Franken:Hofs ungeliebte Flüchtlinge

  • Im Hofer Rathaus ist vor allem der Oberbürgermeister nicht glücklich darüber, dass sich Monat für Monat die Zahl der Einwohner in der oberfränkischen Stadt um etwa 160 Personen mit Migrationshindergrund erhöht.
  • Der CSU-Politiker befürchtet auf Dauer eine Parallelwelt und Probleme bei der Integration.
  • Helfer sehen dagegen große Chancen für die von Abwanderung betroffene Stadt.

Von Olaf Przybilla, Hof

Ahmed Alhassan kam vor zwei Jahren aus Nordsyrien nach Hof, für die Organisation "Willkommen Mensch" kümmert er sich inzwischen um die Integration von Flüchtlingen in der Stadt. Oh ja, sagt Alhassan, auch er habe dieses lange Interview des Hofer Oberbürgermeisters Harald Fichtner (CSU) in der Frankenpost gelesen. Jenes Gespräch, in dem zu lesen stand, dass sich die Zahl der Einwohner in Hof derzeit Monat für Monat um 160 Personen mit Migrationshintergrund erhöhe.

Dass in Hof nach Salzgitter zahlenmäßig der größten Zuzug an anerkannten Asylbewerbern bundesweit zu verzeichnen sei. Dass die Ausländerquote in Hof inzwischen bei 16 Prozent liege und die Stadt aufpassen müsse, dass man "nicht dauerhaft eine Parallelwelt" bekomme, die "in Sprache, Werten und Rechtsverständnis nicht mehr in unsere Gesellschaft integriert werden kann". Die Gefahr, sagte der OB in diesem Gespräch, dass es in Hof irgendwann so werde wie in mancher französischen Großstadt, diese Gefahr sehe er durchaus.

Alhassan hat das alles mit zwiespältigen Gefühlen gelesen. Einerseits hat es massive Befürchtungen in ihm ausgelöst. Wenn die Leute so etwas so groß in der Zeitung lesen, "dann fangen sie wieder an nachzudenken, eine Angst baut sich auf in ihnen". Ist Hof noch eine lebenswerte Stadt? Muss man was tun? Gegen den Flüchtlingszuzug? Ein Stadtoberhaupt, das war sein erster Reflex, "sollte eine andere Sprache sprechen", sagt Alhassan. Eine, in der es darum gehe, wie man die Neu-Hofer integrieren könne. Nicht eine, die Ängste schüre.

Andererseits, das hat auch Alhassan beobachtet, kommen in letzter Zeit tatsächlich auffällig viele Flüchtlinge in die Stadt, auch Landsleute von ihm. Einer Statistik des lokalen Jobcenters zufolge waren im Frühjahr in Hof 550 sogenannte Bedarfsgemeinschaften mit Flüchtlingshintergrund zu verzeichnen, mehr als doppelt so viele wie in vergleichbar großen Städten Oberfrankens. Dort also, wo an vielen Orten ebenfalls günstiger Wohnraum zur Verfügung stünde.

Warum die Zahlen ausgerechnet in Hof so hoch sind? Es gibt darauf nicht die eine Antwort, glaubt Flüchtlingshelferin Anne Oertel. Natürlich gebe es noch Kapazitäten in Hof. Die Stadt hatte auf ihrem Höchststand mal 61 000 Einwohner, das war kurz nach dem Krieg, als Hof etliche Tausend Vertriebene aufnahm. Nach der Wende 1990 zählte man noch 53 000 Hofer, danach aber ging es rapide bergab: Vor zweieinhalb Jahren, auf dem Tiefststand, lebten noch 44 300 Menschen in Hof.

Fast 9000 Einwohner weniger in nicht mal einem Vierteljahrhundert: Wenn es mit dem Strukturwandel und der demografischen Entwicklung so weiter gegangen wäre, so hätten sich die Hofer ausrechnen können, wann sie von einem stolzen Oberzentrum zur Kleinstadt mutieren - einem Städtchen also mit einer absurd überdimensioniert anmutenden Infrastruktur; einem riesigen Theater etwa und einer fast monumentalen Veranstaltungshalle.

Zwar gab es nach 2014 eine leichte Schubumkehr bei der Einwohnerentwicklung in Hof, vor allem bewirkt durch den Erfolg der Hochschulen. Günstige Wohnungen gab es aber immer noch. Ein ausgeprägtes Willkommensklima war ebenfalls immer vorhanden, sagt Anne Oertel. Eine Stadt, die an Überalterung zu leiden hat, sei Zuzüglern im Alter um die 30 eher dankbar. Und eine überdurchschnittlich gut funktionierende Helfer-Infrastruktur gibt es ohnehin in Hof. Menschen bei sich aufzunehmen, das hat diese Stadt mit ihrer Geschichte - erst die Vertriebenen, später Tausende DDR-Bürger - gelernt. Das alles, vermutet Oertel, "spricht sich in einer Community natürlich herum". In Hof jammern sie nicht, da packen sie an.

Was Ahmed Alhassan allerdings gar nicht gefällt: Seiner Beobachtung nach gibt es eine Gruppe, die mit Wohnungsvermittlungen Geld kassiert, schwarz versteht sich. So werden Leute zusätzlich nach Hof gelotst. Trotzdem ärgere er sich, wenn jetzt suggeriert werde, die Stadt sei förmlich belagert von Flüchtlingen. "Es gibt jetzt zwei Geschäfte mit syrischen Produkten im Zentrum", sagt Alhassan, "da ist es doch klar, dass sich dort Syrer treffen."

Wie auch immer, die Staatsregierung hat nach dem lancierten Hilferuf aus Hof nun Maßnahmen angekündigt. Anerkannten Flüchtlingen sollen vorerst keine Wohnsitze mehr in Hof zugewiesen werden. Überdies sollen Asylbewerber aus Hof in andere Regionen Bayerns verlegt werden. Besonders zufrieden zeigt sich damit der örtliche CSU-Abgeordnete Alexander König. Er hatte zuvor eine "skandalöse" Verwaltungspraxis gewittert und gemutmaßt, die Situation in Hof sei zurückzuführen auf falsch entscheidende Sachbearbeiter und nicht handelnde Behördenleiter. Zumal mögliche Familiennachzüge eine "in der Zukunft weitere dramatische Verschärfung der Situation erwarten" ließen.

Eva Döhla, die SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, versteht zwar die Diskussion. Den Ton, den ihre CSU-Kollegen angeschlagen haben, findet sie trotzdem komplett unangemessen. "Da werden Sorgen verstärkt, die ohnehin da sind, und zusätzliche Ängste geschürt" sagt sie. Dass gerade in Hof auch große Chancen mit dem Zuzug junger Menschen verbunden seien, gerate darüber nur allzu leicht in Vergessenheit.

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