Flüchtlingspolitik:So ist die Lage an der Grenze zu Österreich

Grenzkontrolle Deutschland - Österreich

Zum Beispiel Kiefersfelden: Polizisten kontrollieren an der deutsch-österreichischen Grenze.

(Foto: dpa)

Die Politik debattiert über die Pläne zur Flüchtlingspolitik von CSU-Innenminister Seehofer. Dabei sind die umstrittenen Zurückweisungen in Bayern längst Alltag. Ein Überblick.

Von Matthias Köpf und Johann Osel

Angesichts der Kritik aus Österreich und der SPD hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Erwartungen gedämpft, dass die Asyl-Vereinbarung zu Transitzentren rasch umgesetzt wird. Von dort aus sollen bereits in anderen EU-Staaten registrierte Asylbewerber in diese zurückgeführt werden. Aus der CSU kommt aber weiterhin Druck. Wie ist die Lage an der Grenze zu Österreich? Ein Überblick.

Was macht die neue bayerische Grenzpolizei, was unterscheidet sie von der alten?

Seit Anfang des Monats hat Bayern wieder eine eigene Grenzpolizei. Ihre 500 Beamten, die bisher meist als Fahnder im Hinterland unterwegs waren, sollen nun auch an der Grenze Präsenz zeigen. Bis in fünf Jahren sollen weitere 500 Beamte hinzukommen. Direkt an der Grenze behält die Bundespolizei die Dienstmütze auf, bis ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Land das Verhältnis neu justiert. Bayern hatte sich schon in der Vergangenheit als einziges Bundesland eine eigene Grenzpolizei geleistet. Deren zuletzt 1200 Beamte wurden 1998 nach Österreichs Schengen-Beitritt in die Landespolizei eingegliedert.

Wie gehen die Beamten momentan an der Grenze vor, wie ist die Rechtslage?

Laut dem Schengener Grenzkodex wird generell eine Einreise verweigert, wenn gültige Reisedokumente oder ein Visum fehlen. Von der Verweigerung wird gemäß der geltenden Weisung des Bundesinnenministeriums abgesehen, wenn ein Migrant vorbringt, Schutz zu suchen. Im Juni hat Seehofer entschieden, dass bereits Abgeschobenen die Wiedereinreise verwehrt werden darf - ungeachtet davon, ob sie Schutz einfordern. Außer an den Flug- und Seehäfen gibt es Kontrollen eben an der deutsch-österreichischen Grenze - neben stationären Kontrollen auf den Autobahnen 3, 8 und 93 erfolgt die Überwachung grenzüberschreitenden Verkehrs (auch auf der Schiene) "lageangepasst und flexibel", erklärt die für Bayern zuständige Bundespolizeidirektion München. Bei Zurückweisungen spricht man sich bisher mit den österreichischen Behörden ab, bringt die Betreffenden an die Grenze und übergibt sie.

Wie ist die derzeitige Lage an der Grenze?

4600 unerlaubte Einreisen stellte die Bundespolizei in den ersten fünf Monaten des Jahres fest. Davon wies man 2450 Personen zurück. Die häufigsten Herkunftsländer: Nigeria, Afghanistan, Serbien, Albanien und Pakistan. 2017 waren es über Österreich 14 650 unerlaubte Einreisen, auch davon wurde gut die Hälfte zurückgewiesen. Eine Statistik, wie viele zuvor in anderen Staaten erfasst wurden, liegt der Bundespolizei nicht vor. An allen deutschen Grenzen sind vergangenes Jahr 12 370 Personen zurückgewiesen worden, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage zeigt. Die größte Gruppe der Zurückgewiesenen stammte 2017 aus Nigeria und aus Albanien, im Jahr zuvor waren es noch vorrangig Afghanen, Syrer und Iraker.

Was meinen Kommunen an der Grenze?

In Grenzstädten wie im oberbayerischen Freilassing ist der Ausnahmezustand von 2015 längst einem neuen Alltag gewichen, die Menschen haben sich mit den Zumutungen arrangiert. Die Pendler haben sich auf Wartezeiten eingestellt, manche Firmen haben wegen der Staus gar Schichtpläne verändert. Selbst von den Einzelhändlern, die um ihre Salzburger Kunden fürchteten, kämen kaum mehr Klagen, sagt Freilassings Bürgermeister Josef Flatscher (CSU). In der Möbelhalle, die seit 2015 einer der Brennpunkte der Flüchtlingskrise war, herrscht derzeit kaum Betrieb. Doch im Bereich der örtlichen Bundespolizeiinspektion würden nach wie vor deutlich mehr illegal Einreisende aufgegriffen als andernorts. Auch deshalb sehe er die Transitzentren "wie ein Damoklesschwert" über Freilassing hängen, so Flatscher, "aber das werden wir auch noch überstehen".

Warum forciert die CSU trotz aktuell so niedriger Zahlen die Grenzpolitik derart?

"Wer sagt, 2015 darf sich nicht wiederholen, der muss auch entsprechende Maßnahmen folgen lassen", sagt Ministerpräsident Markus Söder. Er will eine "Asylwende", wohl mit Blick auf die Landtagswahl.

Was ist in Bayern konkret angedacht?

Bayern will Abschiebungen auch beschleunigen, indem man in Eigenregie Flüge organisiert. Der eigene Asylplan sieht zudem sieben "Ankerzentren" vor, dort soll es kein "Asylgehalt" mehr geben, nur noch Sachleistungen. In den Zentren sollen Asylbewerber das gesamte Verfahren durchlaufen, bis zur Abschiebung. In anderen EU-Ländern bereits Registrierte würden bei der Einreise nicht in Anker-, sondern nur in Transitzentren an der Grenze kommen.

Wie ist die Abschiebungsbilanz bisher?

Ende März 2018 waren in Bayern etwa 25 600 Personen ausreisepflichtig - darunter aber fast 16 400 Geduldete, bei denen die Abschiebung nicht möglich ist. 2017 hat Bayern 3282 Personen abgeschoben, freiwillig ausgereist sind zudem mindestens 13 000. Trotz umstrittener Sicherheitslage in Afghanistan kam am Mittwoch ein bundesweiter Sammelflug aus München mit 69 Flüchtlingen (51 aus Bayern) in Kabul an - anders als bisher nicht nur mit Straftätern oder Identitätsverweigerern. Pauschale Abschiebe-Stopps seien "unverantwortlich", so das Innenministerium.

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