Forschungsergebnisse:Bequemer liegen

Forschungsergebnisse: Biologe Andreas Rott entnimmt einen Zahn des Skeletts für die DNA-Analyse.

Biologe Andreas Rott entnimmt einen Zahn des Skeletts für die DNA-Analyse.

(Foto: SAPM)

Adlige Bajuwaren bestatteten bestimmte Angehörige in luxuriösen Steinplattengräbern. Andere kamen in Erdgräber. Mit modernen DNA-Analysen kann man heute viel aus den Grabfunden lernen

Von Hans Kratzer

Wie aus dem Nichts sind vor 1500 Jahren die ersten Bayern aufgetaucht. Sie pflegten Eigenarten, die im heutigen Freistaat unverändert zu beobachten sind, etwa im Umgang mit dem Tod. So bestatteten die Bajuwaren ihre Verstorbenen im 6. Jahrhundert auf großen Friedhöfen einzeln in Erdgräbern, eine Sitte, die heute noch üblich ist, wenn auch mit schwindender Tendenz. Um die Mitte des 7. Jahrhunderts wurden dann bestimmte Menschen in sarkophagähnlichen Bauten beigesetzt. Archäologen sprechen von Steinplattengräbern, deren Tuffsteine mühsam aus anderen Regionen herbeigeschafft wurden.

Für die Wissenschaft öffnet dieser Brauch ein Fenster in die Frühzeit der Bayern, von der nicht nur Wissenschaftler so gerne mehr wüssten. Leider mangelt es an schriftlichen Quellen, weshalb nur Bodenfunde erklären können, warum die Bayern so sind, wie sie sind. In diesen Steinplattengräbern wurden außerdem kostbare Beigaben entdeckt. Archäologen vermuten deshalb, dass dort Repräsentanten einer frühen Adelsschicht ruhen. Erstmals Licht ins Dunkel brachte nun ein gemeinsames Projekt des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) und der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München (SAPM), bei dem Skelette aus solchen Gräbern genetisch untersucht wurden.

DNA-Analysen von mehreren 1300 Jahre alten Skeletten erbrachten ein unerwartetes Ergebnis. "Wir konnten zeigen, dass in einem solchen Steinplattengrab oft Verwandte unterschiedlicher Generationen zusammenlagen", sagt der Biologe Andreas Rott. "Interessanterweise ließen sich auch zwischen Personen, die in unterschiedlichen Ruhestätten beigesetzt wurden, verwandtschaftliche Bande nachweisen." In einem Steinplattengrab in Herrsching am Ammersee fand sich das Skelett eines Mannes, der aufgrund der Ausstattung als Gründer der nahen Kirche gilt. Die Analysen ergaben zudem, dass in dem mehrere Skelette enthaltenden Nebengrab wohl sein Sohn und seine Urenkel liegen.

Diese Verwandtschaftsbeziehungen liefern laut Rott ein Indiz dafür, dass eine frühe bajuwarische Adelsschicht bestimmte Familienangehörige in Steinplattengräbern bestattete. Auch in Sindelsdorf ruht eine reich ausgestattete Frau alleine in einem solchen Grab, während um sie herum die typischen Erdgräber gefunden wurden. Die genetischen Ergebnisse zeigten, dass rechts und links der Frau ihr Vater und ihr Bruder in profanen Grabstätten bestattet wurden. "Wir konnten so zum ersten Mal nachweisen, dass bajuwarische Gräberfelder auch nach verwandtschaftlichen Gesichtspunkten aufgebaut sind", sagt Michaela Harbeck (SAPM), die das Projekt zusammen mit Jochen Haberstroh (BLfD) geleitet hat.

Die Archäologie wird künftig auf anthropologische Methoden nicht mehr verzichten können. Die genetischen Analysen werfen aber neue Fragen auf. Gerade in Sindelsdorf legte der archäologische Befund die Verwandtschaft der drei Bestatteten nicht unbedingt nahe. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Vergangenheit bald besser verstehen werden, steigt damit aber an. Schon jetzt deutet vieles darauf hin, dass sich in Südbayern damals ein ethnisches Gemisch gebildet hatte. Die Bajuwaren waren wohl nicht nur "wegelagernde Grobiane", als die sie der Pilger Venantius Fortunatus beschrieben hat. Die Gräber verweisen auf hochrangige Familien, die internationale Beziehungen pflegten. Immer deutlicher wird auch, dass das Thema Zuwanderung schon im Bayern des sechsten Jahrhunderts virulent war.

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