Feuer im Rathaus:Straubing hat mehr als nur ein Gebäude verloren

Rathausbrand in Straubing

Der Dachstuhl des historischen Rathauses in Straubing ist nur noch ein Gerippe aus verkohlten Holzbalken.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • "Das ist ein Straubinger Wahrzeichen. Und jetzt ist nichts mehr da": Nach dem Brand im Rathaus sind viele Menschen in Straubing noch entsetzt.
  • Das Feuer war am Freitagnachmittag ausgebrochen und hatte binnen kürzester Zeit den historischen Zeil des mehr als 600 Jahre alten Hauses zerstört.
  • Die Giebelfassade des Rathauses ist nun einsturzgefährdet, der Glockenturm wurde aus Sicherheitsgründen bereits abgetragen,

Von Andreas Glas, Straubing

Zwei Tage danach hängt kein Qualm mehr über dem Rathaus, sondern dichter Nebel. Auf dem Stadtplatz ziehen die Marktleute die Rollladen nach oben, wischen die Tische vor ihren Buden, stapeln Glühweintassen, gleich öffnet der Christkindlmarkt. Die Straubinger wollen zurück zur Normalität, aber "der Schock ist riesig", sagt Angela Buhrke, während sie Engelsfiguren in der Auslage ihrer Bude aufstellt. Als am Freitag die ersten Rauchschwaden über den Stadtplatz zogen, da habe sie "gedacht, dass bei der Nachbarin die Mandeln angebrannt sind".

Nur wenige Minuten später schlugen die Flammen meterhoch aus dem Dach und den Fenstern des Rathauses. "Wir haben alles reingeräumt, unsere Hütte zugemacht und sind schnell weg", sagt Angela Buhrke. Zwei Tage danach steht die Hütte da, als wäre nichts gewesen. Das Straubinger Rathaus dagegen liegt in Schutt und Asche.

"Das ist ein Straubinger Wahrzeichen. Und jetzt ist nichts mehr da", sagt Rainer Heimann. Seit Freitag habe er kaum geschlafen, sagt der Stadtbrandrat und sagen seine Augenringe. Er steht neben einem Bauzaun, dahinter haben Bauarbeiter ein Gerüst aufgebaut. Sie sind angerückt, um zu verhindern, dass die Giebelfassade des Rathauses einstürzt. Den Glockenturm haben sie bereits abgetragen, die meterhohen Rußflecken an der Fassade verraten, wie heftig die Flammen aus den Fenstern schlugen.

Am Freitag, gegen 15.45 Uhr, war der Alarm bei der Feuerwehr eingegangen, ein paar Minuten später waren Einsatzleiter Heimann und seine Feuerwehrkollegen zur Stelle. Der Dachstuhl brannte da schon lichterloh, die Flammen hatten sich blitzschnell ausgebreitet. "Wir haben schon bei der Anfahrt gesehen, dass wir da nichts mehr retten können", sagt Heimann, "da hätte ich niemanden reinschicken können, das wäre tödlich gewesen."

Zumindest, sagt Heimann, habe man verhindern können, dass sich das Feuer auf andere Häuser in der Altstadt ausbreitet. Über Drehleitern spritzten die Feuerwehrleute direkt in den offenen Dachstuhl, es dauerte mehrere Stunden, bis der Brand unter Kontrolle war. "Meine Hochachtung, wie das alles funktioniert hat", sagt eine ältere Dame, die gerade über den Stadtplatz spaziert, und legt ihre Hand auf Rainer Heimanns Schulter: "Ich könnte immer wieder weinen, wenn ich da oben hinschaue." Und als die Dame das sagt, treibt es auch Heimann die Tränen in die Augen.

Mit dem Rathaus hat Straubing am Freitag einen Teil seiner Geschichte verloren. Seit dem Jahr 1382 wird das historische Gebäude als Rathaus genutzt. Der Rathaussaal mit seinen gotischen Fenstern war ein Zeugnis der mittelalterlichen Tradition Straubings - nun ist er komplett zerstört. Nur noch die Außenmauern stehen, das Feuer hat die Ziegel freigelegt, der Dachstuhl ist ein Gerippe aus verkohlten Holzbalken. Auch der Sitzungssaal, in dem der Stadtrat tagt, ist verwüstet; der Blaue Salon ist durch das Löschwasser schwer beschädigt, die Stuckdecke droht einzustürzen. Immerhin: Die Gebäudeflügel, in denen die meisten Büros der Rathausverwaltung untergebracht sind, haben den Brand vergleichsweise gut überstanden.

"In Wirklichkeit ist vielen von uns zum Heulen zumute."

"Es geht weiter", sagt Markus Pannermayr, "was wir aufbauen können, werden wir wieder aufbauen." Der Oberbürgermeister steht breitbeinig neben dem Rathaus, hat die Hände in die Jackentaschen gestemmt, gibt sich kämpferisch. "Natürlich hat es auch den Moment gegeben, in dem man seinen Gefühlen freien Lauf lässt", sagt Pannermayr (CSU), aber als Oberbürgermeister müsse er jetzt Tatkraft demonstrieren und Ruhe. Neben dem OB steht Baureferent Wolfgang Bach mit feuchten Augen und sagt: "In Wirklichkeit ist vielen von uns zum Heulen zumute."

Das Wichtigste sei, dass niemand verletzt wurde, sagt OB Pannermayr. Statt zu jammern, zählt er die positiven Dinge auf: Es gebe inzwischen wieder Strom, auch die auf den Verwaltungscomputern gespeicherten Daten seien gerettet. "Der weitaus größte Teil der Verwaltung" werde am Montag "wieder arbeiten können", sagt Pannermayr, dessen Büro ziemlich verqualmt gewesen sei, den Brand aber glimpflich überstanden hat. Für die Stadtratssitzungen werde man vorerst in die Räume der städtischen Ausstellungs- und Veranstaltungs GmbH umziehen.

Und dann, sagt Pannermayr, sei da noch der große Zusammenhalt der Straubinger Bürger, der ihn glücklich mache. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe ihm zugesichert, "eine Strategie zu entwickeln, uns zu unterstützen bei möglichen Kosten, die durch die Versicherung nicht abgedeckt werden können". Erste Gespräche soll es am Dienstag im Kabinett geben. Ratlos antwortet der OB dagegen auf die Frage nach der Brandursache. Dass Arbeiten am Dachstuhl des Rathauses das Feuer ausgelöst haben, dafür gebe es "zurzeit keine Indizien". Warum das Rathaus abgebrannt ist, prüfen nun Ermittler der Kripo.

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