Fernseh-Dokumentation:Was vom Traumhaus übrigblieb

Der BR hat 25 Eigenheime aus seiner Serie "Traumhäuser" ein zweites Mal besucht. Was ist geworden aus all den Plänen und Sehnsüchten der Bewohner?

Von Gerhard Matzig

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Loriot ist tot

Quelle: dpa

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Es ist eine so herrliche Sofa- Szene, wie sie sich auch der unvergessene Loriot (hier auf einem ganz anderen Sofa) nicht besser hätte ausdenken können. Also: Das Sofa, ein Zweisitzer, ist rot. Links steht eine weiße Lampe, rechts steht eine weiße Lampe, links ruht ein weißes Kissen, rechts ruht dito ein weißes Kissen. Auf der rechten Seite sitzt Eckhart Hellmuth, links von ihm seine Frau Doris.

Er, Professor für die Geschichte Westeuropas im Ruhestand (der Professor, nicht die Geschichte Westeuropas), hat das rechte Bein über das linke Knie geschlagen. Sie, die Gymnasiallehrerin, hat ebenfalls das rechte Bein über das linke Knie geschlagen. Er hält die Hände im Schoß gefaltet, sie hält die Hände gleichfalls im Schoß gefaltet. Er räuspert sich, sie räuspert sich auch. Dann, etwas später, sagt Doris: "Was hast du gesagt?" Und Eckhart sagt: "Ich habe noch gar nichts gesagt."

Nein, an dieser Szene ist ernsthaft eigentlich gar nichts lächerlich. Und selbst wenn die Sprecherin in diesem bemerkenswerten 45-minütigen Film des Bayerischen Rundfunks ("Ein Haus mit Gauben") aus dem Off unfreiwillig komisch anmerkt, dass der Hund der Hellmuths, ein Labrador Retriever namens Sam, mittlerweile leider tot sei, aber dafür sähe man den sehr schönen Freischwinger-Stühlen von Marcel Breuer, die im Esszimmer akkurat den ebenfalls sehr feinen Tisch umstehen, ihre 40 Jahre kaum an, selbst dann neigt man nicht zum Lachen - sondern ist berührt.

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Quelle: BR

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Die zentrale Frage ist: Wie verändern Menschen ihre Häuser - und umgekehrt?

Denn hier sitzt das Glück auf dem Sofa. Am liebsten würde man sich ja dazusetzen, mitten hinein in diese besondere Liebesgeschichte, wie sie das Leben eigentlich kaum je schreibt. Allerdings geht es hier nicht um die Liebe zweier Menschen zueinander (obschon die respektvolle Zuneigung eines älteren Paares wie mit Händen zu greifen und ebenfalls bemerkenswert ist in Zeiten der 60-Prozent-Scheidungsquote); tatsächlich geht es um die Liebe zu einem Haus.

(Nürnberg, 2016. Das "Haus mit den drei Höfen" ist heute grün umrankt und kaum wiederzuerkennen.)

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Genau das ist das Besondere an diesem sehr kleinen Film, der von sehr großen Sehnsüchten handelt. Von Traumhäusern, die manchmal eher Albtraumhäuser sind. Im Falle der Hellmuths aber: ein Gefäß für das Glück. Mit Gauben dran und Dach darauf.

Das Haus, 176 Quadratmeter groß und 325 000 Euro teuer, ja preis-wert im Wortsinn, steht in Eichenau im Kreis Fürstenfeldbruck. Entworfen, gut entworfen, hat es der Architekt Michael Wimmer vom Münchner Büro 03 Architekten. Im Jahr 2005 wurde es fertig, die Hellmuths zogen ein und der BR nahm das Haus in seine hochgelobte Serie "Traumhäuser" auf. Zehn Jahre später wurde "Haus Hellmuth" wieder besucht, denn das BR-Team fragte sich, "wie verändern Menschen ihre Häuser und umgekehrt? Was würden Bauherren und Architekten heute anders machen?"

So ist eine 25-teilige Doku-Reihe über bayerische Architekturen und bayerischen Lebensläufe entstanden, "Traumhäuser wiederbesucht", die an diesem Sonntag startet. Im ersten Beitrag geht es jedoch noch nicht um die Hellmuths, sondern um ein "Haus mit drei Höfen". Ein Bild von 2006 zeigt es nackt in seiner hölzernen Konstruktion. 2016 ist daraus ein grün umranktes, vollständig eingewachsenes Naturgebilde geworden.

(Vor zehn Jahren stand das Haus noch nackt da.)

Traumhäuser Serie

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Das Bild sagt schon alles. Häuser verändern sich. Den Menschen, die darin leben, geht es ebenso. Von Albert Schweitzer stammt diese Sentenz: "Erst bauen Menschen Häuser, dann bauen Häuser Menschen." Das heißt: Häuser verändern auch die Menschen. Gerade deshalb ist das BR-Experiment so spannend.

(München, 2008: Beim Einzug in ihr "Haus in zweiter Reihe" war die Bauherren-Familie noch zu viert.)

Traumhäuser Serie

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Neben der Glücksgeschichte der Hellmuths gibt es natürlich auch allerlei Unbill, Seltsames, Verrücktes, Trauriges. Manchmal hat man das Gefühl, einem Traum beim Untergehen zuzusehen. Menschen, die einst im Zukunftsversprechen vom Eigenheim geeint waren, verweisen jetzt etwas ernüchtert auf die Scheidungsanwälte; Menschen, die sich eine grandiose Treppe gewünscht haben, sind jetzt gehbehindert; Menschen, die ein Haus für ihre Kinder erbaut haben, sind jetzt allein im zu großen Haus. Das Tragische, Komische und Glückliche dieser Sehnsuchtsgeschichten ist stets ausbalanciert. Niemand wird vorgeführt oder entblößt. Berührend sind alle Geschichten.

(Inzwischen hat die Familie drei Kinder.)

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Die seltsamste davon spielt übrigens nicht in Bayern und ist leider auch nicht im Bayerischen Fernsehen zu sehen. Man erinnert sich vielleicht an Christian Wulff, den Ex-Bundespräsidenten, der einst über die seltsame Finanzierung seiner Klinker-und-Walmdachverheißung in Großburgwedel gestolpert ist. Noch mehr aber über seine seltsame Kommunikation. Und noch viel mehr über die allerseltsamsten Medien und ihre obszönen Hetzjagden. Jedenfalls: Es gibt ein Bild von Wulff, im Garten des Traumhauses stehend, mit dem Gartenschlauch zu Gange. Es ist die Chiffre vom Eigenheimglück.

(Oberstdorf, 2006: Das "Holzhaus im Allgäu". In den vergangenen zehn Jahren hat es Patina angesetzt.)

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Wenig später musste er nicht nur Haus und Gartenschlauch in Großburgwedel verlassen, sondern auch den Amtssitz Schloss Bellevue. Noch etwas später wurde er auch von seiner Frau Bettina verlassen. Traurige Sache, trauriger Mann. Und jetzt? Hat das wiedervereinte Paar gerade eben erst ein neues Grundstück in Großburgwedel gekauft, um darauf ein neues Haus zu bauen. Man drückt ja ganz fest die Daumen und rät: lernen von den Hellmuths, die wissen, wie das geht, das große Ding mit dem kleinen Glück. Was würden die Hellmuths heute anders machen? Nichts. Und die Wulffs? Alles. Beides ist wohl sehr richtig so.

Die 25-teilige Dokuserie "Traumhäuser wiederbesucht" läuft vom 5. Juni an immer sonntags um 15.15 Uhr im Bayerischen Rundfunk.

© SZ vom 04.06.2016/vewo
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