Freie Wähler scheitern bei Bundestagswahl:"Ich rede das nicht schön"

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Hubert Aiwanger nach der Landtagswahl. Bei der Bundestagswahl holten die FW auch in Bayern nur drei Prozent. (Foto: dpa)

Der Plan von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, im Bund die Politik aufzumischen, ist gescheitert: Die Gruppierung erreicht sogar in Bayern nur drei Prozent.

Von Christian Sebald

Was für ein Absturz. Bei der Landtagswahl am Sonntag vor einer Woche haben die Freien Wähler immerhin neun Prozent geholt. Jetzt bei der Bundestagswahl werden sie in den Wahlprognosen von ARD und ZDF gar nicht separat aufgeführt - so wenig Zuspruch haben sie offenkundig auf Bundesebene. Und in Bayern kommen sie laut vorläufigem Endergebnis nur auf 2,7 Prozent. Das ist nicht einmal ein Drittel des Wertes von vor einer Woche.

Aber FW-Chef Hubert Aiwanger lässt sich nicht irritieren. Im Gegenteil: "Ich bin mit den drei Prozent in Bayern zufrieden", sagt er am Telefon, nachdem die ersten Prognosen über die Sender gegangen sind. "Das zeigt, dass wir hier in Bayern bei den Leuten auch bundespolitisch präsent sind."

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Auch das grandiose Scheitern auf Bundesebene macht Aiwanger nichts aus. Im Bund, so sieht der FW-Chef das, da hätten die Freien Wähler mit dieser Wahl den Anfang gemacht. "Ich rede das nicht schön", sagt Aiwanger. "Aber wäre die AfD nicht gewesen und hätten die Medien uns nicht wegen unseres Euro-kritischen Kurses ständig in die rechte Ecke gestellt, dann wäre für uns gewiss sehr viel mehr drin gewesen."

Aiwanger ist nicht der einzige Politiker der Freien, der sich so äußert. Generalsekretär Michael Piazolo, Fraktionsgeschäftsführer Florian Streibl und der bayerische FW-Bundestagsspitzenkandidat Christian Hanika urteilen in fast den gleichen Worten über die Hochrechnung - so als hätten sie ihre Statements einstudiert.

Daheim am Fernseher

Dabei haben die Freien Wähler offenkundig mit ihrem denkbar schlechten Abschneiden gerechnet. Nicht einmal zu einer zentralen Wahlparty haben sie am Sonntag eingeladen. Anfänglich hatte der Landesverband noch überlegt, in Ingolstadt wenigstens ein halböffentliches Treffen mit Aiwanger und den wichtigsten Bundestagskandidaten zu arrangieren.

Aber als sich herausstellte, dass keiner zog, wurde auch dieser Plan fallen gelassen. So verbrachten die Führungsmannschaft rund um Aiwanger und die Kandidaten den Wahlabend entweder daheim am Fernseher oder mit ihren Helfern in einer Wirtschaft in ihrem Wahlkreis.

Nach der Landtagswahl hatten die Freien Wähler jubiliert, dass sie im Freistaat nun "eine stabile Größe sind, die nicht mehr aus dem politischen Geschäft wegzudenken ist". Dabei sind die neun Prozent, die sie am vorvergangenen Sonntag eingefahren haben, deutlich weniger als die 10,2 Prozent, mit denen sie 2008 in den Landtag eingezogen waren.

Und gemessen an den 15 Prozent, die Aiwanger seit Monaten als Wahlziel ausgegeben hatte, sind die neun Prozent sogar eine veritable Niederlage - zumal die Freien im neuen Landtag zwei Mandate weniger haben als bisher. Wohl auch deshalb gab es vergangene Woche bereits einiges Gegrummel, bislang freilich allein von gescheiterten und enttäuschten Landtagskandidaten.

Auf Bundesebene war den Freien Wählern seit langem klar, dass sie durchfallen würden. Ihre Aussichten waren schon vor vielen Wochen so schlecht, dass sie auch in den Wahlumfragen nicht eigenständig aufgeführt wurden. Dort liefen sie ebenfalls stets unter "Sonstige" und dümpelten bei einem Prozent umher.

Gleichwohl erklärte Aiwanger bis zuletzt, dass im Bund fünf Prozent erreichbar seien. So wie auch der Spitzenkandidat Hanika. Mit Blick auf den Untergang der bayerischen FDP tönte Hanika noch am vergangenen Montag: "Aus basislosem Gelb wird bürgerliches Orange - und das bundesweit."

Das jetzige Fiasko ist denn auch für Aiwanger überhaupt kein Grund, seine bundespolitischen Träume zu begraben. Auch wenn er natürlich weiß, dass nun wieder die Debatten aufflackern werden, ob es denn richtig sei, sich im Bund und in der Europapolitik zu engagieren. "Aber das haben wir bereits entschieden, es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie", sagt Aiwanger. "Wir müssen uns nur noch über unsere Hausaufgaben verständigen. Und die sind in allererster Linie, dass wir unsere Landesverbände stärken und in weitere Landtage einziehen müssen."

Auch Generalsekretär Piazolo zieht das bundespolitische Engagement nicht in Zweifel. "Wir wissen doch alle, dass die entscheidenden Weichenstellungen für die Kommunen und die Bundesländer in Berlin und in Europa stattfinden", sagt er. "Deshalb sind wir auf dem richtigen Weg und werden ihn nicht verlassen."

In Bayern hätten die Freien drei Anläufe gebraucht, bis sie 2008 den Sprung in den Landtag schafften. "Wir haben immer gesagt, dass unser Einzug in den Bundestag ein mittelfristiges Projekt ist", sagt Piaziolo. "Jetzt müssen wir alles dafür tun, dass wir 2017 sehr viel besser abschneiden."

Wie Aiwanger geht Piazolo fest davon aus, dass dieser Kurs unumstritten ist - zumindest bei den bayerischen Freien Wählern. "Mit den anderen Landesverbänden könnte es schon noch die eine oder andere Debatte geben", sagt er.

Aiwanger ist derweil schon sehr viel weiter. Wie Hanika sieht er die Freien als Nachfolger der FDP. "Der dramatische Niedergang der Liberalen öffnet uns eine Lücke", sagt er. "Wir sind modern und wertkonservativ, wir sind die bürgerliche Mitte, wir kämpfen weiter." Im Oktober wird Aiwanger seine Überzeugung auch seinen Gefolgsleuten erklären müssen - erst auf der Landesversammlung, dann auf der Bundesversammlung.

© SZ vom 23.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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