Fall Schottdorf:Polizist kritisiert Generalstaatsanwalt

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Stephan Sattler hat beim LKA die Sonderkommission Labor geleitet. Im U-Ausschuss erhob er jetzt schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft. (Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Im Untersuchungsausschuss Labor zum Fall Schottdorf erhebt ein Kriminalkommissar schwere Vorwürfe gegen die bayerische Justiz.
  • Der 52-Jährige sagt aus, dass die Staatsanwaltschaft Verfahren gegen beteiligte Ärzte behindert haben soll.
  • Der Laborunternehmer Bernd Schottdorf hat seinen Kunden - mehrere Tausend niedergelassenen Ärzten - für bestimmte Laboruntersuchungen bei Privatpatienten einen Rabatt eingeräumt.

Von Stefan Mayr, München

Stephan Sattler sitzt im Nadelstreifenanzug auf dem Zeugenstuhl des Untersuchungsausschusses Labor und erzählt Dinge, die er als Ermittler des Landeskriminalamtes erlebt hat. Falls es zutrifft, was er berichtet, dann wird in Bayerns Justiz offenbar nicht immer nach Recht und Gesetz gehandelt, sondern mitunter auch nach persönlichem oder politischem Gutdünken. Der 52-jährige Kriminalkommissar berichtet von "dubiosen" Einstellungen von Ermittlungsverfahren. Von einer Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft München, dass "trotz geklärter Rechtslage" keine weitere Durchsuchungsbeschlüsse mehr ausgestellt werden dürfen. Und von einer mutmaßlichen Rechtsbeugung durch einen Staatsanwalt, die "weggedealt" worden sei, weil die damalige Justizministerin Beate Merk nicht in der Zeitung habe lesen wollen, dass es in Bayern einen bestechlichen Staatsanwalt gibt.

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Stephan Sattler war von November 2006 bis August 2008 Leiter der Sonderkommission Labor. Diese sollte ermitteln, ob sich der Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf mit seinem umstrittenen Abrechnungssystem des Betrugs schuldig gemacht hat. Der Untersuchungsausschuss seinerseits will klären, ob die bayerische Justiz ihre schützende Hand über Schottdorf und die verdächtigen Ärzte gehalten hat oder nicht.

"Wir waren wie vor den Kopf gestoßen"

Die Soko Labor hatte anfangs 18 Mitarbeiter, bei einer Durchsuchungsaktion in Schottdorfs Firmenzentrale stellte sie umfangreiches Material sicher. Danach gab es laut Sattler ein "einschneidendes Datum": Am 23. Oktober 2007 habe der zuständige Staatsanwalt der Sonderkommission mitgeteilt, es gebe eine "strikte Anweisung" von der Generalstaatsanwaltschaft, dass es keine weiteren Durchsuchungsbeschlüsse mehr geben darf. Obwohl die Soko Tausende verdächtige Ärzte aufgelistet hatte, sollte lediglich ein einziges Verfahren gegen einen Münchner Arzt "hochgezogen" werden. Ziel dieses Verfahrens sei laut Generalstaatsanwalt gewesen: "Rechtssicherheit zu bekommen". Sattler kann diesen Schritt nicht nachvollziehen: "Wir waren wie vor den Kopf gestoßen, denn wir hatten doch Rechtsklarheit durch ein Urteil des Landgerichts Regensburg und durch einen Strafbefehl des Amtsgerichts Hof." Man hätte das Verfahren "locker laufen lassen können", betont Sattler. Stattdessen habe man den Staatsanwalt "verfahrenstechnisch nackig gemacht".

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Es war nicht das einzige Erlebnis, das Sattler nicht nachvollziehen konnte. So habe die Staatsanwaltschaft auf Weisung von oben auch den Verdacht der Rechtsbeugung gegen den Augsburger Staatsanwalt Uwe H. "wegdealen müssen". H. habe einst diverse Ermittlungsverfahren "unter dubiosen Umständen" eingestellt - auch eines gegen Bernd Schottdorf. In diesem Zusammenhang wurde später auch gegen Schottdorf ermittelt - wegen des Verdachts auf Bestechung. Schottdorf hatte H. ein zinsgünstiges Darlehen gegeben. Im Gegenzug hatte der Beamte schriftlich versprochen, er werde sich beizeiten an diese Unterstützung erinnern. Das Ermittlungsverfahren wurde dann mit einem Strafbefehl beendet, laut Sattler habe Schottdorf damals mehr als 400 000 Euro Strafe bezahlt.

Vorwurf der Rechtsbeugung wurde "weggedealt"

Das Verfahren gegen den Staatsanwalt H. wurde unter überaus kuriosen Umständen beendet. In einem Prozess, der kurzfristig anberaumt und nicht öffentlich angekündigt worden war, verurteilte ihn das Landgericht München I zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Wegen Geldwäsche, Betrugs, Vorteilsannahme. Der Vorwurf der Rechtsbeugung fiel weg. Laut Sattler wurde dieser "weggedealt", obwohl es durchaus Hinweise gegeben hätte. Deshalb hat Sattler nach eigenen Angaben auch den zuständigen Staatsanwalt gefragt, warum dieser Vorwurf keine Rolle mehr spielte. Darauf habe er als Antwort bekommen: "Weil die Ministerin nichts von einem bestechlichen Staatsanwalt in der Zeitung lesen will." Auf Frage des Ausschussvorsitzenden Alexander König (CSU) stellte Sattler allerdings klar, dass er diese Aussage als "lockeren Spruch des Staatsanwaltes" werte. Wie diese Aussage zu bewerten ist - und ob wirklich die Rechtsbeugung durch einen bayerischen Beamten weggedealt werden musste, wird der Staatsanwalt demnächst im Untersuchungsausschuss klären.

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Bernd Schottdorf hat seinen Kunden - mehrere Tausend niedergelassenen Ärzten - für bestimmte Laboruntersuchungen bei Privatpatienten einen Rabatt eingeräumt. Die Ärzte rechneten diese Untersuchungen dann unter eigenem Namen mit den Kassen ab, dabei behielten sie den von Schottdorf gewährten Rabatt als Zugewinn in der eigenen Tasche. Diese Praxis wertete der Bundesgerichtshof 2012 höchstrichterlich als Betrug. Dennoch wurden Hunderte Ärzte nicht verurteilt, weil die Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen sie verjähren ließ. Stattdessen ermittelte sie mehr als zwei Jahre lang gegen Soko-Chef Stephan Sattler und dessen Kollegen Robert Mahler - unter anderem wegen des Verdachts auf falsche Verdächtigung und uneidliche Falschaussage. Wegen dieser Verfahren haben beide Polizisten eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat angestrengt.

© SZ vom 10.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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