Filmwirtschaft in Bayern boomt:Fast jede Region hat ihren eigenen Krimi

Mehr als 100 Serien und Fernsehfilme wurden 2011 in Bayern gedreht. Der Freistaat ist einer der wichtigsten Filmstandorte in Europa. Das poliert das Image Bayerns. Auch viele regionale Betriebe profitieren vom Film-Boom.

Sarah K. Schmidt

Drei Haudegen und ein jugendlicher Heißsporn fechten sich durch das Frankreich des 17. Jahrhunderts - für die Ehre, den König, die Frauen. Eine abenteuerlustige Damentruppe verdient sich im erzkatholischen Marienzell mit Telefonsex etwas dazu. Der kleine Ben muss dem Weihnachtsmann helfen, damit Waldemar Wichteltod das Christfest nicht ruiniert.

Dreharbeiten zu Kommissar Kluftinger. Milchgeld

Dreharbeiten zu "Milchgeld": Schauspieler Herbert Knaup als Kommissar Kluftinger (rechts) posiert mit seinem Bruder Karl Knaup (links).

(Foto: dpa)

Alle Geschichten haben etwas gemeinsam: Sie liefen dieses Jahr im Kino - und sie wurden in Bayern gedreht. Der Freistaat ist einer der wichtigsten Filmstandorte, deutschland- und europaweit. Das Herz der hiesigen Filmbranche ist München mit der Constantin Film AG und dem Bavaria-Konzern, die zusammen mehr als 2000 Mitarbeiter beschäftigen. 2010 setzten sie gemeinsam mehr als 700 Millionen Euro um.

"Alle Unternehmen, die man für die Erstellung eines Filmes braucht, liegen in Laufweite - ein riesiger Vorteil", sagt Achim Rohnke, Geschäftsführer der Bavaria Film GmbH. Mehr noch als für Kinofilme ist die Filmregion für Fernsehformate bekannt. Mehr als 100 Serien und Fernsehfilme wurden 2011 gedreht: "Um Himmels Willen" in Niederbayern, "Bamberger Reiter" in Oberfranken, "Kommissar Kluftinger" in Memmingen und Kempten.

"Fast jede Region hat mittlerweile ihren eigenen Krimi", sagt Anja Metzger vom FilmFernsehFond Bayern (FFF). Der FFF hat den Überblick über sämtliche Dreharbeiten, denn ohne seine Finanzspritze kommt kaum eine Produktion aus. Die Gesellschaft, in der neben dem Freistaat öffentlich-rechtliche und private Fernsehanstalten zusammenwirken, ist für die Filmförderung in Bayern zuständig.

Insgesamt 446 Projekte erhielten im Jahr 2010 Fördermittel aus der FFF-Kasse. Mit 60 Prozent den größten Anteil daran hat die Förderung von Kinofilmen: 17 Millionen Euro bekamen die Produktionen. Etwas mehr als drei Millionen Euro, knapp elf Prozent der Gesamtsumme von 28 Millionen Euro, gingen an Fernsehfilme. Eine Menge Geld - die sich rentiert. Denn die vom FFF geförderten Projekte, die zumindest zum Teil in Bayern produziert werden müssen, spülen dem Freistaat ein Vielfaches der Fördersumme zurück in die Kassen.

Der Bayern-Effekt, das Verhältnis zwischen dem gesamten Produktionsvolumen und der Förderung, beträgt für Kinofilme 433 Prozent, für Fernsehfilme 307 Prozent. Klaus Schaefer, FFF-Geschäftsführer: "Die Filmförderung hat eine Hebelwirkung. Jeder Euro der Fördergelder zahlt sich für Bayern in Form von Umsatz-, Einkommen- und Lohnsteuer aus." Außerdem profitieren regionale Hotels und Gastronomie von den großen Drehteams, die untergebracht und bewirtet werden müssen.

Und, so Schaefer, die Filmprojekte binden letztlich die Beschäftigten an die Region: "Filmschaffende leben da, wo sie Arbeit haben und kontinuierlich produzieren können." Kontinuität schaffen in Bayern insbesondere die Serienformate. Neben der Finanzierung von Filmprojekten bietet der FFF Informationen und Beratung an.

Eine Unterabteilung des Fonds, die Film Comission Bayern, ist die erste Anlaufstelle bei Dreharbeiten. Leiterin Anja Metzger beschreibt ihre Aufgabe so: "Wir informieren über Fördermöglichkeiten, Studiokapazitäten, die Postproduktion und helfen bei der Motivsuche." Gerade für internationale Produktionen sei es wichtig, am Ort kompetent informiert zu werden. "Wir sind sehr eng vernetzt mit den städtischen Behörden, dem Verwaltungsreferat und dem Polizeipräsidium", sagt Metzger.

Das Alpenpanorama lockt die Touristen

Besonders stolz ist sie darauf, dass es mit ihrer Hilfe gelungen ist, für "Die drei Musketiere" Genehmigungen für alle Drehorte zu erhalten. "Mit der Schlösser- und Seenverwaltung mussten wir da viel diskutieren", erinnert sich Metzger. "Herrenchiemsee und Neuschwanstein sind ja keine Orte, an denen man mit 300 Leuten Produktionsteam anrücken kann." Anja Metzger hat bei ihren Verhandlungen gute Argumente auf ihrer Seite, denn "Bayern profitiert nicht nur wirtschaftlich von der Filmbranche, sondern auch durch den Imageeffekt".

Wenn Alpenpanorama und Bayerischer Wald über die Bildschirme und Kinoleinwände flimmern, macht das die Regionen bekannt und lockt sogar den einen oder anderen Touristen an den Drehort seiner Lieblingssendung. Einige Orte bieten bereits spezielle Führungen an, bei denen die Filmschauplätze besichtigt werden.

Bayern, aber auch andere deutsche Filmstandorte tun einiges für ihre Attraktivität. "Vor allem Berlin und Nordrhein-Westfalen rüsten stark auf", weiß Uschi Reich, seit 1997 Geschäftsführerin der Bavaria Filmverleih und Produktions GmbH. Nicht nur Förderung und eine gute Infrastruktur tragen zur Attraktivität eines Standorts bei. Berlin kann in ganz anderer Hinsicht gegenüber München punkten: mit niedrigen Wohnungspreisen und Lebenshaltungskosten.

"Viele qualifizierte Leute, die in Bayern ausgebildet wurden, gehen nach Berlin. Fast kein junger Schauspieler, Autor oder Regisseur hat noch seinen Wohnsitz in München", so Reich. Kaum eine Branche ist so mobil und ortsunabhängig wie die Filmindustrie: Produzenten, Regisseure, Schauspieler, Kameraleute, Beleuchter - die meisten von ihnen arbeiten selbstständig und reisen von Projekt zu Projekt.

Martin Moszkowicz, Filmproduzent und Vorstand des Bereichs Film und Fernsehen der Constantin Film AG pflichtet Reich bei, auch er beobachtet die Abwanderung nach Berlin. "Auf einen Konkurrenzkampf sollte Bayern sich aber nicht einlassen", sagt er. Wichtiger sei es, an den eigenen Schwachstellen zu arbeiten. Am meisten mangele es Bayern an Studiokapazitäten für große Kinoproduktionen. Anders als die Babelsberg-Studios in Potsdam sind die Hallen auf dem Bavaria Gelände fast ganzjährig von Fernsehformaten belegt.

Doch die Pläne für eine 2500 bis 3000 Quadratmeter große Studiohalle mit neuster Technik sind bereits konkret. Der letzte Schritt vor Baubeginn ist die Genehmigung eines Zehn-Millionen-Euro-Budgets durch den Haushaltsausschuss im Landtag. "Wenn die Gelder genehmigt sind, könnte die ,Filmhalle mit Köpfchen' innerhalb eines Jahres gebaut werden", so Bavaria-Chef Achim Rohnke. Ein wichtiger Schritt, damit auch in Zukunft Großprojekte für die Kinoleinwand aus Bayern kommen.

Denn in der Filmbranche besteht nicht nur zwischen den deutschen Standorten Konkurrenz: "Der Produktionszirkus ist frei, man kann fast alles überall auf der Welt drehen", sagt Moszkowicz. Doch andersrum lässt sich auch in Bayern die ganze Welt drehen, jedenfalls fast: "Außer Meer und Wüste haben wir alles", weiß Rohnke. Dann fällt ihm ein: "Für Wickie haben wir sogar ein Meer-Motiv gefunden - den Walchensee."

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