Freiluft-Sex am Baggersee:Liebesentzug auf "Porno Island"

Die Baggerseen bei Senden gelten als Geheimtipp für Fans von Open-Air-Sex. Doch Anwohner klagen über Erotik-Müll und masturbierende Männer. Jetzt gehen die Behörden gegen das frivole Treiben an.

Tobias Dorfer

Das Corpus Delicti glänzt verräterisch durch das Schilf an den Baggerseen nahe dem schwäbischen Städtchen Senden. Leere Kondom-Verpackungen deuten darauf hin, dass sich hier jemand nicht nur durch die Sonne aufheizen lassen hat.

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Ein idyllisches Naherholungsgebiet sind Großer Baggersee, Kleiner Baggersee und Waldsee in Senden. Doch liebestolle Badegäste verärgern die Anwohner.

(Foto: Stadt Senden)

Als "großzügige Erholungsbereiche" preist der Bürgermeister des Ortes, Kurt Baiker, das idyllische Gebiet an. Doch manche Mitbürger haben in der Vergangenheit unter Erholung offenbar etwas anderes verstanden - und sich im Schilf ihr privates Open-Air-Liebesnest geschaffen, mehr oder weniger öffentlich.

Zum Problem wurde das Ganze, weil es nicht bei vereinzelten unzüchtigen Handlungen geblieben ist. Das Naherholungsgebiet, zwölf Kilometer südlich von Ulm gelegen, soll sich in den letzten Jahren zu einer Erotikkampfzone für all jene entwickelt haben, die beim Liebesspiel ungern in den eigenen vier Wänden bleiben. In den einschlägigen Internetforen werden die drei Seen bei Senden als Geheimtipp für schwule Männer, die schnellen Sex suchen, genannt. Und auch Hetero-Paare sollen sich hier zu Sexorgien treffen.

Dildos, Pornohefte, gebrauchte Kondome und Müll würde man hier regelmäßig finden, klagte jüngst ein Anwohner im Bayerischen Rundfunk. Seine Kinder seien sogar schon einmal von einem masturbierenden Mann verfolgt worden, heißt es in dem Beitrag. Von "Porno-Island" ist in Senden die Rede.

Ungewöhnlich dabei ist, dass den Behörden das frivole Treiben in der Vergangenheit weitgehend verborgen geblieben sein muss. "Uns sind bislang keine Beschwerden zugegangen", sagt Wolfgang Höppler, Fachbereichsleiter für öffentliche Sicherheit im Landratsamt Neu-Ulm. Er hat den Fall nun, da die ganze Region über "Porno-Island" diskutiert, auf dem Schreibtisch. Praktischerweise ist er auch für den Katastrophenschutz zuständig

Nach wiederholten Beschwerden haben die Behörden reagiert - die Polizeikontrollen an den Baggerseen verschärft. Tatsächlich haben die Beamten danach offenbar vereinzelte Fälle von öffentlichem Sex registriert. Natürlich könne so etwas in Naherholungsgebieten immer vorkommen, sagt Sicherheitsexperte Höppler. Allerdings seien die Liebeshungrigen nicht öffentlich in Erscheinung getreten. "Die liegen ja auch im Schilf", ergänzt Sendens Bürgermeister Baiker.

Auf Streife am Ort der Erregung

Übertreiben die Anwohner? Oder tragen die Sendener Baggerseen ihren neuen Spitznamen "Porno-Island" zu Recht? Im Landratsamt Neu-Ulm heißt es, dass es gar nicht so einfach sei, liebestollen Badegästen beizukommen. Schließlich müsse die Ordnungswidrigkeit auch bewiesen werden - und bis die von Polizei am Ort der Erregung eintrifft, sind die Sexhungrigen schon verschwunden.

Rathauschef Baiker gibt allerdings auch zu, dass sich bislang niemand so recht für die Seen verantwortlich gefühlt hat. Denn die Grenze zwischen Senden und dem Nachbarort Vöhringen verläuft direkt durch das Naherholungsgebiet.

Nun versuchen die Kommunen, dem sündigen Treiben in einer konzertierten Aktion ein Ende zu setzen. Am Dienstag haben sich die Bürgermeister von Vöhringen und Senden mit Vertretern des Landratsamts und der Polizei ertsmals zu einem runden Tisch zusammengesetzt. Das Ergebnis: In den kommenden Wochen sollen die Beamten an den Baggerseen verstärkt auf Streife gehen.

Außerdem solle die Gegend bis zum Sommer 2011 landschaftlich so umgestaltet werden, "dass das Baden erschwert wird", sagt Wolfgang Höppler vom Landratsamt Neu-Ulm. "Zwei Drittel der Badefläche stehen dann nicht mehr zur Verfügung", mutmaßt Sendens Bürgermeister Baiker. Die schmalen, mit Bäumen bewachsenen Kiesdämme zwischen den Seen sollen teilweise abgetragen werden, Torf könne aufgeschüttet - und das Ganze so zur Sumpflandschaft umgestaltet werden, überlegt Baiker.

Warnung im Internet

Gebadet werden darf künftig auch noch - in abgegrenzten Bereichen am Ufer. Selbst eine Stelle für FKK-Hungrige wird geschaffen. Wer sich jedoch außerhalb dieser Gebiete aufhalte, begehe eine Ordnungswidrigkeit, egal, ob nackt oder angezogen. Und Uneinsichtige werden zur Kasse gebeten: Bis zu 1000 Euro können die Behörden fordern.

Dass diese Maßnahmen das lustvolle Treiben an den Baggerseen vollständig beenden werden, glaubt allerdings selbst der Sendener Bürgermeister nicht: "Das ist der Zeitgeist. Wer sich der Öffentlichkeit so präsentieren will, wird das auch weiterhin machen." Im Internet haben sich die Bemühungen der Behörden jedoch bereits herumgesprochen: "Wir würden dort zu Vorsicht raten, da eventuell Anzeigen erfolgen könnten", schreibt ein "Experimentalpaar" in einem Forum. Ein gewisser Ralf weiß in eigenwilliger Diktion Rat: In der Nähe gebe es genug Plätze, "wo nicht überlaufen sind".

Davon geht auch Bürgermeister Baiker aus: "Ich bin sicher, dass sie einen neuen Ort finden werden."

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