Freyung:Der Fischotter, ein Phantom im Karpfenteich

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Zwischen Schutz und Jagd: Der Fischotter ist bedroht und bedroht gleichermaßen. (Foto: DPA/DPAWEB)

Scheu, flink, gefräßig: Fischotter machen den Teichwirten das Leben schwer. Ein staatlicher Berater soll die Zuchtfischereien schützen - mit High-Tech-Ausrüstung.

Von Stephanie Probst, Freyung

Ein mannshoher Zaun, dreifach gesichert mit Hasendraht, Stahlgittermatten und einer dichten Hecke. Überwachungskameras, Flutlichter, Elektrozäune, Boxen aus denen laute Klackgeräusche dröhnen: Was wirkt wie ein Hochsicherheitsgefängnis, ist die Kleinteichanlage von Fritz Niedermaier aus Riedlhütte im Bayerischen Wald.

Als "Fort Knox" bezeichnet es Martin Maschke, der erste amtliche Fischotterberater in Bayern. Fritz Niedermaier ist Maschkes erster Termin für heute. Der Fischotter ist nämlich der Grund für die abgeriegelten Teiche. Immer wieder durchbrach das Raubtier in den vergangenen zehn Jahren Niedermaiers Abwehrmaßnahmen und stahl im Durchschnitt knapp 400 Fische im Jahr. "Durch den Zulauf ist er gekommen und hat dann ein morsches Brett aufgebrochen", sagt Niedermaier. Wieder lagen Dutzende tote Fische auf der Wiese: Niedermaier wandte sich an Maschke.

"Ich will den Leuten die Angst vor dem Fischotter nehmen"

Seit vier Wochen ist Martin Maschke als amtlicher Fischotterberater in Niederbayern und in der Oberpfalz tätig. Dabei nimmt er Schäden auf, die der Fischotter verursacht hat. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) hat eigens dafür einen mit 100 000 Euro ausgestatteten Fonds eingerichtet, um die Teichbesitzer zu entschädigen.

Martin Maschke ist eine Art Detektiv im Auftrag der Staatsregierung. Er sichert Spuren, sucht nach Pfotenabdrücken und sichtet Überwachungskameras. (Foto: Stephanie Probst)

Die Stimmung zwischen Niedermaier und Maschke ist freundschaftlich. Ein Schwank aus der Jugend hier, ein Spaß auf Kosten des anderen da. "Ich will den Leuten die Angst vor dem Fischotter nehmen", sagt Maschke, "und ihnen zeigen, dass sie mit ihrem Schaden nicht allein gelassen werden." Viele, die er heute berät, kennt er schon seit Jahren, manche seit Jahrzehnten.

31 Jahre war er nämlich in Niederbayern als Berater beim Fischerzeugerring tätig. Seit knapp 15 Jahren beschäftigt sich Maschke außerdem intensiv mit dem Fischotter und dessen Eigenheiten. Der 66-Jährige erkennt deswegen beispielsweise an den Verletzungen der Fische, wer der Übeltäter war: "Fischotter packen ihre Beute vorne am Maul und halten den Fisch mit ihren Pfoten fest. Dadurch entstehen spezifische Kratzspuren", sagt er. Ein Fisch, der einem Reiher zum Opfer gefallen ist, habe dagegen zwei Einstiche vom Schnabel, ein Fuchs wiederum beißt dem Fisch in den Rücken.

Rund um Niedermaiers Teiche sucht Maschke im lockeren Erdreich nach Pfotenabdrücken - fast wie ein Spurenermittler. "Für die Beweise", sagt er. Doch die Kameras, die Niedermaier auf seinem Grundstück installierte, fingen ein, was nicht einmal Fischotter-Profi Maschke jemals zu Gesicht bekommen hat: den Fischotter in freier Natur - das scheue Tier sucht das Weite, wenn es Menschen hört. Und natürlich verlässt ein Täter schnellstmöglich den Tatort, wenn der Kommissar kommt.

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Übrig bleiben nur Bruchstücke und Schuppen

Die Bilder der Kamera sind für Maschke Beweis genug: Der Otter war es, der Niedermaiers Fische ermordet hat. Einen Lichtblick gibt es: Seit zwei Monaten war der Otter nicht mehr bei Niedermaier, vielleicht sind die Abwehrmaßnahmen doch endlich genug. Ob er den Kampf mit dem Fischotter vermissen wird? "Eher nicht", sagt Niedermaier, obwohl seine leidenschaftlichen Sicherheitsmaßnahmen schon ein bisschen so wirken.

Kurz nach halb elf ist Maschke schon beim nächsten Termin. Diesmal eine große Fischzuchtanlage im Nebenerwerb in Ensmannsreut. Der Besitzer Erich Süß setzte im vergangenen Jahr 1000 Fische in einen Teich. Abfischen konnte er noch sechs. Von den drei großen Eimern mit Krebsen, die er in den anderen Teich gesetzt hatte, sieht man nur noch die Überreste am Ufer. Scheren, ein paar Bruchstücke der Panzer - mehr ließ der Fischotter nicht übrig.

"Das hier ist ein Paradies für den Fischotter", sagt Maschke und fotografiert zur Beweisaufnahme die Überreste der Krebse. Den Großteil seiner 14 Teiche hat Süß mittlerweile mit Elektrozäunen gesichert, auf Anraten von Maschke. Das hält das Raubtier bisher ab. Auch das ist Maschkes Aufgabe: die Teichbesitzer über Schutzmaßnahmen zu informieren.

Zwischen Hobby und Lebensgrundlage: 26 Prozent aller in Deutschland verkauften Fische stammen aus der Süßwasserzucht. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Fischotter ist laut Maschke ein großes Problem. Hauptsächlich der Osten Bayerns sei betroffen. Allein in Niederbayern nördlich der Donau vermutet Maschke bis zu 240 Fischotter. Zornig seien viele, die bei ihm anrufen. Manche wollen Lebendfallen aufstellen und den Otter an die Donau bringen, weg vom eigenen Teich. Andere würden auch zu drastischeren Maßnahmen greifen wollen. Doch ein Abschuss der Raubtiere wäre für Maschke der falsche Weg. "Der Fischotter gehört zur Natur, wir müssen mit ihm leben", sagt er. Seine Lösung: bessere und klügere Abwehrmaßnahmen. "So würde der Otter automatisch auf natürliche Flüsse und Seen ausweichen", sagt Maschke.

Hoffen auf Entschädigung

Martin Wentz aus Niederperlesreut musste selbst seinen Gartenteich sichern. Denn der Fischotter lässt sich nicht einmal von Wohngebieten abschrecken. Im vergangenen Dezember holte der Fischotter fünf teure Koi-Karpfen aus dem kleinen Teich, viel übrig blieb auch hier nicht. Ein paar Schuppen, mehr war nicht mehr zu sehen, erklärt Wentz.

Auch er hofft wie alle anderen Teichbesitzer auf eine Entschädigung von der Staatsregierung, doch Maschke kann bisher noch nichts versprechen: "Ich nehme die Schäden auf und dann muss geschaut werden, wie man die 100 000 Euro verteilt." Kaum sitzt Maschke wieder im Auto, läutet sein Handy. Ein Hilferuf aus Perlesreut: Der Fischotter hat wieder zugeschlagen.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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