Flüchtlinge:Allianz für Asyl

Stephan Reichel, 2012

Drei Jahre lang war Stephan Reichel Kirchenasyl-Koordinator.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach Ermittlungen gegen Pfarrer schließen sich die kirchlichen Flüchtlingshelfer zusammen. Evangelische und katholische Kirchengemeinden wollen mit einem gemeinsamen Verein schlagkräftiger agieren

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Die kirchlichen Asylhelfer in Bayern wollen sich besser vernetzten und schlagkräftiger werden. Sie reagieren damit auf die konzertierte Aktion bayerischer Staatsanwälte gegen Pfarrer und Gemeinden. Hauptamtliche aus evangelischen Gemeinden und der katholischen Kirche wollen einen Verein gründen, der "Themen aufgreift, die die Landeskirche nicht aufgreifen will oder kann", sagt Stephan Reichel, der als Koordinator für Kirchenasyl bei der evangelischen Landeskirche tätig war. Mit dabei sein wird auch die fränkische Pfarrerin Doris Otminghaus, die als erste publik gemacht hatte, dass Ermittlungsverfahren gegen Pfarrer laufen.

Der 64-jährige Reichel war in den vergangenen drei Jahren der offizielle Ansprechpartner für katholische und evangelische Gemeinden in Bayern, die ein Kirchenasyl anbieten wollten. Am 1. Juli ist er aus diesem Amt ausgeschieden - im "gegenseitigen Einvernehmen", wie es von der Landeskirche hieß. Darüber nachgedacht, seine Aufgabe niederzulegen, hatte Reichel aber schon länger.

Dass die Kirchen für jedes Bundesamt einen zentralen Ansprechpartner fürs Kirchenasyl benennen, war Teil einer Vereinbarung, die die Kirchen im Februar 2015 nach langen Ringen mit der Bundesregierung getroffen hatten. Die Vereinbarung sah vor, dass der Staat das Kirchenasyl toleriert, wenn es in begründeten Ausnahmefällen angewendet wird. Die Kirchen müssen diese Fälle sofort melden und dann ein Dossier über die Betroffenen zusammen stellen, das sie an das Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge weiterleiten.

Als bayerische Staatsanwälte begonnen hatten, mit Bußgeldern zu drohen, sahen viele Asylhelfer diese Vereinbarung verletzt. Damals konnte man auch den Eindruck gewinnen, Reichel habe nicht mehr viel Freude an seinem Job. Er fand die Ermittlungen empörend, konnte das in seinem Amt aber nicht offiziell sagen. Von den beiden großen Kirchen war eher verhaltene Kritik zu hören, viele Betroffene empfanden den Protest als zu leise. Reichel betont, er habe sich nicht im Zorn von der Landeskirche verabschiedet. Das Verhältnis zum evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sei ausgezeichnet. "Es gibt inhaltlich keinen Konflikt mit der Kirchenleitung", sagt Reichel.

Dem Bayerischen Rundfunk hatte Bedford-Strom vergangene Woche gesagt, er zweifle, ob die Strafbarkeit bei Kirchenasyl überhaupt gegeben sei: "Die Menschen verstecken ja niemanden, sie geben den Aufenthaltsort des Flüchtlings den Behörden bekannt und deswegen gibt es auch keine Verdunklung oder Ähnliches." Staatsanwaltschaften sollen bereits Protokolle von Kirchenvorstandssitzungen angefordert haben, um Ermittlungen gegen Kirchenvorstandsmitglieder voranzutreiben. "Das ist aus meiner Sicht nicht mehr verhältnismäßig", sagte Bedford-Strohm. Der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" sind derzeit deutschlandweit 351 Kirchenasyle bekannt mit 551 Personen, darunter 127 Kinder. 301 davon seien Dublin-Fälle, bei denen Geflüchtete in das EU-Land zurück müssten, das sie zuerst betreten haben.

Reichel findet, dass eine unabhängige Organisation die Anliegen der Asylhelfer besser vertreten könne. Auch Pfarrerin Otminghaus betont, dass es keinen Konflikt mit der Landeskirche gebe. Der Verein sei ergänzend notwendig. "Wir können manches machen, was die Landeskirche nicht machen kann." Das fange damit an, dass die Vereinsmitglieder Informationen über Strafverfahren austauschen und Rechtsanwälte empfehlen können. Es sei auch daran gedacht, einen Solidaritätsfonds einzurichten, um Gerichtsverfahren für Asylbewerber zu finanzieren. Sorgen macht Otminghaus, dass parallel zu den Ermittlungen gegen Pfarrer und Kirchenvorstände Strafverfahren gegen die Flüchtlinge laufen, die in Kirchen unterkommen. Ergebnis sei, dass die Asylsuchenden als Straftäter gelten und abgeschoben werden. "Damit wird das Kirchenasyl strafrechtlich ausgehöhlt", kritisiert Otminghaus. In Musterprozessen, bei denen man mit Pro Asyl zusammenarbeitet, wollen sich die kirchlichen Helfer dagegen wehren.

Kirchenasyl soll aber nur eines der Themen sein, derer sich der neue Verein annimmt. Es wird auch um Fragen der Asylsozialarbeit gehen und um Protest gegen bestimmte Entwicklungen in der Asylpolitik. So kritisieren viele Helfer, dass Afghanistans als sicheres Herkunftsland gilt. Die Gründungsversammlung mit etwa 40 geladenen Teilnehmern ist am 5. Oktober in der Nürnberger Kirche St. Martha geplant. Der ökumenische Verein wird den Namen "Matteo - Kirche und Asyl" tragen. Er nimmt Bezug auf einen Vers im Matthäusevangelium: "Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen."

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