Familienpolitik:Plötzlich erkennt die CSU Missstände in der Familienpolitik

Oktoberfest 2014 - Trachtenumzug

Ein idylisches Bild, wie man es aus Bayern kennt - nur bröckelt manches CSU-Idyll. Etwa die Vorstellung vom Familienbild.

(Foto: Marc Müller/dpa)
  • Nach der Schlappe bei der Bundestagswahl soll nun die Sozialpolitik bei der CSU wieder mehr in den Fokus gerückt werden.
  • Die CSU-Fraktion hat einen einseitigen Antrag "für eine familiengerechte Arbeitswelt in Bayern" eingebracht.
  • Dessen Inhalt verwundert: Denn statt sich wie bisher selbst zu loben, schlägt die CSU kritische Töne bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie an.

Von Lisa Schnell

Bei der Debatte, wie die CSU nach ihrem Wahldebakel bei der Bundestagswahl eine ähnliche Misere in Bayern 2018 vermeiden kann, ging es bis jetzt vor allem um Personen. Um die Frage, ob Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer gehen soll oder bleiben, und wenn zweiteres, wie lange noch und in welchem Amt. Aber auch inhaltlich schaltet die CSU im Landtag in den Wahlkampfmodus um.

Dass es nur noch ein Jahr bis zur "Mutter aller Schlachten" ist, wie Seehofer die Landtagswahl 2018 nannte, lässt sich an einem kleinen Stück Papier ablesen. Der aktuelle Antrag der CSU-Fraktion "für eine familiengerechte Arbeitswelt in Bayern" ist nur eine Seite lang. Sein Inhalt aber hat nicht nur bei der Opposition Erstaunen ausgelöst. Anstatt der üblichen Lobreden auf das Familienland Bayern finden sich Aussagen, die sonst mehrheitlich von der Opposition zu hören sind.

Nur ein Viertel der bayerischen Eltern sei der Auffassung, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland in den vergangenen Jahren insgesamt verbessert hat, wird angemahnt. Mehr als ein Drittel könne gar keine Verbesserung feststellen - und das trotz der Anstrengungen der Regierung. "Das muss sich ändern", lautet die Botschaft der CSU-Abgeordneten an die von ihrer eigenen Partei geführten Staatsregierung.

Wie bemerkenswert der neu angeschlagene Ton der CSU-Fraktion ist, zeigt sich am besten im Vergleich mit anderen Anträgen der Fraktion. Noch im Mai wurde die Sozialpolitik der Staatsregierung ausschließlich gefeiert, etwa in einem Antrag zum vierten Sozialbericht. Dieser zeige, dass die soziale Lage in Bayern so gut sei wie nie zuvor, heißt es in dem Papier. Als einzige Aufgabe wurde der Staatsregierung aufgetragen: Weiter machen wie bisher, alles ist wunderbar.

Dies mag manche verwundern, da die Missstände, auf die von der CSU nun verwiesen wird, nicht neu sind. Seit Jahren reiht sich Bayern bei der Ganztagsbetreuung hinten ein. Auch der Ärger über die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf erklingt nicht zum ersten Mal. Die Zahlen, auf die sich die CSU-Abgeordneten in ihrem Antrag beziehen, stammen ausgerechnet aus dem Sozialbericht, der im Mai von der Fraktion noch als Beweis für die herausragende Politik der Staatsregierung herangezogen wurde.

Die Sozialpolitik ist wieder mehr in den Fokus gerückt

Was also ist passiert? Joachim Unterländer ist bei der CSU und leitet den Sozialausschuss im Landtag. Er hat sowohl die Lobeshymne auf die bayerische Sozialpolitik miterarbeitet, wie auch den jetzigen Antrag, der auf Mängel hinweist. Einen Widerspruch kann er darin nicht erkennen. Es sei vielleicht richtig, dass die CSU weniger auf Missstände im Freistaat hinweise, aber man sei ja auch mit vielem zufrieden, sagt Unterländer. Richtig sei aber auch, dass die Sozialpolitik bei der CSU nach der Wahl wieder mehr in den Fokus gerückt sei. "Wir müssen die Sorgen von den Menschen aufnehmen, die das Gefühl haben vom Vorwärtstrend abgehängt zu sein", sagt Unterländer. Für die müsse die CSU ein Auffangbecken sein.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer betonte Teilnehmern zufolge bei seiner parteiinternen Analyse der CSU-Niederlage bei der Bundestagswahl soziale Themen. Neben der Flüchtlingspolitik seien die sozialen Sorgen der Menschen ein Grund dafür gewesen, warum sie AfD gewählt hätten. Die CSU müsse sich Themen wie Rente, Pflege und Familie mehr annehmen, gab Seehofer die Richtung für die bevorstehende Landtagswahl aus.

Ein Imageproblem in der CSU

Auch wenn Seehofers Wort als angeschlagener CSU-Chef an Durchschlagskraft verloren haben mag, sein Kurs, das "S" in der CSU wieder mehr zu betonen, findet seine Unterstützer. Ein Mitglied attestiert seiner Partei vor allem in der Familienpolitik ein Imageproblem. Viele verbänden mit der CSU ein verstaubtes Familienbild wie aus den Fünfzigerjahren, in dem die Frau zu Hause bleiben müsse und der Mann arbeiten gehe. Dass dem nicht so sei, müsse auch im Landtagswahlkampf betont werden. Mittags- und Ganztagsbetreuung könnten da durchaus Themen sein.

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher sieht schon die Plakate vor sich: "Kostenfreier Kindergarten. Mehr Erzieherinnen und Erzieher" und darunter das Logo der CSU. "Themenklau", nennt er das und verweist auf die Massen an Anträgen der SPD, in denen auf die Missstände bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Bayern hingewiesen wurde. Die CSU habe sie immer abgelehnt.

Rinderspacher kennt das schon. Bei der letzten Wahl sei es nicht anders gewesen, als die CSU beim Thema Bildung plötzlich Missstände entdeckt habe. Nur darauf hinzuweisen aber genüge nicht, man brauche auch die richtigen Konzepte. Die sieht Rinderspacher klar bei seiner eigenen Partei. "Der Wähler wird den Schwindel durchschauen", hofft er. Andere erinnern sich: Einfach nur das Thema übernehmen, das reiche bei der CSU oft schon.

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