Julius Echter von Mespelbrunn:Der teuflische Fürstbischof

Julius Echter

Julius Echter wurde zum Großbaumeister Mainfrankens.

(Foto: Archiv und Bibliothek der Diözese Würzburg)

Zwar starb Julius Echter schon vor 400 Jahren - doch Tagestouristen in Würzburg kommen auch auch heute noch nicht an ihm und seinen verstörenden Schattenseiten vorbei.

Von Olaf Przybilla

Würzburg begeht in diesem Jahr den 400. Todestag von Julius Echter. Und wenn man eines mit Gewissheit über den Fürstbischof sagen kann, dann dies: Trifft Schillers Diktum "Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte" auf eine historische Figur in Mainfranken besonders zu, dann auf Julius Echter.

Ihm in der Domstadt nicht zu begegnen, ist selbst für Tagestouristen kaum möglich. Man besucht die Festung, die er zur Residenz ausbaute, man geht ins Juliusspital, benannt nach ihm, um sich auszukurieren oder den Wein des Spitals zu kosten. Die verstörenden Schattenseiten dieses Mannes bekommen Touristen eher nicht mit. Die Einheimischen aber treiben diese bis heute um.

"Julius Echter, der umstrittene Fürstbischof" heißt die Ausstellung im Museum am Dom, die man bahnbrechend nennen darf. Bahnbrechend nicht in dem Sinne, dass hier bislang gänzlich unbekannte Forschungsergebnisse über das hoch ambivalente Wirken dieses Mannes präsentiert würden.

Bahnbrechend aber sehr wohl in der Offenheit, mit der ein Diözesanmuseum sich einer Figur nähert, die von katholischen Gläubigen lange wie ein Heiligenbild verehrt wurde. Die andere wiederum, etwa die preußisch-protestantisch orientierten Historiker des 19. Jahrhunderts, zu einer Art Mephistopheles am Main erklärt haben.

Echter dürfte die Kulturstadt Würzburg wie kein Zweiter geprägt haben. Er verhalf etwa der ältesten Universität Bayerns zur Größe. Aber er hat Mainfranken auch wie kaum ein anderer gespalten.

Vielleicht hält man sich nicht zu lange in der ersten Abteilung der Ausstellung auf, in der erzählt wird, wie sich ein Mann aus dem Niederadel im Spessart, vom Wasserschloss Mespelbrunn aus, zu einer der überragenden Herrscherfiguren der Gegenreformation emporgearbeitet hat.

Wohltäter der Universität

Eindrucksvoller zum Thema führt es, wenn man sich stattdessen gleich im Untergeschoss anhört, was eine Juso-Vorsitzende aus Würzburg in die Kamera der Ausstellungsmacher gesprochen hat.

Die Chefin der Jungsozialisten in einem Museum der (lange eher nicht für Aufklärungs-Avantgarde berüchtigten) katholischen Kirche in Würzburg? So was geht 2017. Und das ist ebenso bemerkenswert wie erfreulich.

Die Juso-Frau Freya Altenhöner hat sich offenbar entschieden, ganz ungeschönt zu sprechen, wenn sie schon darum gebeten wird. Auch wenn es ein Jubiläum ist, über das sie ein paar Worte verlieren soll. Also sagt Altenhöner, dass der Mann, der da gewürdigt werden soll, "einer der großen Hexenverfolger" war; dass dies eines der "dunkelsten Kapitel" in der Geschichte Würzburgs gewesen ist; und dass Echter sein Ziel, "die Hexen auszulöschen, sehr klar und unerbittlich" verfolgt hat.

Julius Echter von Mespelbrunn: Das Juliusspital stammt von Julius Echter.

Das Juliusspital stammt von Julius Echter.

(Foto: oh)

Echter habe, sagt die Juso-Frau, die Hexenverfolgung systematisiert und damit den Grundstein gelegt für weitere Exzesse nach seinem Tod 1617. Zwar rühme sich die Stadt der überall sichtbaren Taten des Bischofs. Ein Mahnmal aber fehle bis heute.

Die Frau hat recht: Das Juliusspital etwa, diese einzigartige Mixtur aus Klinik, früherer Stadtresidenz, hipper Hochzeits-Location und Frankenweinverkostungslokal, darf in keinem Reiseführer fehlen. Die Festung, Wahrzeichen der Stadt, sähe ohne Echter ganz anders aus. Und womöglich, wer weiß, wären auch die Röntgen-Strahlen nicht am Main erfunden worden ohne den Bischof.

Nur seinetwegen gedieh die Universität Würzburg so früh wie keine andere Hochschule auf heute bayerischem Boden. Echter hat Würzburgs Uni nicht gegründet. Die Wiedergründung nach deren Niedergang aber war sein Werk.

Echter vertrieb die Juden, mehr als 200 Frauen verbrannten als "Hexen"

In der Ausstellung könnte man sich nun, nach den Worten der Juso-Chefin, anhören, wie sehr sich die Mitarbeiter des Juliusspitals über ihr außergewöhnliches Krankenhaus mit integrierter Weinschenke freuen. Oder dem Präsidenten der Julius-Maximilians-Universität lauschen, wie dankbar man dem Fürstbischof noch immer sein müsse für sein visionäres Werk einer dem Wesen nach frühen Landesuniversität.

Man kann aber auch der evangelischen Regionalbischöfin Aufmerksamkeit schenken, die sehr freundlich verklausuliert andeutet, was für ein unerbittlicher Protestanten-Vertreiber und Protestanten-Enteigner dieser Bischof Echter war.

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Julius Echter wurde im Spessartschloss Mespelbrunn geboren.

(Foto: Imago)

Oder auch Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, ein Ohr leihen. Auch Schuster würdigt das Wirken Echters. Die unverstellte Freude am Juliusspital wird nach seinen Worten aber nicht mehr ungetrübt sein.

Echter hat das Spital 1576 auf einem jüdischen Friedhof errichten lassen. Selbst wenn er sich möglicherweise die Rechtsauffassung zu eigen machen konnte, der Friedhof sei damals herrenlos gewesen. So verstieß er eben doch gegen den jüdischen Grundsatz, wonach die dauerhafte Totenruhe unantastbar ist.

Die Juden, die unter Echter fliehen mussten, haben gegen den Affront des Bischofs protestiert. Echter aber, ganz Machtpolitiker am Main, zog es vor, diese Proteste so lange unbeantwortet zu lassen, bis er unwiderrufliche Fakten geschaffen hatte. Das Schöppeln, Heilen und Hochzeiten im Juliusspital - es hat eine sehr unwürdige Vorgeschichte. Das alles sei "sehr schmerzhaft", sagt Schuster.

Ohne Echter, das wird niemand bestreiten können nach dem Besuch des Museums am Dom, sähe Mainfranken anders aus. Es wäre womöglich, wie große Teile Frankens, protestantisch geprägt, nicht tief katholisch.

Die Folterung der Barbara Schetzlein

Auch die Kulturlandschaft am Main mit den pittoresken Kirchtürmen hätte aller Wahrscheinlichkeit nach ein ganz anderes Gepräge ohne jene 350 Denkmäler aus der Echter-Zeit. Das alles kann man erfahren im Dommuseum, man kann auf einer digitalen Karte gezielt suchen nach Ortschaften in Mainfranken und wird mit ziemlicher Sicherheit auf Spuren Echters stoßen: Kirchen, Kapellen, Wallfahrtsorte, Rats- und Amtshäuser.

Und ja: Echter war auch ein Genie in Eigeninszenierung (und ist darin in 400 Jahren fränkischer Geschichte seit seinem Tod womöglich nur mit einem Finanzminister der Neuzeit zu vergleichen). Nur inszenierte er sich eben mit seinen Mitteln: Echter ließ überall per Wappen oder Inschrifttafel wissen, wem das katholische oder rekatholisierte Volk zu danken habe für die Wohltaten.

Dieser Eindruck vom Macher am Main wird verstärkt mit dieser Jubiläumsschau. Genauso aber bleibt das Schicksal der Barbara Schetzlein aus dem unterfränkischen Tiefenthal im Gedächtnis haften. 1611 wurde sie nach Anklage verhört, im Protokoll ist schmerzhaft genau festgehalten, welche Foltermethoden diese Frau zu erleiden hatte.

Zunächst wurden ihre hinter dem Rücken zusammengebundenen Hände mit einem Seil in die Höhe gezogen, Schetzlein wurden dabei die Schultergelenke ausgekugelt. Anschließend wurden ihr Beinschrauben angelegt, sie wurde mit Branntwein übergossen und mit glühenden Eisen traktiert. Abschließend wurde ihr der Kopf mit einem Strick zusammengequetscht.

Was die Folterknechte hören wollten, bekamen sie also zu hören: Barbara Schetzlein gestand, drei Jahre zuvor sei der Teufel in ihre Kammer gekommen. Er habe bei ihr im Bett gelegen, sie sei einen Bund eingegangen mit ihm und habe Gott entsagt. Nach vier Antworten auf diese "peinliche Befragung" versuchte sich Schetzlein selbst umzubringen. Sie stürzte sich in eine der bereitstehenden Beinschrauben.

Anwesend bei diesem Prozess auf dem fränkischen Land war ein Hofrat aus Würzburg. Die Verantwortung für solche Hexen-Exzesse trug also kein anderer als der Bischof selbst, Julius Echter. Das bleibt auch dann so, wenn ihn die neuere Forschung inzwischen nicht mehr als den fanatischen Hexenbrenner zeigt, für den er schon gehalten wurde.

Manchmal zweifelte der Fürstbischof

Es gab auch Fälle, in denen der Bischof Zweifel an Zeugenaussagen und Indizien äußerte. So kritisierte er einmal die Aussagen einer verhafteten Frau, sie habe einem blinden Nachbarn mit Hexenkünsten eine Kuh und ein Schwein getötet, als zu pauschal und nicht hinreichend abgesichert und forderte den zuständigen Zentgrafen zu eigenen Nachforschungen auf.

Und trotzdem bleibt eine verstörende Zahl: In Echters Regierungszeit zwischen 1573 und 1617 dürften mindestens 200 angebliche Hexen verbrannt worden sein. Womöglich waren es sogar deutlich mehr.

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