Flut-Denkmal in Passau:Zerschellt an der Sturheit der Stadt

Flut-Denkmal in Passau: Das Passauer "Flutschiff" als es noch stand. Die Stadt ließ es aus Sicherheitsgründen jetzt abreißen.

Das Passauer "Flutschiff" als es noch stand. Die Stadt ließ es aus Sicherheitsgründen jetzt abreißen.

(Foto: Bernd Vordermeier/ oh)

Nach dem Hochwasser bauten Passauer Bürger aus Treibgut ein "Flutschiff". Es sollte den Zusammenhalt der Menschen während der Katastrophe symbolisieren. Der Kahn kam gut an - doch die Verwaltung hatte Bedenken und griff zu drastischen Mitteln.

Von Wolfgang Wittl

Es begann mit einem Bild, das sich in zwei Köpfen langsam zu einer Idee formte. Es war ein edles Bild, das da mitten im Dreck des verheerenden Juni-Hochwassers entstand. Ganz Passau, so stellten es sich Till Hofmann und Sebastian Fürst vor, wird zu einem Schiff. Eine Stadt, die niemals untergehen kann - weil sie von der Hilfsbereitschaft ihrer Bewohner getragen wird.

Aus der Idee wurde Realität: Aus angeschwemmten Trümmern ließen Hofmann und Fürst ein Schiff zusammenschrauben, das den Zusammenhalt der Passauer während der Katastrophe symbolisieren sollte. "Schiffsbug aus Treibholz" nannten sie die Installation, die an der Passauer Ortspitze ihren Platz fand. Weil das Werk nun jedoch buchstäblich Schiffbruch erlitt, schlagen die Wogen der Emotionen hoch wie selten in der Dreiflüssestadt.

Vergangene Woche ließ die Stadt die Installation - im Volksmund: Flutschiff - dem Erdboden gleichmachen. Begründung: Weder entspreche es den Sicherheitsstandards, noch könne man die Haftung übernehmen. Was, so fragten Stadträte besorgt, wenn ein Kind auf dem Schiff zu Tode stürze? Schließlich befindet sich nur ein paar Meter weiter ein Spielplatz.

Statisch einwandfrei

Wenn Till Hofmann so etwas hört, zweifelt er am gesunden Menschenverstand. Er sagt, ebenso könne man auch von einer Treppe fallen. Hofmann, 43, ist ein bekannter Kulturmanager in München. Als seine Heimatstadt Passau im Juni absoff, packte er als Helfer selbst mit an. Die Idee zum Flutschiff kam ihm bei einem Benefizkonzert gemeinsam mit dem Künstler Sebastian Fürst. Planung und Umsetzung dauerten gut zwei Wochen, beteiligt waren zwei Architekturbüros, eine Zimmerei, insgesamt ein Dutzend Menschen. Alle arbeiteten gratis, die Materialkosten trug Hofmann. Das Werk sei statisch einwandfrei.

Ursprünglich, so war es mit der Stadt vereinbart, sollte das Flutschiff nur für die Dauer des Eulenspiegel-Festivals (11. bis 21. Juli) zu sehen sein. Als das Kunstwerk bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen gut ankam, wuchs bei den Initiatoren der Wunsch nach einer dauerhaften Ausstellung. "Menschen ließen sich damit fotografieren, andere spielten dort Musik. Wir alle waren überwältigt", schwärmt Bernd Vordermeier, einer der Architekten. Nun fühle er sich, als habe er "von der Stadt eine richtige Watschn bekommen".

Hauptadressat der Kritik ist das Kulturamt, das von den Schiffsbauern längst als Verhinderer denn als Förderer von Kunst betrachtet wird. Selbst das Wort von den "Betondeppen" - einst fester Programmpunkt des Kabarettisten Sigi Zimmerschied - macht bereits die Runde. Das Kulturamt offenbare nicht zum ersten Mal ein seltsames Berufsverständnis, sagt Hofmann. Er erinnert an drei Kreuze, die John Lennons Witwe Yoko Ono der Stadt einmal überlassen habe, "ein touristisches Alleinstellungsmerkmal". Es habe nicht lange gedauert, bis die Kreuze im Bauhof gelandet seien. Inzwischen sind sie in einem Skulpturenpark zu besichtigen. In Graz.

Keine Alternative

Die Stadt argumentiert, sie habe die Initiatoren des Flutschiffs wegen Sicherheitsmängeln gleich mehrfach aufgefordert, das zehn Meter lange Bauwerk zu entfernen. In einer vierseitigen Chronologie dröselt die Verwaltung in minutiöser Gründlichkeit auf, wo und wann und wie oft sie vergeblich zum Abbau gemahnt habe - nicht zuletzt mit einem Verweis auf "einschlägige europaweit geltende Din-Normen für Spielgeräte".

Die Künstler entgegnen, sie hätten mehrere Standorte für das Schiff angeboten. Ein Stadtrat der Grünen habe sogar zugesagt, es über seinen Betrieb zu versichern - und die Stadt so von der Haftung zu entbinden. Man sei ständig im Dialog mit dem Rathaus gestanden, trotz der Schreiben habe nichts auf einen sofortigen Abriss hingedeutet. Auch dann nicht, als besagter Grünen-Stadtrat vergangene Woche mit dem Büro des Oberbürgermeisters telefonierte. Ob das Schiff noch stehe? Es sei nichts Gegenteiliges bekannt, lautete die Auskunft. Dabei sei das Werk bereits Stunden zuvor entsorgt worden. Sie fühlten sich bewusst getäuscht, klagen seine Befürworter. Das Passauer Architektenforum wirft der Stadt Mutlosigkeit vor, es bleibe "ein fader Beigeschmack". Da helfe es auch wenig, dass "signifikante Teile" des Schiffs nun im Bauhof aufbewahrt würden.

Dass der Platz neben einem Kinderspielplatz nicht ideal gewesen sei, räumen die Erbauer ein. Ihr Plan sah vor, das Schiff auf eigene Kosten zu versetzen und im nächsten Sommer bei einem Benefizkonzert vielleicht Stück für Stück zu versteigern. Aufgeben wollen sie ihr Vorhaben noch nicht. In einem Brief fordern sie die Stadt auf, "die Installation dem rechtmäßigen Eigentümer, und zwar den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Passau, auszuhändigen und bei entsprechender Beschädigung Schadensersatz zu leisten". Das Schiff einzuzäunen oder seine Erschaffer zu bestrafen, das hätte man wohl noch akzeptiert, sagt Hofmann. Aber keinen Abriss. Die Hoffnungen ruhten nun auf Oberbürgermeister Jürgen Dupper, erklärt Architekt Vordermeier. Doch auch juristische Schritte werde man nicht scheuen. Ein Rechtsanwalt sei bereits eingeschaltet.

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