Frankens Bayern - Bayerns Franken:Immer Probleme mit der Idendidäd

Wer sind eigentlich die Franken? Jedenfalls keine Bayern - auch wenn sie nun mit dem Protestanten Günther Beckstein den Ministerpräsidenten stellen werden.

Frank-Markus Barwasser

Identität ist ein Wort, welches den Franken wichtig ist. Leider ist es auch ein Wort, welches die Franken schlecht aussprechen können. Wenn ein Franke außerhalb Frankens von fränkischer ,,Idendidäd'' spricht, erntet er mehr Spott als Verständnis. Welche Tragik! Was eine fränkische Identität überhaupt sein soll, lässt sich ohnehin nur schwer beantworten. Als vor 200 Jahren die fränkischen Gebiete nach und nach an Bayern fielen, gab es keinen einheitlichen fränkischen Staat, sondern nur einen losen Bund von Herrschaftsgebieten. Der "Fränkische Reichskreis" hatte vor allem wirtschaftliche Ziele verfolgt. Ein echtes fränkisches Gemeinschaftsgefühl aber war nicht entstanden. Die politische, räumliche und konfessionelle Zersplitterung sind dann auch Gründe, warum "Franken" relativ geräuschlos an Bayern fallen konnte.

Frank-Markus Barwasser Erwin Pelzig, ddp

Barwasser alias Erwin Pelzig: Der Süden boomt, der Norden kämpft

(Foto: Foto: ddp)

Die historisch gewachsene Kleinteiligkeit Frankens war also einerseits eine Schwäche ("fränkisch ist zänkisch"), andererseits aber auch eine Stärke, die in großer kultureller Vielfalt zum Ausdruck kam. Das erschwert die Identitätssuche bis heute: "Franken ist kein flächenhafter Zustand, sondern eine Summe regionaler Binnendifferenzen", sagt Hartmut Heller, Professor für Landes- und Volkskunde in Erlangen.

Möglicherweise geht es ja heute bei der Suche nach einer "fränkischen Identität" auch weniger um die Frage, wer und was man ist, sondern vielmehr darum, wer und was man nicht sein will: nämlich Bayern. Das mag woanders belächelt werden, sollte aber dennoch Verständnis finden. Pseudobajuwarischer Neo-Seppilismus gilt als Exportschlager, und kein anderer deutscher Volksstamm prägt das internationale Bild der Deutschen dadurch so nachhaltig und einseitig wie die Bayern.

Das kann den Kölnern, Berlinern und Hamburgern egal sein, weil sie ja wissen, dass sie Kölner, Berliner und Hamburger sind. Für die Franken ist es ärgerlich: Sie sind politisch gesehen Bayern, aber wenn Bayern gelobt wird oder sich selbst lobt (was noch häufiger vorkommt), sind sie zwar betroffen, jedoch gar nicht gemeint.

Unzufrieden mit "München"

Die Unzufriedenheit mit "München" hat aber noch mehr Gründe. War Franken einmal der Motor der bayerischen Wirtschaft, hat sich die Situation inzwischen umgekehrt: Der Süden boomt, der Norden kämpft. Bei den Arbeitslosenzahlen gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Auch Forschung und Wissenschaft beklagen die finanzielle Bevorzugung des Südens.

Zum Streit kommt es regelmäßig, wenn gefordert wird, die nach der Säkularisation 1803 in Münchner Schatzkammern verfrachtete "fränkische Beutekunst" wieder heimkehren zu lassen. Hier schließen sich dann die fränkischen Abgeordneten auch gerne parteiübergreifend zusammen. Die Liste der Vorwürfe ist im Laufe der Zeit immer länger geworden und reicht von allgemeiner Benachteiligung bis hin zum konkreten Vorwurf, dass Franken im Vergleich zu den Bayern häufiger erkrankten oder dass Nazi-Bauwerke in München abgerissen wurden, in Nürnberg jedoch unter Denkmalschutz gestellt worden seien.

Bei einer scheinbar so großen Unzufriedenheit verwundert es dann schon, dass sich bislang kein radikaler Widerstand gegen die Bayern entwickelt hat. Als kürzlich die Rentenversicherungen von Unter-, Ober- und Mittelfranken zur "Rentenversicherung Nordbayern" umbenannt worden sind, mokierten sich die fränkische SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Schmidt und ihr Landtagskollege Wolfgang Hoderlein über den mangelnden Lokalpatriotismus in Franken, wo die Umbenennung auf zu schwachen Widerstand gestoßen sei.

Immer Probleme mit der Idendidäd

Kann es sein, dass die Franken "ihre" Bayern im Grunde ja doch heimlich lieben? Falls ja, dann wird diese Liebe jedoch nur selten erwidert, was den manchmal zu spürenden fränkischen Minderwertigkeitskomplex zusätzlich verstärken dürfte. Eindeutig ist aber, dass den Franken die Einigkeit und Entschlossenheit fehlte, um sich zu einer echten Regionalbewegung zu entwickeln, so wie es bei Basken oder Bretonen der Fall war. Selbst die Revolution von 1848 führte nur zu einem kurzen Auflodern des separatistisch-revolutionären Feuers.

Ein Drittel der Bewohner des Freistaats sind Franken. Auch diese Stärke haben die Franken nicht zu nutzen verstanden, indem sie zum Beispiel eine eigene Partei gegründet hätten. Nur ein Verein, der "Fränkische Bund", bemühte sich um die Autonomie Frankens, scheiterte aber damit vor dem Bundesverfassungsgericht.

Bricht nun ein goldenes fränkisches Zeitalter an?

Die fränkische Strategie, sich gegenüber der bayerischen Übermacht zu behaupten, ist offensichtlich eine andere. Sie beruht auf zwei Säulen. Erstens weisen die Franken besonders lautstark auf ihre Benachteiligung im Freistaat hin - da gelten die ebenfalls nicht verwöhnten bayerischen Schwaben als vergleichsweise zurückhaltend. Zweitens sind die Franken längst ausgezogen und haben sich im gesamten Freistaat listig breitgemacht.

Insbesondere die Landeshauptstadt ist fränkisch infiltriert, und wer sich über "Idendidäd" unterhalten möchte, findet in München ausreichend Gesprächspartner. Im Proporzgeschachere um Posten und Pöstchen spielen sie ihre fränkische Karte geschickt aus. Was vielleicht noch fehlt, ist ein eigener "Tatort" - ein Wort, das aus fränkischem Munde allerdings nicht sehr attraktiv klingt.

Nach Gustav Ritter von Kahr, Hanns Seidel und Hans Ehard rückt nun zum vierten Male ein Franke an die Spitze des Freistaats. Nicht berücksichtigt ist hier der aus Mittelfranken stammende Sozialdemokrat Martin Segitz. Er regierte Bayern im Jahr 1919 zwei Wochen lang. Segitz stammte übrigens aus Fürth, was offenbar schon damals kein Glück brachte, wenn man in Bayern etwas werden wollte (der Fürther Ludwig Erhard machte ja auch woanders Karriere).

Bricht nun mit Günther Beckstein ein goldenes fränkisches Zeitalter an? Wird der Hardliner aus Nürnberg-Langwasser knüppelhart landsmannschaftliche Belange durchsetzen? Die Erwartungen sollten nicht zu hoch angesetzt werden. Den Bayern wurde unlängst in einem Wochenmagazin vorgeworfen, dass sie streberhaft besonders gute Deutsche sein wollten. Es ist anzunehmen, dass der unter besonderer bayerischer Beobachtung stehende Franke Beckstein als besonders guter Bayer ein besonders guter Deutscher sein möchte. Anzeichen dafür gibt es: Das Wort "Identität" spricht Beckstein völlig fehlerfrei aus.

Frank-Markus Barwasser, Jahrgang 1960, ist geboren und aufgewachsen in Würzburg, Unterfranken. Die bekannteste Figur des Kabarettisten ist der fröhliche Kleinbürger Erwin Pelzig.

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