Zum Beispiel ein goldener Fingerring, der noch am Skelett hing. Oder Perlenketten aus Bernstein, Glas und Koralle. Dazu: Zahlreiche Keramikgefäße, Schalen und ein Spitzbecher aus Glas. Dass sie so gut erhalten sind, ist dem Lössboden zu verdanken.

Eine Besonderheit des Grabes besteht darin, dass es sich über zwei Ebenen erstreckt. Oben befand sich das Totenbett, eine Holztruhe und Speisebeigaben - die Forscher haben Überreste von Ziegen gefunden. Im unteren Teil lagerten weitere Grabbeigaben. Dass das Grab nicht beschädigt oder geplündert wurde, gleicht einem Wunder. Derzeit wird es noch restauriert. Was danach mit ihm passiert, bestimmt die Marktgemeinde Pförring. Sie hat die Ausgrabung in Auftrag gegeben, ihr gehört auch der Fund.

Das letzte Kammergrab aus der Völkerwanderungszeit wurde in Süddeutschland vor 25 Jahren entdeckt. Es war allerdings bei Weitem nicht so gut erhalten wie das von Pförring. So gesehen handelt es sich doch um eine Sensation. Dass man in nächster Zeit noch einmal auf etwas Vergleichbares stoße, sei unwahrscheinlich, sagt Jochen Haberstroh, der Referatsleiter im Landesamt für Denkmalschutz. Der Kollege Hubert Fehr neige nur manchmal zur Bescheidenheit. "Es ist ein Jahrhundertfund", sagt Haberstroh.

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