Freihung:Regionalbahn rammt Lkw

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Bei einem Zusammenstoß eines Zuges mit einem Tieflader sterben der Lokführer und der Lkw-Fahrer. 18 Menschen werden verletzt, vier davon schwer

Von Verena Wolff, Freihung

Am Morgen danach wabert der Nebel in den umliegenden Wäldern und über den Feldern. Auf dem Gleis, das sich hier durch die idyllische Landschaft schneidet, liegen Teile einer Regionalbahn. Von dem Führerstand des Zuges, der auf dem Weg von Neukirchen nach Weiden in der Oberpfalz war, ist nichts mehr übrig. In der Nacht auf Freitag stieß der Regionalzug hier mit einem Schwertransporter zusammen, der auf den Schienen stand. Der 35 Jahre alte Lokführer und der 30-jährige Fahrer des Lkw kamen bei dem Unglück ums Leben. 18 Menschen wurden verletzt, vier davon schwer.

Am Freitag riecht es am Unglücksort nach Rauch. Die Steuerkonsole der Lok liegt verkohlt auf dem, was noch vom Tieflader übrig ist, mit dem der Zug zusammenstieß. Auch das ist nicht mehr viel: ein paar Räder links vom Führerstand, eine Tür rechts davon. Drumherum noch die weißen Reste des Löschmittels, das die Feuerwehr verteilte. Aus den schwarzen, verkohlten Brocken ragen Kabel, Metallstücke liegen herum.

"Der Bahnübergang ist etwa 500 Meter entfernt", sagt Peter Krämer vom Polizeipräsidium Oberpfalz. So weit hat die Bahn den Tieflader mitgeschleift, der auf dem beschrankten Übergang zum Stehen gekommen war. Erst vor Kurzem sei die Anlage erfolgreich auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft worden, sagt Bahnsprecher Franz Lindemair.

Ort der Verwüstung: Vom Tieflader, der einen Militär-Lastwagen transportierte, ist nach dem Unglück kaum noch etwas zu erkennen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Wie genau sich der Unfall in Freihung-Sand abgespielt hat, wissen am Freitag weder Bahn noch Polizei. Nur so viel: Der Tieflader transportierte einen beschädigten Militär-Lastwagen der amerikanischen Streitkräfte von Rumänien zurück in die Oberpfalz. Die US-Truppenübungsplätze Vilseck und Grafenwöhr sind in der direkten Nachbarschaft. "Wir gehen davon, dass der Lastwagen auf dem Bahnübergang stecken geblieben ist", sagt der Sprecher. Denn der hat eine Bodenwelle - und die könnte sich als fatales Hindernis erwiesen haben. Der Regionalzug aus Nürnberg, einer der letzten an diesem Abend, war vermutlich mit 140 Kilometer pro Stunde auf der geraden, eingleisigen Strecke unterwegs. Als sich die Schranken am Bahnübergang schlossen, stand der Tieflader schon drauf. "Der Lokführer hatte keine Chance zu bremsen." Seine Leiche wurde erst am Morgen in den Überresten des Führerstandes gefunden. Der Beifahrer des Lkw hat das Unglück leicht verletzt überlebt, er wird in einem Krankenhaus behandelt. Seine Aussage soll der Polizei den Hergang erklären. "Er hat offenbar nicht in dem Lastwagen gesessen, vielleicht hat er versucht, dem Kollegen beim Rangieren zu helfen", sagt Krämer.

Die meisten der etwa 40 Zuginsassen wurden in einem nahegelegenen Gewerbebetrieb untergebracht. Ein gutes Dutzend Fahrgäste musste medizinisch behandelt werden, war aber nur leicht verletzt. Seelsorger waren dort und kümmerten sich um die Reisenden, die nun auf dem Weg nach Hause sind.

"Ein Glück war, dass in der ersten Klasse niemand saß", sagt Krämer. Denn die wenigen Sitze der ersten Klasse liegen direkt hinter dem Führerstand. Und von denen ist nicht viel mehr als das Metallgerippe zu sehen. Auch dieser Teil des Zuges ist vollkommen ausgebrannt. Mit im Zug saß eine zehnköpfige Jugendgruppe und zwei Betreuer. Sie hatten zusammen einen Ausflug in ein Nürnberger Kino unternommen hatte. Es spielten sich dramatische Szenen ab. "Es gab einen lauten Knall, wir wurden durch den Waggon gewirbelt, danach sah ich riesige Flammen", schildert die 16-jährige Anabel Witt, was sich auf der Bahnstrecke bei Freihung in der Oberpfalz zugetragen hat. "Leute schrien, es war Blut zu sehen." Einem Mann gelingt es, die Tür des Triebwagens zu öffnen. "Danach sind wir einfach alle nur noch in Panik herausgerannt." Einige stürzen und verletzen sich dabei. "Ich wollte auch rennen, hatte aber starke Schmerzen und konnte nicht", erzählt die Schülerin.

SZ-Karte: Sarah Unterhitzenberger (Foto: Sarah Unterhitzenberger)

Das ganze Ausmaß des schweren Zugunglücks wird erst sichtbar, als die Rettungskräfte eintreffen und die Unglücksstelle mit Scheinwerfern ausleuchten: Als Anabel Witt im Krankenwagen liegt, hört sie den Funkspruch: "Eine Person leblos geborgen." Da sei ihr klar geworden, dass es auch mindestens einen Toten gegeben haben muss.

Voraussichtlich bis Montag bleibt die Bahnstrecke gesperrt. "Die Bergung der Fahrzeuge ist schwierig, es haben sich viele Teile verkeilt", erklärt Marco Müller vom Polizeipräsidium Oberpfalz.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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