Freizeit:Nicht mal beim Wandern ist man spontan

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Den Rucksack packen, die Schuhe schnüren und los geht's - das ist zwar bei Tageswanderungen noch möglich, aber wer auch auf einer Berghütte übernachten will, muss vorausplanen. (Foto: Getty Images)

Das Leben in der Großstadt ist von A bis Z durchgeplant. Nichts wie raus also in die Berge, weg von der Organisationitis? So einfach ist das nicht.

Kolumne von Nadeschda Scharfenberg

Das Leben in der bayerischen Landeshauptstadt lässt sich in drei Worten zusammenfassen: planen, planen, planen. Wer nicht frühzeitig die Dinge einfädelt, kann einpacken. Das geht schon pränatal los. Während der Mensch noch im Fruchtwasser planscht, ist er schon zigfach angemeldet, für die U 3 beim Kinderarzt, das Babyschwimmen und das Säuglings-FKK (auch PEKiP genannt). Und für die Kita sowieso.

Wenn der einjährige Mensch dann Mitglied in der Zipfelmützen- oder Sonnenkäfergruppe wird, gibt es zur Begrüßung einen Zettel: Tipps für die richtige Schulwahl. Die Plätze in den Bildungseinrichtungen mit Ganztagsbetreuung sind knapp, da schadet es nicht, über die Jahre regelmäßig selbst gebackenen Dinkel-Vollkornkuchen vorbeizubringen. Ach herrje, und die Vormerkung für die Flötengruppe in der Musikschule - verpasst.

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Berghütten sind oft überlaufen. Wer nicht reserviert hat, muss dann absteigen oder weitergehen. Bald könnte es in den Bergen noch weniger Betten für Unangemeldete geben.

Von Isabel Meixner

Dem erwachsenen Landeshauptstädter ergeht es kaum besser. Abends spontan in ein schickes Restaurant gehen? "Da hätten Sie reservieren müssen." Kurzfristig ein Konzert besuchen? Ausverkauft, seit Monaten. Und der Sauna-Besuch am Schmuddelsamstag scheitert daran, dass sich nach 45-minütiger Suche noch immer keine Parklücke auftut.

Wie schön, dass der Planungsneurotiker sich der überfüllten Großstadt jederzeit durch einen Ausflug in die Berge entziehen kann. Den Rucksack gepackt, die Schuhe geschnürt, auf geht's, fallera. Einfach drauflos marschieren und sich vom inneren Kompass leiten lassen, von der Tagesform, von Hunger und Durst. Am Ende des Weges im Irgendwo ankommen, dort, wo einen die Füße zufällig hingeführt haben. Essen, ins Bett plumpsen. Die beste Therapie gegen das Leiden namens Organisationitis.

Doch neuerdings bietet nicht mal mehr die Alpenvereinshütte Raum für Spontanität. Die Wirtsleute müssen nur noch zehn Prozent der Betten für unangemeldete Gäste vorhalten. Wer einen Schlafplatz sicher haben will, muss, oh Gruselwort, planen, sich anmelden, reservieren. Der Gipfel der Organisationswut.

Der planungsgeplagte Großstädter sollte einfach nach Hof ziehen oder in den Landkreis Tirschenreuth. Aber was würde er nur anfangen mit all der Zeit, die er nicht mehr fürs Organisieren bräuchte? Dafür muss ein Plan her, aber dringend.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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