Filmkulisse:Auf den Spuren von Lilo Pulver

Kreuz und quer aus dem Spessart

Aus dem Fenster dieses Turms seilte sich im Film der Räuberhauptmann ab und schwamm in die Freiheit.

(Foto: Daniel Peter)

"Das Wirtshaus im Spessart" treibt Fans bis heute nach Mespelbrunn

"Ach Lilo!", entfährt es den Kollegen, als sie vom Ausflug in den Spessart hören. Mit glasigen Augen geraten beide Männer ins Schwärmen: "Diese Haare, diese Augen!" Für alle, die "Das Wirtshaus im Spessart" zuletzt 1958 anschauten oder die Gnade der späten Geburt genießen: Liselotte Pulver gibt die von grimmigen Räubern aus dem dubiosen Wirtshaus entführte Komtesse. Aber ein Handwerksbursche tauscht mit ihr die Kleider, sie kann fliehen - und reitet in Männerkleidern zu den Räubern zurück, weil der Vater das Lösegeld nicht zahlen will. Sie verliebt sich im Räuberlager in den Hauptmann (Carlos Thompson), der noch dazu italienischer Graf ist, und entkommt so der Hochzeit mit einem bräsigen Baron.

Gedreht wurde der Film unter anderem auf Schloss Mespelbrunn. Bis heute pilgern Lilo-Fans aus aller Welt zum Wasserschloss im Wald. Nebelschwaden hängen auch an diesem Tag über dem Garten. Blätter rauschen, Vögel rufen, Enten schwimmen auf den Teichen. Wie im Film. Plötzlich motzt ein Lieferant am nahen Hotel laut in sein Handy, willkommen im Jetzt. Die Familie von Ingelheim lebt seit Generationen im Renaissanceschloss, nach dem Zweiten Weltkrieg öffnete sie den Nordflügel für Besucher, mittlerweile dürfen Verliebte sogar dort heiraten. Allen anderen bleibt der Souvenirshop.

Die Vorlage für die Spessart-Schmonzette ist die Erzählung von Wilhelm Hauff, der schon 1826 die Legenden von den Spessarträubern verewigte. Nur dass bei Hauff eingebettete Geschichten wie "Das kalte Herz" die Hauptrolle spielen und am Schluss wieder Ordnung herrscht im Schloss. Dass die Gräfin mit dem Räuberhauptmann durchbrennt: undenkbar. Davon, dass einst Räuberbanden im dichten Waldgebiet unterwegs waren, kann man ausgehen. Der Boden ist karg, die Menschen waren arm, der Wald dicht und die Salzstraße führte durch das Gebiet. Die umliegenden Gemeinden versuchen heute, von diesen Geschichten zu profitieren: Der Tourismusverband im Main Viereck nennt sich "Räuberland", die Kreuzwertheimer Spessart-Brauerei bewirbt ihr Helles mit Karikaturen einer drallen Blondine als Räuberbraut und das Dunkle mit einem Hotzenplotz-Verschnitt. Wenn die Räuber nicht mehr ziehen, kommen Märchen aufs Tableau: Lohr am Main nennt sich Schneewittchen-Stadt, auch wenn die Statue des Maskottchens einer Horrorfigur gleicht.

Wer abseits des Mespelbrunner Schlosses nach dem Wirtshaus im Spessart sucht, darf sich nicht irritieren lassen: Kopien gibt es zuhauf. Welches Wilhelm Hauff inspirierte, ist umstritten. Die einen schwören auf den alten Gasthof in Rohrbrunn, einem Ortsteil Weibersbrunns. Er musste der Autobahn weichen. Infrage kommt auch der Gasthof zur Post im Hessenthal, an der Straße zwischen Mespelbrunn und Weibersbrunn. Geöffnet hat das Haus nicht mehr.

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