Flüchtlinge:Kommunen fordern Millionen für Flüchtlinge

Notunterkunft für Asylbewerber in Turnhalle

Die steigenden Flüchtlingszahlen - hier eine Notunterkunft in Coburg - bringen die bayerischen Kommunen finanziell in Bedrängnis.

(Foto: David Ebener/dpa)

Städtetagschef Ulrich Maly hält der Staatsregierung vor, sie halte Mittel des Bundes zurück. Das Geld fehlt für die Betreuung jugendlicher Asylbewerber, Sprachkurse und den Bau von Wohnungen

Von Dietrich Mittler und Christian Sebald

Zwischen den Kommunen und dem Freistaat bahnt sich ein Streit über die Flüchtlingshilfe des Bundes an. Am Mittwoch forderte der Nürnberger OB und Vorsitzende des bayerischen Städtetags, Ulrich Maly (SPD), die Staatsregierung auf, die jeweils 75 Millionen Euro, die der Bund den bayerischen Kommunen in diesem und im nächsten Jahr für die Unterbringung von Asylbewerbern zugesagt hat, nun unverzüglich an diese auszubezahlen. Staatsregierung und Landtags-CSU verweigern sich der Forderung mit der Begründung, der Freistaat unterstütze die Kommunen bei der Flüchtlingshilfe sehr viel stärker als andere Bundesländer. Maly will das nicht akzeptieren. "Der Bund hat das Geld ganz klar für die Kommunen zur Verfügung gestellt", sagte er. "Der Freistaat muss es nun weiterleiten."

Nach zähen Verhandlungen hatte die Bundesregierung im November 2014 den Kommunen in Deutschland für 2015 und 2016 jeweils 500 Millionen Euro versprochen, damit sie sich bei der Finanzierung der teuren Erstunterbringung von Asylbewerbern leichter tun. Nach dem üblichen Länderschlüssel beträgt der Anteil für Bayern jeweils 75 Millionen Euro. Die CSU argumentiert nun, dass die Staatsregierung die Kosten für Unterbringung und Verpflegung der Flüchtlinge während des Asylverfahrens bereits zu 100 Prozent übernehme. Deshalb sei es nicht sinnvoll, den Kommunen jetzt noch zusätzlich das Geld des Bundes zu überweisen. So lehnte die CSU-Fraktion erst kürzlich einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag der SPD ab. Die Staatsregierung gebe in diesem und im nächsten Jahr bereits eine Milliarde Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen aus, sagte der CSU-Abgeordnete Martin Bachhuber im Finanzausschuss zur Begründung. Auch Ausschusschef Peter Winter (CSU) erklärte, dass sich die bayerischen Städte und Gemeinden im Vergleich zu Kommunen in anderen Ländern in einer guten Situation befänden. Allein die Aufnahme der vielen Flüchtlingskinder in Schulen sei "mit großen Herausforderungen für den Staatshaushalt verbunden".

Die Städte und Gemeinden beharren indes auf der Ausbezahlung des Bundes-Geldes. "Natürlich stimmt es, dass der Freistaat die Erstunterbringung und Verpflegung der Flüchtlinge finanziert", sagte Maly. "Aber bereits beim Hausmeister, wie er in einer größeren Unterkunft unverzichtbar ist, hört die Großzügigkeit auf." Auch in der Sozialbetreuung der Flüchtlinge durch Sozialarbeiter klafften große Lücken. Ebenso bei der Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen. "Sie fallen rein formal rechtlich in die Zuständigkeit der Jugendhilfe", sagte Maly. "Deshalb bekommen wir Kommunen bisher überhaupt kein Geld vom Freistaat für jugendliche Asylbewerber." Der Passauer OB Jürgen Dupper (SPD) hat sich daher bereits mit Sozialministerin Emilia Müller (CSU) angelegt. Dupper warf Müller vor, dass seine Stadt wegen der hohen Kosten für jugendliche Asylbewerber Leistungen für die eigene Bevölkerung kürzen müsse. Städtetagschef Maly zeigte ausdrücklich Verständnis für die Äußerungen seines Parteifreunds.

Außerdem erwarten die Kommunen, dass sie der Freistaat sehr viel stärker bei der Integration anerkannter Asylbewerber unterstützt. "Die Quote derer, die ein Anrecht haben zu bleiben, liegt aktuell bei 30 Prozent", sagte Maly. "Sehr viele Flüchtlinge werden also lange bei uns sein. Und das heißt: Wir brauchen zusätzliche Wohnungen, Kindergärten und Schulen." Selbst das Sozialministerium gehe von einem zusätzlichen Bedarf von wenigstens 5000 Wohnungen pro Jahr aus. Auch den Sprachunterricht für Erwachsene und die Integrationskurse müsse man verstärken - letztere dürfe man nicht allein den vielen freiwilligen Helfern überlassen. Insgesamt sei die Integration der vielen Flüchtlinge nur zu schaffen, wenn Bund und Länder die Kommunen "dauerhaft und tatkräftig unterstützen".

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) setzt unterdessen auf die harte Linie: Mit der bereits dritten Sammelabschiebung wurden weitere 68 Kosovaren ins Flugzeug nach Pristina gesetzt, darunter auch eine junge Frau und ihr eineinhalbjähriger Sohn, die in Nürnberg Zuflucht gefunden hatten. Nach Angaben des Internationalen Frauencafés hatte sie einen Asylnachfolge-Antrag gestellt, "weil sie ihre Zwangsverheiratung als Fluchtgrund beim ersten Asylantrag aus Scham verschwiegen hatte".

Herrmann wiederum hob hervor, dass unter den Abgeschobenen "auch Straftäter und viele allein reisende Männer" gewesen seien. Den Kosovo-Flüchtlingen warf er "eindeutigen Missbrauch des Asylrechts" und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Flüchtlingen vor. Der Bayerische Flüchtlingsrat indes hielt Herrmann vor, er lasse derzeit geradezu "zwanghaft" die Ausländerbehörden alle Männer, Frauen und Kinder zusammensuchen, "die keinen sicheren Aufenthalt haben".

Momentan findet in Bayern - aber auch darüber hinaus - eine große Umverteilung neu angekommener Asylbewerber statt. Dies soll insbesondere die chronisch volle Erstaufnahme-Einrichtung in München entlasten. "Wegen des Bahnstreiks fahren wir seit Mittwoch täglich mit drei Bussen Aufnahme-Einrichtungen in ganz Deutschland an", teilte die Regierung von Oberbayern mit. Angesichts der hohen Zugänge könne man es sich nicht leisten, "die Asylbewerber bis zum Bahnstreik-Ende selbst unterzubringen". Diese Umquartierung betreffe gut die Hälfte aller Ankommenden.

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