Betreuung:Wer bezahlt, wenn Flüchtlinge volljährig werden?

Arbeit mit unbegleiteten Flüchtlingen

Viele junge Flüchtlinge sind auch nach ihrem 18. Geburtstag noch auf Betreuung angewiesen.

(Foto: dpa)
  • Für die Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen zahlt der Freistaat. Sind sie volljährig, zahlen die Kommunen. Die Kosten schlagen voll auf Landkreise und Gemeinden durch.
  • Zum Jahreswechsel werden viele Flüchtlinge volljährig: Weil viele ohne Papiere nach Deutschland kommen, wird als Geburtsdatum der Einfachheit halber der 1. Januar angegeben.
  • Der Verbandspräsident der Bayerischen Bezirke, Josef Mederer (CSU), fürchtet, dass Populisten potenzielle Finanzprobleme der Kommunen den Flüchtlingen anlasten könnten.

Von Matthias Köpf

Die Geburtstage in den Heimen und Wohngruppen häufen sich zum Jahreswechsel, denn viele junge Flüchtlinge sind ohne Papiere nach Deutschland gekommen und haben hier als Geburtsdatum der Einfachheit halber den 1. Januar in ihren Akten stehen.

Doch unabhängig vom genauen Geburtstag ist es für Bayerns Bezirke kein Anlass zum Feiern, wenn unbegleitete minderjährige Flüchtlinge älter werden. Denn für die Jugendlichen zahlt noch der Freistaat. Wenn sie aber volljährig werden und weiterhin Hilfe brauchen, müssen die Bezirke für die Kosten aufkommen. Weil deren Ausgaben am Ende voll auf die Kreise und Gemeinden durchschlagen, erhöhen alle zusammen den Druck auf die Staatsregierung und verlangen von ihr, diese Kosten endlich zu übernehmen.

Der Bezirkstag von Oberbayern hat schon im Sommer eine Resolution gefasst, in der er vom Freistaat eine Lösung fordert. Oberbayern hat wegen der Grenznähe bisher die meisten jungen Flüchtlinge aufgenommen. Weil es seine Quote inzwischen praktisch erfüllt und Neuankömmlinge verstärkt auf andere Bezirke verteilt werden, wird das Problem mit den Kosten inzwischen auch in Niederbayern, Mittelfranken und der Oberpfalz immer deutlicher spürbar, sagt Oberbayerns Bezirkstagspräsident Josef Mederer, der zugleich Verbandspräsident aller bayerischen Bezirke ist.

Diese müssen ihren Landkreisen und kreisfreien Städten die Kosten für alle jungen Flüchtlinge in den Heimen erstatten, bekommen vom Freistaat ihrerseits aber nur das Geld für die Minderjährigen. Allein in Oberbayern macht die Differenz im laufenden Jahr 67 Millionen Euro aus.

Für 2017 rechnet Mederer schon mit 176 Millionen, die sich der Bezirk mangels anderer Finanzquellen per Umlage von den Landkreisen holen muss. Die wiederum dürften den Schwarzen Peter ebenfalls nach unten an die Gemeinden weiterreichen, die ohnehin unter den finanziellen und organisatorischen Zumutungen des Flüchtlingszuzugs ächzen und seit langem mehr Einsatz vom Freistaat verlangen.

Mederer befürchtet, dass die Schuld für kommunale Finanzprobleme von den üblichen Populisten spätestens dann den Flüchtlingen angelastet wird. Die Staatsregierung spiele so am Ende den Demagogen in die Karten.

"Das ist die große Sorge, die ich habe", sagt der CSU-Mann Mederer. Der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin ist Sprecher aller oberbayerischen Landräte und ebenfalls ein Christsozialer. "Wir werden bald in 2000 bayerischen Gemeinderäten die Diskussion haben, warum das eigentlich sein muss", warnt Karmasin die Staatsregierung.

Er erinnert daran, dass die Probleme junger Flüchtlinge mit dem 18. Geburtstag nicht einfach verschwinden. Die jungen Menschen weiter zu betreuen, könne auch gesellschaftliche Folgekosten sparen und schon erreichte Fortschritte der Jugendlichen sichern helfen.

Weil sich Bezirke, Kreise und Gemeinden ans Aufstellen ihrer jeweiligen Haushalte für das kommende Jahr machen müssen, werden die Forderungen inzwischen immer ungeduldiger. Alle kommunalen Spitzenverbände haben Briefe an die Staatskanzlei geschrieben, mehrere Landkreise haben sich mittlerweile der Resolution des oberbayerischen Bezirkstags angeschlossen, und viele andere haben das Thema schon auf der Agenda. Die Staatskanzlei hat den Landräten bisher nur ein Gespräch in Aussicht gestellt, ohne dass sie einen Termin konkret genannt hätte.

Auch die Sozialministerin sagt bisher nicht viel

Denn das Thema ist auch innerhalb der Staatsregierung umstritten. Im Bemühen, das Problem nicht hochkochen zu lassen, hatte Seehofer den Bezirken schon am Asylgipfel im vergangenen Oktober eine schnelle Lösung in Aussicht gestellt. Unmittelbar darauf kam dazu ein Nein aus Markus Söders Finanzministerium. Von der zuständigen Sozialministerin Emilia Müller war bisher nichts Entschiedenes oder gar Entscheidendes zu hören. Josef Mederer muss da inzwischen um moderate Töne ringen. "Das muss schon reifen", sagt er, "aber jetzt erwarte ich einmal ein Ergebnis."

Das könnte aus seiner Sicht auch darin bestehen, dass die Landkreise vom Freistaat Geld pro minderjährigem Flüchtling bekommen und dann selbst kreative Lösungen suchen, sie vielleicht mit weniger Aufwand, aber gezielter zu betreuen. Denn auch die Träger der Heime und Wohngruppen trennen sich oft ungern von jungen Menschen, die sich in ihre Strukturen eingefügt haben. Sie geben bei den Jugendämtern deshalb gerne Einschätzungen ab, wonach die Klienten von ihnen auch als Volljährige auf jeden Fall im bisherigen Umfang weiter betreut werden müssen.

Die Stadt München gab zuletzt an, dass auf Dauer mehr als drei Viertel der jungen Menschen auch als Volljährige betreut werden müssten, die Landkreise gehen im Schnitt von einer Bleibequote von 50 Prozent aus. Die Staatsregierung steht dagegen auf dem Standpunkt, dass höchstens 30 Prozent der jungen Menschen weiter eine so intensive Betreuung brauchen. Die Möglichkeit, in der Jugendhilfe zu bleiben, besteht bis zum Alter von 21 Jahren.

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