Freie Wähler gegen CSU:Mit harten Bandagen

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger könnte bei der Landtagswahl 2013 über das Schicksal der CSU entscheiden. Doch auf die Christsozialen ist er nicht gut zu sprechen. Und die nicht auf ihn.

Mike Szymanski

Wie tickt der Großstädter? Wie spricht man ihn an? Muss man Rücksicht nehmen? Die Stadt München ist nicht unbedingt vertrautes Terrain für die Landpartei Freie Wähler. Vielleicht hat man auch deshalb für den Auftritt des Chefs der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, in den "Schinken-Peter" geladen, ein rustikales Wirtshaus mit Biergarten im Münchner Stadtteil Giesing.

Freie Wähler gegen CSU: FW-Chef Aiwanger auf Großstadt-Ausflug. Im Giesinger Lokal "Schinken-Peter" versucht er, Münchner Bürger für sich und seine eher auf dem Land verwurzelte Wählergruppe zu begeistern.

FW-Chef Aiwanger auf Großstadt-Ausflug. Im Giesinger Lokal "Schinken-Peter" versucht er, Münchner Bürger für sich und seine eher auf dem Land verwurzelte Wählergruppe zu begeistern.

(Foto: Stephan Rumpf)

Doch der Bauer aus Niederbayern scheint sich nicht viele Gedanken über die Befindlichkeit der Großstädter zu machen. "Griaß Euch", sagt er, als er den "Schinken-Peter" betritt, als wäre er hier daheim. Und das Hinterzimmer ist brechend voll, auch wenn es an diesem heißen Sommerabend attraktivere Möglichkeiten gibt, seine Freizeit zu verbringen.

Man sollte nicht versuchen, die Freien Wähler immer verstehen zu wollen: Jedenfalls bleibt es ein Rätsel, warum der Landtagsabgeordnete Michael Piazolo, der dem Stadtverband mit nur 150 Mitgliedern vorsteht, erstmal einen Witz über drei Menschen und ihre letzten Wünsche vor der Hinrichtung erzählt. Aiwanger, 40, und bekannt für seinen hemdsärmeligen Humor, zischt als Kommentar zu Piazolos Witz: "Erschieß' mich, bevor der Aiwanger spricht." So beginnt dieser Abend mit den Freien Wählern in der Stadt.

Es sind noch zwei Jahre bis zur Landtagswahl, aber Aiwangers Ausflug darf als Wahlkampfauftritt gewertet werden. Seitdem die notleidende Bayern-SPD Helferinstinkte im Münchner Oberbürgermeister Christian Ude geweckt hat, der nun für sie als Spitzenkandidat in die Wahl ziehen will, hat die Opposition erstmals seit Jahrzehnten realistische Chancen, die CSU aus der Regierung zu werfen. Einer Person käme dabei eine Schlüsselfunktion zu: Hubert Aiwanger.

Fleisch vom Fleische der CSU

Schließen seine Freien Wähler einen Pakt mit SPD und Grünen, und schafft es die FDP womöglich nicht mehr in den Landtag, dann könnte dies das Aus für die CSU an der Macht bedeuten. Aiwanger könnte also 2013 den Daumen heben oder senken über der CSU.

Es gibt manche bei den Christsozialen, Leute wie den neuen Münchner Bezirkschef Ludwig Spaenle, die es schon "unanständig" finden, dass der beliebte SPD-Politiker Ude wagt, CSU-Chef Seehofer herauszufordern. Dass aber ausgerechnet Aiwanger über das Schicksal der Christsozialen entscheiden könnte, empfinden sie in der CSU als "unerträglich", wie ein Spitzenfunktionär bekundet.

Denn die Freien Wähler des Hubert Aiwanger sind Fleisch vom Fleische der CSU: im Herzen konservativ, aber rebellisch. Und nicht bereit, sich in den Machtapparat der CSU mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten einzufügen. In der Kommunalpolitik sind die Freien Wähler seit langem etabliert. Aiwanger will sie seit 2008 auch in der Landespolitik etablieren. Damals wurden sie mit 10,2 Prozent die drittstärkste Kraft im Land. Etwa 190 000 Wähler waren, von der CSU enttäuscht, zu den Freien Wählern übergelaufen. Seitdem sind sich CSU und Freie Wähler in erbitterter Gegnerschaft verbunden.

"Aiwanger ist ein gefährlicher Populist"

"Es würde der CSU natürlich nicht schaden, noch mal eins auf die Mütze zu bekommen", poltert Aiwanger. Es sind solche Brachial-Sätze, die die CSU immer wieder verstören. Aber auch Aiwanger hat nachvollziehbare Gründe dafür, der CSU 2013 eine Absage zu erteilen. Denn CSU und Freie Wähler haben eine Geschichte.

Die Freien wären 2008 als Koalitionspartner für die CSU in Frage gekommen. Aber die entschied sich für die FDP. "Da weiß man, was man hat", dachten viele CSUler. Eine Fehleinschätzung. Andererseits wollten die Christsozialen die Freien Wähler keinesfalls durch Regierungsämter aufwerten. In der Opposition, so die Hoffnung, würden sich die Freien entzaubern und dann wieder zerbröseln.

Bevor Münchens OB Ude begann, über eine Kandidatur für die SPD auf Landesebene nachzudenken, sah es so aus, als könnte die Strategie der CSU aufgehen. Im Landtag blieben die Freien ohne Profil. In den Umfragen sanken sie. Die CSU hatte die Freien Wähler bereits weitgehend abgeschrieben.

Seit 2008 haben sich die beiden konservativen Parteien immer weiter auseinandergelebt. Die CSU-Fraktion führt Strichlisten, wie oft die Freien Wähler bei Abstimmungen im Landtag mit SPD und Grünen votieren - demnach in knapp 70 Prozent der Fälle. Dass der FW-Abgeordnete Bernhard Pohl 2010 in den hitzigen Debatten zum Landesbank-Debakel sagte, die CSU müsse sich überlegen, wen sie "schlachten" wolle, Erwin Huber oder Georg Fahrenschon, belastet das Verhältnis bis heute. "Die Freien Wähler haben sich auf die Seite der Opposition geschlagen", sagt CSU-Fraktionschef Georg Schmid.

Einfach weggelassen

Die Reaktionen der CSU reichen von Nichtbeachtung bis zu Verbalinjurien. Zum Beispiel beim Gillamoos-Volksfest im CSU-geführten Abensberg, auf dem die Parteien kommende Woche um die beste Stammtischrede in den Wettbewerb treten. Die Freien Wähler tauchten auf dem offiziellen Flugblatt dazu gar nicht auf. Einfach weggelassen. Aiwanger beschwerte sich. Aber das ist noch nicht das Schlimmste.

Es gibt eine Äußerung des stellvertretenden CSU-Fraktionsvorsitzenden Alexander König, die tiefste Abneigung gegen den Chef der Freien Wähler offenbart: "Aiwanger ist ein gefährlicher Populist, dessen hinterfotzige Art zu reden und zu formulieren mir immer wieder einen Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt", sagte König. "Starker Tobak", entgegnet Aiwanger. Wenn sie noch einmal etwas von ihm wolle, müsse die CSU "schon noch an sich arbeiten".

Aiwanger gegen die CSU, die CSU gegen Aiwanger. Der Streit ist persönlich geworden. Wie sich die Freien Wähler 2013 entscheiden, ob sie sich auf die CSU einlassen, um regieren zu können, hängt auch davon ab, inwieweit Aiwanger über persönliche Verletzungen hinwegsehen kann. Als Bundes-, Landes- und Fraktionsvorsitzender vereint er so viel Macht in einer Person wie selten in der Politik. Und er genießt es, damit zu spielen. Im "Schinken-Peter" umgarnt er an diesem Abend die SPD. Ob es denn Gemeinsamkeiten gebe, wird er gefragt. "Wir hätten durchaus genug Arbeit für die nächsten Jahre", sagt er.

Ein gemeinsames Projekt gibt es schon: die CSU demütigen.

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