Oberpfalz:Am ehemaligen KZ Flossenbürg wird noch immer Granit abgebaut

Oberpfalz: Die historische Abbruchkante ist der einzige Fleck im Steinbruch, der seit 1945 unverändert geblieben ist.

Die historische Abbruchkante ist der einzige Fleck im Steinbruch, der seit 1945 unverändert geblieben ist.

(Foto: oh)
  • Der Steinbruch, in dem sich während des Zweiten Weltkriegs zehntausende Häftlinge zu Tode arbeiteten, ist weiterhin in Betrieb.
  • Der Freistaat hat Verträge mit der Betreiberfirma geschlossen, die noch bis 2025 laufen.
  • Kritiker halten das Geschäft für pietätlos, der Leiter der Gedenkstätte sorgt sich um die historischen Relikte.

Von Andreas Glas, Flossenbürg

Wo sich damals die Menschen zu Tode schufteten, schuften heute Maschinen. Zwei rote Bagger stehen im Steinbruch des ehemaligen Konzentrationslagers in Flossenbürg in der Oberpfalz. Unten stehen die Bagger, oben steht Stefan Krapf, schaut von der Aussichtsplattform in den Steinbruch und schüttelt den Kopf. Er ärgert sich, dass hier immer noch Granit abgebaut wird. "Pietätlos", sagt Krapf.

Pietätlos? Nein, findet Steinbruch-Betreiber Wolfgang Baumann, im Gegenteil. Von ihm stammt der Satz, dass "nur ein 'lebender Steinbruch' den Besuchern vermitteln kann, unter welchen Schwierigkeiten und Entbehrungen seinerzeit die Häftlinge zur Arbeit gezwungen waren". Ein "lebender Steinbruch", das ist für Baumann ein Steinbruch, in dem die Bagger rollen. Und das Geschäft brummt.

Die Flossenbürger Steinbrüche waren der Grund, weshalb das Konzentrationslager dort im Jahr 1938 angesiedelt wurde. Durch gezielte Tötung und wegen der katastrophalen Bedingungen kamen mindestens 30 000 Menschen in Flossenbürg um. Nach der Befreiung durch die Amerikaner wurde der Steinbruch weiter betrieben. Erst in den Neunzigerjahren kam die professionelle Erinnerungsarbeit in Bewegung, inzwischen ist eine beeindruckende KZ-Gedenkstätte entstanden. Den Steinbruch aber hat der Freistaat nach dem Krieg immer wieder verpachtet, zuletzt 2004 an die Firma Baumann.

"Mit jedem Tag, an dem da weitergearbeitet wird, wird der Schaden größer", sagt Stefan Krapf, 40. Er ist so etwas wie das schlechte Gewissen des Freistaats, eine moralische Nervensäge. "Entweder man setzt sich für etwas ein oder nicht", sagt Krapf. Er überschwemmt Politiker und Behörden mit E-Mails und Briefen, in denen er ein Ende der Steinbrucharbeiten fordert. Oder er liegt auf der Lauer, macht Fotos oder Filme und dokumentiert, was im Steinbruch passiert.

Die Bilder und Videos kann man auf seiner Internetseite anschauen. Darauf sei zu sehen, wie an der historischen Abbruchkante Produktionsabfälle abgeladen werden. Am einzigen Fleck, an dem es nach 1945 keine Abbauarbeiten mehr gab, wo der Steinbruch unverändert geblieben ist. Dort, wo die KZ-Häftlinge schuften mussten, sagt Stefan Krapf, werde die Erinnerung regelrecht verschüttet.

Die Firma Baumann dagegen beteuert, dass an der historischen Abbruchkante "keine Arbeiten durchgeführt" worden seien, damit "der ursprüngliche Zustand erhalten bleibt". Dies sei mit dem Freistaat so geregelt. Dass sich an der historischen Abbruchkante trotzdem Felsbrocken türmen, dazu steht nichts in der Mitteilung der Firma. Dagegen räumt das Landratsamt Neustadt an der Waldnaab ein: "Herabrollende Gesteinsbrocken der gegenüberliegenden Abbauwand sind aufgrund des steilen Geländes nicht zu vermeiden."

Der Freistaat muss seine Vereinbarungen einhalten

Auch Jörg Skriebeleit, der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, ist nicht glücklich darüber, dass der Steinbruch immer noch in Betrieb ist: "Mich bekümmert der Zustand von historischen Relikten." Doch als Gedenkstättenleiter, sagt Skriebeleit, sei er letztlich nur "Treuhänder über dieses Areal". Über die Pachtverträge mit dem Freistaat könne er sich nicht hinwegsetzen. Und was sagt der Freistaat?

Praktisch das Gleiche. "Leider können wir uns nicht über die komplexen Eigentums- und Pachtverhältnisse und die daraus resultierenden Rechtsverbindlichkeiten hinwegsetzen", schrieb Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, kürzlich an Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, die ebenfalls einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Steinbruch fordert.

Konzentrationslager Flossenbürg

Die Häftlinge mussten im Steinbruch arbeiten, dort wurde auch das Essen ausgegeben.

(Foto: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg)

Mit anderen Worten: Der Freistaat kann sich nicht gegen die Vereinbarungen wehren, die er selbst mit der Betreiberfirma des Steinbruchs getroffen hat. Allerdings, versichert Freller, habe er "keine Zweifel, dass die zuständigen Behörden alles unternehmen, um den Erhalt der noch vorhandenen Relikte" zu gewährleisten.

Die zuständigen Behörden, das sind in erster Linie das Landesamt für Denkmalpflege und das Landratsamt Neustadt an der Waldnaab. Bereits im vergangenen Oktober hat Stefan Krapf dem Landrat geschrieben, dass die Firma Baumann auch dort Abraum deponiere, wo sie sich verpflichtet hat, kein Granit abzubauen: an der historischen Abbruchkante. Man habe diesen Hinweis geprüft und sei zum Ergebnis gekommen, dass "die Häftlingswand in ihrem Kernbestand nicht beeinträchtigt" sei, teilt das Landratsamt dazu mit.

Immerhin, im Jahr 2025, wenn der Pachtvertrag ausläuft, gibt es eine neue Chance, den Steinbruch stillzulegen - und das Gelände in die KZ-Gedenkstätte zu integrieren. Als Vorbild könnte die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers im österreichischen Mauthausen dienen. Auch dort mussten die Häftlinge im Steinbruch schuften. Heute ist dieser Steinbruch Teil des Gedenkstättenareals.

Bis zum Jahr 2025 will Stefan Krapf freilich nicht warten. Er wird weiter dafür kämpfen, dass der Steinbruch so gut wie möglich erhalten bleibt. Er wird weiter Briefe und E-Mails schreiben, auch wenn Politik und Behörden seinen Kampf bisweilen "alarmistisch" nennen und argwöhnen, es gehe ihm gar nicht um die Erinnerung, sondern um den Erhalt des Wurmsteins. So heißt der Berg, der durch die Steinbrucharbeiten offenbar teilweise abgetragen wird. "Völliger Schwachsinn", sagt Krapf. Man wolle ihn "für plemplem erklären", weil er kritische Fragen stelle. Die Opfer der Nazi-Herrschaft jedenfalls danken es ihm. Im März zeichnete ihn eine französische Organisation von KZ-Überlebenden mit einer Ehrenmedaille aus.

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