Flüchtlingsunterkünfte:Aufschub bis Dreikönig

Asyl-Notunterkunft in Garmisch-Partenkirchen

"Edelweiss Residence", das klingt nicht nach Bettenlager. In Garmisch sind die Flüchtlinge in einem ehemaligen US-Tagungshotel untergebracht.

(Foto: dpa)

300 Flüchtlinge dürfen nun doch im General-Abrams-Komplex in Garmisch-Partenkirchen bleiben. Aber im Winter müssen sie raus. Weil die Polizei das Gebäude für den G-7-Gipfel braucht - der im Juni stattfindet.

Von Sarah Kanning

Bis zu 300 Flüchtlinge dürfen länger als geplant im General-Abrams-Komplex in Garmisch-Patenkirchen unterkommen. Darauf verständigte sich die Regierung von Oberbayern mit Landrat Anton Speer (Freie Wähler) und der Ersten Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer (SPD) am Dienstag. Speer reagierte erfreut und nannte die Aufnahme "unsere menschliche Pflicht, die wir gerne erfüllen". Von November bis 6. Januar werde das ehemalige Tagungshotel der US-Streitkräfte als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt, "damit kommen wir unserer Verpflichtung nach".

Um die Frage, wie lange die Flüchtlinge bleiben dürfen, hatte es seit dem Einzug von 300 Flüchtlingen - Familien, Schwangere, Kinder - Anfang des Monats erheblichen Streit gegeben. Ursprünglich war geplant, dass die Flüchtlinge bis spätestens Anfang November ausziehen sollten, auch weil die leer stehende Bundesliegenschaft im Juni 2015 für den G-7-Gipfel von der Polizei gebraucht werde, wie ein Sprecher der Regierung von Oberbayern sagte.

"Unwürdiges Schauspiel"

In der Gemeinde war dieser Plan auf Unverständnis gestoßen, weil es bis Juni noch acht Monate sind. Als "unwürdiges Schauspiel" hatte der Diakon Klaus Lobenhofer aus Garmisch-Patenkirchen den Umgang mit den Flüchtlingen bezeichnet. Erst in der vergangenen Woche waren etwa 40 von ihnen abgeholt und nach München gebracht worden - doch dort war gar kein Platz. Nach einigen Stunden Wartezeit wurden die Flüchtlinge wieder nach Garmisch-Partenkirchen zurückgefahren. "Wenn ich im Radio höre, wie viele Flüchtlinge Jordanien aufnimmt, sollte für uns doch zumindest eine geordnete Aufnahme und Verteilung möglich sein", sagt Lobenhofer.

Auf Facebook unterstützen knapp 100 Personen die Gruppe "Winternotfallplan Gapa". Ihr Ziel: Flüchtlinge sollen bis 31. März bleiben dürfen. Diakon Lobenhofer nannte die Aussicht, dass Flüchtlinge bis Heilige Drei Könige bleiben dürfen, "an und für sich positiv - aber dann müssen die Flüchtlinge ausgerechnet im tiefsten Winter umziehen". Eine Unterkunft, die in 48 Stunden errichtet worden sei, könne ebenso rasch zurückgebaut werden.

Was nach dem 6. Januar passiert, könne momentan niemand sagen, sagt Landrat Speer. Nur eines stehe fest: Da in den vergangenen Tagen viele Flüchtlinge bereits auf andere Unterkünfte verlegt worden seien, würde die Unterkunft Anfang November neu belegt. "Das wird eine Riesenaufgabe für unsere Behörden, Krankenhäuser, Ehrenamtlichen."

Der Winter-Notfallplan der Staatsregierung stellt viele Landkreise und kreisfreie Städte vor große Herausforderungen - sie sind verpflichtet, Schlafplätze für 200 bis 300 Flüchtlinge vorzubereiten. Die Stadt Weiden hat beispielsweise ihre Mehrzweckhalle als potenzielle Flüchtlingsunterkunft ausgewählt - zum Missfallen der dort trainierenden Sportvereine. "Vielen Vereinen wird durch die drohenden finanziellen Ausfälle die Existenzgrundlage genommen", sagte Kurt Haas, Vorsitzender der Spielvereinigung SV Weiden.

In Straubing kommen Flüchtlinge in den Ausstellungshallen am Hagen unter - geplante Veranstaltungen müssen verlegt werden. Im Chiemgau weist man Probleme weit von sich. "Wir sind wahrscheinlich der einzige Landkreis, der über seinem Soll ist, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht", sagt der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch (CSU). 200 Flüchtlinge wurden beispielsweise in einem Feriendorf in Siegsdorf untergebracht, die Kapazitäten für das laufende Jahr seien gesichert.

Nicht eingerechnet in die Kapazitäten, auch nicht für das kommende Jahr, ist das leer stehende Hotel "Zur Post" in Oberwössen. Die Betreiber können das nicht verstehen: "Es steht alles bereit - die Notaufnahme für Flüchtlinge ist fertig, die Zimmer sind hergerichtet, die Gaststätte intakt, die Kühltruhen gefüllt und die Helfer abrufbereit - 100 Flüchtlinge könnten wir morgen aufnehmen", sagt Frank Jahrsdörfer, Geschäftsführer der FJ Management Gesellschaft, die das Hotel seit August pachtet. Jahrsdörfer, der unter anderem ein Sterne-Hotel in Oberreute im Allgäu betreibt, spricht Arabisch. Er hat den Eindruck, dass die Unterbringung "von der Kommune politisch nicht gewünscht wird." Seit Monaten warte er auf Bescheid.

"Es gibt keine Probleme, die Vertragsverhältnisse sind klar"

Landrat Walch nennt "zivilrechtliche Probleme" zwischen Veräußerer und Pächter als Grund, das Hotel nicht zu nutzen. Wenn die Situation unklar sei, ginge das zu Lasten der Flüchtlinge. Pächter und Eigentümer des Hotels reagieren empört auf den Vorwurf. "In dieser Frage sind sich Eigentümer und Pächtergesellschaft zu 100 Prozent einig", sagt Rechtsanwalt Johannes Erling, der die Eigentümer vertritt. "Es gibt keine Probleme, die Vertragsverhältnisse sind klar", sagt auch Jahrsdörfer. Seine Gesellschaft habe schon öfter kritische Objekte wieder an den Markt gebracht.

Das Merkwürdige: Das Hotel wurde bis vor zwei Monaten als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Obwohl der Eigentümer nach Angaben seines Anwalts seit Februar im Gespräch mit dem Landratsamt war, holte das Landratsamt nach dem Betreiberwechsel im August alle Flüchtlinge ab. Nun hat sich SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacker eingeschaltet: "Von kraftvollem Krisenmanagement kann hier keine Rede sein, sondern vielmehr sind fehlende Tatkraft, Ignoranz und offensichtlich mangelnder politischer Wille zu erkennen."

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