Forderungen:CSU und Flüchtlinge: Hart an der verbalen Obergrenze

Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze

Flüchtlinge im Oktober an der Grenze zwischen Simbach am Inn und dem österreichischen Braunau.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Horst Seehofers CSU treibt die anderen Parteien in der Asylpolitik vor sich her. Kein Tag ohne neue Drohungen, Vorschläge oder Warnungen. Ein unvollständiger Überblick.

Dokumentation von Sebastian Beck und Christoph Dorner

September

Nach der Aussetzung des Dublinverfahrens für Syrer durch Kanzlerin Angela Merkel sagt CSU-Chef Horst Seehofer: "Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird. Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen."

Bei einem Koalitionstreffen einigen sich CDU, CSU und SPD darauf, Asylbewerbern nur noch Sachleistungen zu geben statt Geld. Kosovo, Albanien und Montenegro sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden - alles Forderungen der CSU.

Der Bundestagsabgeordnete Max Straubinger schlägt vor, man solle auch syrische Flüchtlinge abschieben: "Nicht überall in Syrien wird gekämpft. Aleppo ist nicht Damaskus."

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warnt davor, dass unter den Flüchtlingen auch IS-Kämpfer und islamistische Schläfer seien. Kein anderes Land der Welt setze sich so naiv und blauäugig einer solchen Gefahr aus.

Fraktionschef Thomas Kreuzer fordert eine Obergrenze. "Asyl genießt nach unserem Grundgesetz nur, wer individuell verfolgt ist. Bei Flüchtlingen und Immigranten aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten handelt es sich um ganze Völker."

Die Landtagsabgeordnete Michaela Kaniber schlägt vor: "Theoretisch müssten wir die Grenzen komplett zumachen und erst mal alles abarbeiten, was in der letzten Zeit hereingekommen ist".

Generalsekretär Andreas Scheuer sagt, es müsse verhindert werden "dass Menschen, die zu uns kommen, neben uns oder gegen uns leben".

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, fordert, dass Flüchtlinge ohne Recht auf Asyl bereits an der Grenze zurückgewiesen werden.

Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt schlägt die Einrichtung von "Transitzonen" für Flüchtlinge vor.

Ministerpräsident Horst Seehofer droht mit "Notmaßnahmen". So könnten Flüchtlinge abgewiesen werden, die aus anderen EU-Staaten einreisen wollten. Zudem wird erwogen, Flüchtlinge in andere Bundesländer weiterzuschicken.

Bayern fordert den Bund auf, die Hilfen für die Länder zu verdoppeln. 2015 müssten statt einer Milliarde zwei Milliarden Euro fließen - und 2016 sechs statt drei Milliarden. Schleuser sollten härter bestraft werden.

Manfred Weber, Fraktionschef der EVP im Europaparlament, sagt: "Es wird mehr Zäune geben müssen. Es kann nicht sein, dass heute Flüchtlinge zu Hunderttausenden teilweise völlig unkontrolliert quer durch Europa wandern."

Oktober: "Damit ist die innere Sicherheit in Gefahr"

Oktober

Auch Finanzminister Markus Söder fordert einen besseren Grenzschutz. "Ich bin überzeugt, dass wir noch über Schutzzäune diskutieren werden in Europa."

"Menschen ohne Bleibeperspektive sollen wissen: In Deutschland erhalten nur wirklich politisch Verfolgte Asyl, nicht aber Menschen, die sich in Deutschland ein wirtschaftlich besseres Leben erhoffen", sagt Innenminister Joachim Herrmann.

Söder stellt das Asylgrundrecht infrage und verlangt Obergrenzen für die Einwanderung . "Wir fordern eine massive Begrenzung der Zuwanderung. Ich bin überzeugt, dass die kommen wird. Ebenso werden wir über das Grundrecht auf Asyl reden."

Herrmann will Flüchtlinge direkt an der Grenze abweisen, falls Österreich weiterhin das europäische Recht missachte: "Wir müssen davon ausgehen, dass sich Tausende im Land befinden, von denen wir keine Ahnung haben. Damit ist die innere Sicherheit in Gefahr."

Bayern beschließt ein Integrationspaket. In den nächsten vier Jahren sollen 28 000 Mietwohnungen entstehen. Zudem soll zusammen mit der Wirtschaft ein "Ausbildungspakt" für 60 000 Flüchtlinge finanziert werden. Insgesamt gibt 3800 neue Stellen, davon 1700 an den Schulen.

Seehofer droht mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. "Die Grenze der Aufnahmefähigkeit Deutschlands und Bayerns ist erreicht."

Die Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer und Florian Hahn wollen den Familiennachzug vorübergehend aussetzen.

Hans Michelbach, Sprecher des CSU-Wirtschaftsflügels, fordert, dass das Arbeitslosengeld II für Flüchtlinge gekürzt wird.

Generalsekretär Scheuer schlägt den TV-Sendern ARD und ZDF den Aufbau eines "deutschen Integrationsfernsehens" für Flüchtlinge vor.

Peter Gauweiler kritisiert die Flüchtlingspolitik: "Aktuell herrscht hier ein völlig rechtsfreier Zustand. (. . .) Nicht mal das Parlament hält sich mehr an die Regeln."

Der CSU-Europaabgeordnete Albert Deß greift Merkel an. "Hier hat sie bereits einen größtmöglichen Schaden verursacht und nicht Schaden wie im Amtseid versprochen vom deutschen Volk abgewendet."

Der Passauer Landrat Franz Meyer verlangt: "Der aktiven Flüchtlingsschleusung durch die österreichischen Behörden muss sofort Einhalt geboten werden."

November: "Paris ändert alles"

November

Söder appelliert an die Kirchen, Grundstücke und Gebäude möglichst kostenlos für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

Der CSU-Vorstand beschließt einen Leitantrag für den Parteitag. Darin wird eine feste Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge verlangt. Die CSU fordert zudem die Kontrolle aller Einreisenden an den Grenzen. Den Familiennachzug will sie weitgehend aussetzen.

Innenexperte Mayer sagt, man müsse die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland auf eine halbe Million pro Jahr reduzieren.

Die Münchner CSU-Bundestagsabgeordneten verabschieden eine Erklärung: "Auf dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt muss Familiennachzug abhängig sein von verfügbarem Wohnraum, Kitas und sozialer Infrastruktur." Islamverbände dürften bei der Integration von Flüchtlingen keine Sonderrolle erhalten.

Nach den Attentaten in Paris twittert Söder: "Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung kann so nicht weitergehen. Paris ändert alles."

Beim CSU-Parteitag brüskiert Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne: "Wir haben diese große Bitte und Forderung, dass wir weiter reden über Obergrenzen. (. . .) Wir sehen uns zu diesem Thema wieder."

Dezember: "Die deutsche Politik führt in anderen Ländern zu einem Rechtsruck."

Dezember

Drei Wochen vor Jahresende ist die Zahl von einer Million Flüchtlinge erreicht. Sozialministerin Emilia Müller sagt: "Wir brauchen nun dringender denn je eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen."

Seehofer fordert von EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, Geld zur Bekämpfung der Fluchtursachen.

Stoiber sagt: "Die deutsche Politik führt in anderen Ländern zu einem Rechtsruck." Werde die Türkei Mitglied der EU, "dann können Sie Europa vergessen".

Innenminister Herrmann sagt: "Ich kann jedem abgelehnten Asylbewerber nur raten, freiwillig auszureisen, ansonsten wird er abgeschoben."

Herrmann fordert bessere Grenzkontrollen zu Österreich. Die Bundespolizei könne einige Grenzübergänge mangels Personal nicht kontrollieren. Bayern bietet an, die Kontrollen selbst zu übernehmen.

Januar: Vernunftkultur statt Willkommenskultur

Januar

Herrmann fordert Slowenien auf, die Grenzen zu schützen: "Wenn es so ist, dass ein Land nicht in der Lage ist, seine Verpflichtungen nach der Schengen-Verordnung zu erfüllen, dann muss es überlegen, ob es nicht den Schengen-Raum verlässt."

Seehofer nennt Zahlen: "In Deutschland haben wir keine Probleme mit dem Zuzug von 100 000 bis höchstens 200 000 Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen pro Jahr."

Söder fordert, Deutschland müsse "national handeln": "Wenn wir klare Signale setzen wie Schweden und Dänemark, dann wird sich die Lage auch wieder in Deutschland stabilisieren. (. . .) Es geht nicht um Sperrungen, sondern um konsequentere Grenzkontrollen und Abschiebungen."

Gauweiler sagt: "Merkel steht für ein anderes Gesellschafts- und Staatsverständnis als die CSU." Falls eine Einigung in der Flüchtlingspolitik unmöglich sei, müsse sich die CDU "für Neuwahlen entscheiden oder den alten Partner CSU durch die Grünen ersetzen".

Söder verlangt eine Abstimmung des Bundestages: "Wenn wir einige Bundeswehrsoldaten in einen Auslandseinsatz schicken, muss der Bundestag zustimmen. Wenn wir mehr als eine Million Menschen in unserem Land aufnehmen, dann sollte das Parlament ebenfalls die letzte Entscheidung haben."

Seehofer droht: "In den nächsten 14 Tagen werden wir die Bundesregierung schriftlich auffordern, an den Grenzen wieder rechtlich geordnete Verhältnisse herzustellen. Wenn sie das nicht tut, wird der Staatsregierung gar nichts anderes übrig bleiben, als vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen."

Die CSU will Migranten zur Einhaltung einer deutschen Leitkultur verpflichten. "Eine Verfassungsänderung hat mehr Wucht als ein Gesetz", sagt Kreuzer: "Integration muss eine Richtung haben: Wir wollen keine Parallelgesellschaften, keine Multi-Kulti-Gesellschaften."

Die JU in Niederbayern fordert eine vorübergehende Schließung der Grenzen.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt sagt: "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen."

"Viele Menschen wünschen sich anstelle von Willkommenskultur endlich eine Vernunftkultur", sagt Söder.

Innenminister Herrmann ruft Urlauber auf, nicht mehr in Länder zu reisen, die sich weigerten, abgeschobenen Staatsbürger zurückzunehmen. Die Bundesregierung müsse solchen Ländern die Entwicklungshilfe streichen.

Der Augsburger Landrat Martin Sailer greift Merkel an: "Ich fordere den Rücktritt, wenn sie diesen Kurs nicht ändert."

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