Umstrittenes Gerichtsurteil:Freiheit für zweifachen Totschläger

Seine Sicherungsverwahrung wurde abgelehnt - jetzt kommt ein Mann, der zwei Frauen umgebracht hat, bald frei. Die zuständigen Richter am Landgericht Bayreuth werden nun wüst beschimpft.

Olaf Przybilla

Es war bereits der dritte Prozess im Leben des Gerhard B., im Gegensatz zu den ersten beiden aber endete dieser nicht mit einem Urteil gegen den gelernten Maler. Im Jahr 1991 war B. erstmals wegen Totschlags verurteilt worden, er hatte seine schwangere Frau erstochen. Wenige Monate nachdem er aus der Haft entlassen worden war, erdrosselte er seine Freundin. Wieder konnte ihm die Tat zweifelsfrei nachgewiesen werden, diesmal lautete die Strafe auf 13 Jahre Haft.

Zwei Frauen getötet - Sicherungsverwahrung beantragt

Kurz vor seiner Haftentlassung hatte die Staatsanwaltschaft Bayreuth eine nachträgliche Sicherungsverwahrung für den zweimaligen Frauen-Totschläger beantragt. Doch sie wurde abgelehnt.

(Foto: dpa)

Vergangene Woche nun stand Gerhard B. abermals vor Gericht. Kurz vor seiner Haftentlassung hatte die Staatsanwaltschaft Bayreuth eine nachträgliche Sicherungsverwahrung für den zweimaligen Frauen-Totschläger beantragt - das Landgericht Bayreuth lehnte ab und sieht sich seitdem wüsten Diffamierungen ausgesetzt. Einer der anonymen Schreiber wünscht den verantwortlichen Richtern "die Gaskammern zurück".

In der regionalen Presse will ein Leserbriefschreiber wissen, wer "uns" vor den Richtern schütze. Es ist noch eine der vornehmeren Fragestellungen. Mit solchen Reaktionen habe man rechnen müssen, sagt Christine Künzel, Vizepräsidentin am Landgericht in Bayreuth; Urteile dieser Art seien "für den juristischen Laien möglicherweise schwer zu verstehen".

Zumal bereits der Sachverhalt, dass in dem Fall überhaupt über die hoch umstrittene nachträgliche Sicherungsverwahrung verhandelt wurde, nicht leicht zu verstehen ist. Immerhin wurde diese gerade vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt. Und sie ist seit Anfang des Jahres nur unter bestimmten Umständen zulässig, in den "Altfällen". Die Causa des Gerhard B. gehörte dazu, weil das Gericht 1996, als B. zum zweiten Mal verurteilt wurde, noch keine Handhabe hatte, eine Sicherungsverwahrung anzuordnen. Dafür wären drei mehrjährige Haftstrafen vonnöten gewesen, B. hatte nur zwei.

Nach insgesamt 18 Jahren in Haft wird B. demnächst also auf freien Fuß kommen, der Termin steht bereits fest, im März wird es soweit sein. Selbst wenn der Bundesgerichtshof das Verfahren zurückverweisen sollte - die Staatsanwaltschaft hat Revision beantragt -, käme B. wohl zumindest vorläufig frei. Dass von ihm keinerlei Gefahr ausgehe, hat der Vorsitzende Richter Michael Eckstein bei seiner Urteilsbegründung nicht zu suggerieren versucht. Dass Gerhard B. auch künftig einer Frau gefährlich werden könnte, die mit ihm eine Partnerschaft eingeht, das sei keineswegs auszuschließen, erklärte Eckstein. Dass aber B. "mit hoher Wahrscheinlichkeit" wieder Gewalt anwendet, wie es das Gesetz für eine Sicherungsverwahrung fordert, das sei nicht zu erkennen.

Ist so ein Urteil fahrlässig?

Ist so ein Urteil fahrlässig? Dem Strafverteidiger Karsten Schieseck ist die Frage geläufig. Er macht gerade Bekanntschaft mit anonymen Anrufern, die ihm mitteilen, er trage eine Mitschuld, "wenn künftig Frauen sterben". Schieseck hat B. bereits vor 14 Jahren verteidigt, damals hat sein Mandant in der Verhandlung zugegeben, im Januar 1996 seine Freundin, eine 15 Jahre jüngere Steuergehilfin und Mutter zweier Kinder, getötet zu haben.

Besonders tragisch ist, dass die 26-Jährige zuvor schon von ihrem Ehemann geschlagen worden war und sich von diesem getrennt hatte. Nun war sie erneut an einen Gewalttäter geraten. Am Neujahrstag 1996 erfuhr B. von der jungen Frau, dass sie zurückkehren wolle zu ihrem Ehemann. Elf Tage später trank B. am Morgen vier Flaschen Bier, es kam zum Streit. Er schlug der Frau einen Aschenbecher auf den Kopf. Danach würgte er sie, bis er sie für tot hielt, legte sie in die Badewanne und drehte den Wasserhahn auf.

Ein Jahr vor dieser Tat war B. aus der Haft entlassen worden, seine erste Strafe war vorzeitig zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Tötung seiner schwangeren Ehefrau am 9. Juni 1990, deretwegen B. erstmals hinter Gitter kam, ähnelte schon stark dem, was fünf Jahre später geschehen sollte. Auch damals hatte die Ehefrau von B. erklärt, sich von ihm trennen zu wollen. Auch damals trank er. Und auch damals war es zum Streit gekommen. Seine Ehefrau wurde tot in einem Treppenhaus aufgefunden, mit zehn Stichen hatte B. sie umgebracht.

Keine "hohe Wahrscheinlichkeit" also? Eine entscheidende Rolle bei der Urteilsfindung hat das Gutachten des Sachverständigen Norbert Nedopil gespielt, er gilt als renommierter Psychiater. Ja, attestierte Nedopil, wenn der verletzbare und unsichere B. sich in die Enge getrieben sehe, dann könne er zum Gewalttäter werden. Aber nein, sexuell abnorm oder gar psychopathisch sei B. eindeutig nicht. Ginge der 55-Jährige wieder eine Partnerschaft ein, dann könnte es gefährlich werden.

Für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung reicht das nicht aus. Richter Eckstein aber hat davon gesprochen, es sei "vorstellbar", B. nach der Haftentlassung unter Führungsaufsicht zu stellen und diese mit besonderen Auflagen zu versehen: der Vorgabe etwa, dass B. seinem Bewährungshelfer melden muss, sollte er eine Frau kennenlernen. Über die Auflagen muss demnächst die Strafvollstreckungskammer in Bayreuth entscheiden. Verstieße Gerhard B. gegen solche Auflagen, wäre das eine Straftat.

Man könne diese Auflagen gut und ohne immensen Aufwand kontrollieren, sagt Rechtsanwalt Schieseck. Er sei da "sehr zuversichtlich". Und wenn doch nicht? "Es wird nie eine hundertprozentige Sicherheit beim Menschen geben, damit müssen wir leben", sagt der Anwalt.

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