Flüchtlinge in Bayern:"Jetzt müssen wir in den Krisenmodus"

Nach immer chaotischeren Szenen bei der Flüchtlingsaufnahme schickt Ministerpräsident Seehofer Staatskanzleichef Huber als Nothelfer ins Sozialministerium - der Ressortchefin Müller traut er die Entschärfung nicht mehr zu.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Mit einem neu eingerichteten Asyl-Krisenstab will die Staatsregierung nun ihr chaotisches Auftreten der vergangenen Tage ausbügeln. Das neue Gremium soll mit täglichen Krisensitzungen unter der gemeinsamen Leitung von Staatskanzleichef Marcel Huber und Sozialministerin Emilia Müller die Lage zügig in den Griff bekommen. Mit der Entsendung Hubers demonstrierte Ministerpräsident Horst Seehofer auch, dass er Müller die Entschärfung offenbar nicht mehr alleine zutraut.

Schon während der Kabinettssitzung am Dienstagvormittag machte Seehofer seinem Ärger Luft. Im Fokus stand - wie aus Teilnehmerkreisen zu hören war - Emilia Müller. Es reiche nicht immer zu klären, was gemacht werden müsse. Es müsse dann auch etwas getan werden, wurde Seehofer sinngemäß wiedergegeben. Er soll auch verärgert darüber sein, wie sich sein Spitzenpersonal das Thema vom Münchner SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter aus der Hand nehmen ließ. Dieser hatte die Münchner Bayern-Kaserne als Erstanlaufstelle im Alleingang geschlossen.

Marcel Huber verließ die Staatskanzlei noch während der Kabinettssitzung. Das Flüchtlingsthema habe "krisenartige Ausmaße angenommen", sagte Huber. "Jetzt müssen wir in den Krisenmodus wechseln." Das Land müsse schnell und unkonventionell handeln. "Heute Mittag um zwölf geht's los", sagte er - das war kurz vor halb zwölf. Ziel sei es nicht, die Versäumnisse der letzten Tage aufzuklären, unter dem Motto "Wer hat was vermurkst", sagte Huber. Einen Seitenhieb verpasste er Müller gleichwohl: Deren am Montag angekündigte "Taskforce" zur Flüchtlingsaufnahme wolle er "gleich mal relativieren", sagte Huber. Diese sei nur eine interne organisatorische Gruppe, "die man vielleicht auch anders hätte nennen können".

Im neuen Krisenstab soll es dagegen nun schnell praktische Ergebnisse geben. Der Sinn liege darin, alle mit Asylthemen befassten Ministerien und Bundesbehörden, die Stadt München, Landkreise, Wohlfahrtsverbände und Sicherheitskräfte in einem Lagezentrum im Sozialministerium ständig an einem Tisch zu haben, sagte Huber. "Tägliche Sitzung, tägliche Lagebesprechung, tägliches Nachsteuern" sei das Motto, sagte Huber. Auch die Bundeswehr sei vertreten, weil sie mit Kasernen über mögliche Unterkünfte verfüge, aber auch wegen medizinischer und logistischer Unterstützung.

Huber machte deutlich, dass er eher noch mit einer weiteren Zuspitzung rechne, auf die sich der Freistaat gerade im Winter einstellen müsse. Zuletzt hatten viele Flüchtlinge im Freien geschlafen - "was ist denn, wenn jetzt Hunderte und Tausende Menschen zusätzlich kommen und das Wetter schwierig wird?", fragte Huber. Bayern müsse auch vorbereitet sein auf Infektionskrankheiten, sagte Huber unter Anspielung auf die Ebola-Epidemie in Afrika.

Die Opposition reagierte skeptisch: SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen wertete die Asylprobleme als "Schande" für die Staatsregierung. Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause erinnerte an den erst einen Monat alten "Asylgipfel" der Staatsregierung. "Seitdem hat sich die Situation nicht verbessert, sondern drastisch verschlechtert."

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