Fotoprojekt:Wie ein Oberpfälzer im einsamen Landleben sein Glück fand

Fotoprojekt: Viel braucht man nicht zum glücklich sein. Einen Traktor schon.

Viel braucht man nicht zum glücklich sein. Einen Traktor schon.

(Foto: Stefan Winkelhöfer)

Kühe, Ruhe und Frieden: Der Fotograf Stefan Winkelhöfer hat ein beeindruckendes Buch über einen Einzelgänger auf dem Land vorgelegt, der aus der Zeit gefallen scheint.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Vor einigen Jahren hat der in Regensburg geborene Fotograf Stefan Winkelhöfer einen alten Bauern kennengelernt, der ein ganz und gar ungewöhnliches Leben führt. Ein Mensch, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Er fragte ihn: "Hans, was ist für dich Glück?" Hans antwortete: "Woaß i net. Dass i gsund bin und bei meine Viecher im Stall sei derf!" So viel Bescheidenheit, so wenig Ansprüche ans Leben, so viel Zufriedenheit, so wenig Enttäuschung, obwohl der Hans wahrlich kein leichtes Leben hinter sich hat - das hat Winkelhöfer schwer beeindruckt.

Aus der Begegnung erwuchs ein großartiges Kulturprojekt. Winkelhöfer begann beim Hans zu fotografieren. Immer wieder hielt er ein Stück seines Lebens in Bildern fest. Auf diese Weise schuf er ein sehr persönliches Porträt eines Kleinbauern, der seinen Hof in seiner langen Existenz nur selten verließ. Als "Daheimgebliebener" lebt er ein Leben, das partout nicht mehr in die moderne Zeit passen will und mit dem Hans endgültig verschwinden wird.

Winkelhöfer dokumentierte den Alltag des Hans in Schwarzweiß-Aufnahmen, für die er sich viel Zeit nahm. Bevor er zu fotografieren begann, besuchte er den Hans viele Male. Erst danach kam die Kamera ins Spiel. Winkelhöfer nimmt gerne die vom Menschen geschaffenen Dinge in den Fokus, die nicht vergessen werden sollen. Bewahren, Aufheben, Konservieren - die Trias, die Winkelhöfers Arbeit speist.

Als der Fotograf vor Jahren von der Stadt aufs Land gezogen ist, ging er mit dem Fotoapparat zwei Jahre lang auf seine neuen Nachbarn zu und bat sie um ein Porträt. Sie standen ihm für einen Augenblick Modell, mitten bei der Arbeit in der Sägemühle, im Friseurladen oder am Schreibtisch im Rathaus. Oder auch daheim auf dem Bankerl unter der Linde, im Wohnzimmer oder auf dem Sportplatz. So hat er auf faszinierende Weise das Biotop Dorf fotografiert, mitsamt den Menschen, die da zusammenleben, warum auch immer.

Seine Fotos aus dem Dorf strahlen Poesie aus. Noch intensiver ist das beim Projekt Hans der Fall. Winkelhöfer wählte für seine Geschichte den Deutungsrahmen des Grimmschen Märchens "Hans im Glück", um von Dingen zu erzählen, die bald nicht mehr sein werden. Der Reichtum des Hans im Glück schwindet ja im Märchen von Mal zu Mal. Am Ende hat er alles Materielle verloren. Bar jeden Besitzes zu sein, bedeutet auch, frei zu sein. So lautete die Quintessenz der Grimmschen Geschichte.

Viel braucht man nicht, wenn man alt wird

Was brauchst du denn noch, wenn du alt bist? Der Hans kann mit wenigen Sachen leben und glücklich sein. Brennholz und einen Ofen braucht er. Eine warme Stube. Ein bisserl was zu essen und ein paar Flaschl Bier. Leute um sich, Tiere, daheim sein. Sich nicht kümmern, was andere Leute sagen. Das ist eine Freiheit, die viele nicht mehr kennen.

Einst hatte der Hans als Knecht im Donautal gearbeitet. Für ihn war es eine schöne Zeit. Die Arbeit hat er nie gescheut. Eigentlich sollte der Bruder den Hof der Eltern übernehmen, doch der heiratete in einen größeren Hof ein. So blieb eben der Hans auf dem kleinen Anwesen der Mutter. Auch wenn es zu klein war und wenig einbrachte. Eine Frau bekam er nicht, auf dem Hof ohne Zukunft. In die Fabrik, in der er mehr verdient hätte, ging er aber auch nicht.

Also hat er sich eingeschränkt. Zu sehr hing er an der Bauernarbeit und an den Viechern, an der Heimat. Er lebte einfach weiter auf seinem Hof, so gut es ging. Seine Lebensweise, ohne Konsum, passt nicht mehr in diese Welt. Der Hans hat, was er braucht: Essen, Trinken, ein Haus, auch wenn dort keine Wand mehr gerade ist, Kühe, Ruhe und Frieden. Damit ist Hans zufrieden.

Eine Reduktion auf das Wesentliche

Er redet oft mit seinen Kühen. Etliche Hühner laufen noch herum. Sein Bulldog, ein Hanomag, läuft unverwüstlich. Sonst funktioniert nicht mehr viel. Hans schläft in der Stube auf dem Kanapee, das spart Arbeit. Zentralheizung, Badezimmer, Fernseher, Computer, das alles gibt es nicht.

Winkelhöfers fotografisches Porträt liegt jetzt in einem wunderbaren, von Josef Paukner betexteten Bildband vor. Sein Hof, das Vieh und die alten Landmaschinen wirken wie eine Reduktion auf das Wesentliche, wie eine einfache Darstellung der komplexen Welt. "In meinen Augen wirkt er dabei irgendwie glücklich", sagt Winkelhöfer. Zumindest wirkt er zufrieden mit seinem Leben. Und er nimmt es mit einem Augenzwinkern.

Trotz vieler Rückschläge hat er seinen Humor und Lebensmut nicht verloren. "Man kann ins Überlegen kommen, wie man mit so wenig zufrieden sein kann", sagt Winkelhöfer. Die Person des Hans hat er bewusst nicht verortet, seinen Nachnamen nicht genannt. Dieses Leben soll für sich sprechen.

Die Fotos, die Stefan Winkelhöfer von Hans und seinem Hof gemacht hat, sind in der Städtischen Galerie Leerer Beutel in Regensburg zu sehen (30. September bis 12. November). Danach im Oberpfälzer Freilichtmuseum Neusath-Perschen. Bereits erschienen ist der Bildband "Hans. Eine kleine Geschichte vom Glück". Morsbach Verlag, 20 Euro.

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