Flüchtlingsdebatte:Die CSU hat "kein Verständnis für Merkel"

Merkel Seehofer Flüchtlingspolitik Union

Die Linien zwischen Seehofer/CSU und Merkel/CDU sind in der Debatte um den "Masterplan Migration" so hart wie lange nicht.

(Foto: dpa)
  • Am Donnerstag trifft Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in Berlin auf Bundeskanzlerin Angela Merkel.
  • Das könnte brisant werden: In der CSU wünscht man sich, dass die "Asylwende" gelingt. Anders ausgedrückt: Merkel soll auf den CSU-Kurs einschwenken.
  • Die CSU unterstützt geschlossen den "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer, der etwa Zurückweisungen an der Grenze vorsieht.

Von Wolfgang Wittl

Die Vorboten kamen harmlos daher, in Form einer nüchternen E-Mail. Um halb elf Uhr informierte die CSU-Parteizentrale am Mittwoch, dass der für Abend geplante Wahlkampfauftritt mit Markus Söder in München leider abgesagt werden müsse. Begründung: "aufgrund der aktuellen politischen Situation". Was genau sich dahinter verbarg, wollte zunächst keiner sagen, aber das war auch nicht nötig.

Es gibt nur eine aktuelle politische Situation, die für die CSU in diesen Tagen zählt - und die nach Ansicht von Parteistrategen nicht nur über den Erfolg bei der Landtagswahl am 14. Oktober entscheidet, sondern über die Zukunft der CSU. Die Frage, ob in Berlin die "Asylwende" gelingt, wie Ministerpräsident Söder, Parteichef Horst Seehofer und alle Gremien der CSU sie fordern.

Söder stieg am Abend in den Flieger nach Berlin, wie man später erfuhr, es standen wichtige Vorgespräche an. Diesen Donnerstag trifft er in der Ministerpräsidentenkonferenz auf jene Frau, die aus Sicht der CSU endlich auf den Kurs der bayerischen Schwesterpartei einschwenken soll: Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Bevor es zum Flughafen ging, holte Söder sich noch den Rückhalt der Landtagsfraktion. Einstimmig beschlossen die CSU-Abgeordneten in einer einseitigen Resolution, den "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer "uneingeschränkt" zu unterstützen sowie Zurückweisungen an der Grenze zu ermöglichen. Am Tag zuvor hatte das bayerische Kabinett bereits einen ähnlichen Beschluss gefasst.

Das Ausmaß von Frust, Zorn und Entschlossenheit in der CSU spiegelte sich in den Wortmeldungen der Landtagsfraktion: Er habe "kein Verständnis für Merkel", sagte Fraktionschef Thomas Kreuzer nach Teilnehmerangaben. Die Kanzlerin lehnt Zurückweisungen an der Grenze, wie Seehofer sie in seinem Masterplan vorsieht, bislang ab. Auch gemäßigte CSU-Granden wie Landtagspräsidentin Barbara Stamm äußerten sich wie Kreuzer. Sie könne Merkels Kurs "nicht mehr nachvollziehen", sagte Stamm unter Beifall der Abgeordneten.

Söder vermied zwar persönliche Angriffe auf die Kanzlerin, fand in der Sache aber nicht weniger deutliche Worte. Die CSU befinde sich in einer "ganz entscheidenden Situation vor der Landtagswahl", warnte er, "die Machtlosigkeit des Staates" könne "das Ende der Volksparteien bedeuten". Da Deutschland entschieden habe, geltendes Recht nicht anzuwenden, gebe es "Asyltourismus" in Europa, sagte Söder nach Berichten von Teilnehmern - mit Deutschland dürfte Merkel gemeint gewesen sein. "Es kann passieren, dass wir uns entscheiden müssen", sagte Söder noch mit Verweis auf seinen vorzeitigen Aufbruch nach Berlin. In der Partei wurden die Worte als Machtprobe mit der Kanzlerin gedeutet.

Zwei Szenarien kursieren in der CSU, beide brechen mit Merkel

Vor der Sitzung hatte Söder zu Journalisten gesagt, dass es "für unsere Demokratie nicht immer nur endlose Formelkompromisse, sondern klare Entscheidungen" brauche. "Sehr gut" seien Seehofers Vorschläge, "wir arbeiten jetzt daran, dass sie umgesetzt werden". Zwei Szenarien kursieren in der CSU: Erstens, als Innenminister könne Seehofer Zurückweisungen an der Grenze auch ohne Merkels Zustimmung anweisen. Zweitens, etwas abgeschwächter: Er könne die bayerische Landespolizei einfach gewähren lassen, falls sie solche Zurückweisungen in eigener Verantwortung vornehme. Beide Wege würden einen offenen Bruch mit der Kanzlerin bedeuten.

Nach Angaben der Bundespolizei werden Zurückweisungen an der Grenze allerdings bereits praktiziert. Etwa die Hälfte der Migranten, die an der bayerisch-österreichischen Grenze unerlaubt einreisen wollen, wird dort zurückgewiesen. Bis Mai dieses Jahres habe die Bundespolizei dort rund 4600 Menschen kontrolliert, die keine Berechtigung zur Einreise hatten, sagte der Sprecher der Bundespolizeidirektion München, Matthias Knott. Davon seien fast 2450 Personen zurückgewiesen worden, rund 53 Prozent. Die meisten Zurückgewiesenen kämen aus Nigeria, Afghanistan, Serbien, Albanien und Irak.

CSU-Generalsekretär Markus Blume erhob die Frage der Zuwanderung zur "Schicksalsfrage für dieses Land". Die CSU stehe "wie eine Eins" hinter Seehofer. Auf die Frage, ob die CSU zu Zugeständnissen an Merkel bereit sei, sagte Blume: "In der Politik ist nicht immer alles nur gut, was ein Kompromiss ist, sondern manchmal geht es auch einfach darum, etwas durchzusetzen."

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