Fall Peggy:Nun sind die Rechtsmediziner am Zug

Ein paar Knochensplitter haben die Ermittler in Lichtenberg gefunden, doch noch ist nicht klar, ob sie überhaupt von einem Menschen stammen. Erst nach der Untersuchung steht fest, ob es vielleicht doch noch Antworten gibt auf die vielen Fragen, die zwölf Jahre nach dem Verschwinden von Peggy immer noch offen sind.

Von Katja Auer

Nach vier Tagen hat die Polizei die Suche nach der Leiche von Peggy im oberfränkischen Lichtenberg am Donnerstag beendet. Die Ermittler hatten gehofft, in einem Anwesen am Marktplatz des 1100-Einwohner-Städtchens im Frankenwald das Mädchen zu finden, das 2001 im Alter von neun Jahren spurlos verschwand. Aufgetaucht sind nun ein paar Knochenstücke, aber es ist nicht klar, ob sie überhaupt von einem Menschen stammen. Oder von einem Tier. Oder aus dem Friedhof, der dort einmal war, denn das rosafarbene Haus steht direkt neben der Kirche.

Entsprechend verhalten fällt die Bewertung der Aktion von Polizeisprecher Jürgen Stadter am Donnerstag aus. "Es war richtig, dass wir es so gemacht haben", sagt er. Aber er räumt ein, dass man sich mehr erhofft habe. Immerhin hatten die Ermittler "nach einem möglichen Leichenablageort" gesucht. "Das Ziel war, dass wir sterbliche Überreste finden", sagt Stadter. Die Knochenfragmente werden nun von den Rechtsmedizinern in Erlangen untersucht, Ergebnisse sollen in etwa einer Woche vorliegen. Erst dann wird klar sein, ob es vielleicht doch noch Antworten gibt auf so viele Fragen, die zwölf Jahre nach dem Verschwinden von Peggy immer noch offen sind.

Tagelang wurde die Gegend um Lichtenberg im Landkreis Hof damals untersucht, aber das Mädchen tauchte nie wieder auf. Auch keine Leiche. 2004 wurde der geistig behinderte Gastwirtssohn Ulvi Kulac als Mörder zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hat er noch nicht angetreten, er sitzt wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Psychiatrie in Bayreuth. Nach wie vor zweifeln viele in Lichtenberg daran, ob der wahre Täter tatsächlich gefasst wurde.

Zu den Zweiflern gehören auch die Journalisten Ina Jung und Christoph Lemmer, deren Buch "Der Fall Peggy" gerade im Droemer Verlag erschienen ist. Mit Ulvi Kulac sei "nicht der Richtige verurteilt" worden, schreiben sie und zeigen angebliche Fehler im Ermittlungsverfahren auf. Sie präsentieren einen anderen Mann, der als Täter in Betracht komme. Auch der Anwalt Michael Euler glaubt nicht an die Schuld von Kulac und reichte kürzlich einen Wiederaufnahmeantrag beim Landgericht Bayreuth ein.

Alles Dinge, die nichts mit der Suchaktion und den Ermittlungen zu tun hätten, erklärt Oberstaatsanwalt Ernst Schmalz, der am Mittwoch selbst nach Lichtenberg gekommen war, um den Knochenfund zu verkünden. Es gehe nicht darum, einen neuen Täter zu finden. Stattdessen konzentriere man sich auf die Suche nach der Leiche. 2012 hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufgenommen, nach neuen Hinweisen und einigen Medienberichten. Dabei könne es "unter Umständen" nötig werden, die Ermittlungsergebnisse von damals "neu zu bedenken oder zu neu bewerten", sagt Schmalz.

Nun hätten sich neue Hinweise ergeben, auch wenn niemand sagen will, welche das konkret sind. Die Ermittler müssen sie aber als so bedeutsam eingestuft haben, dass sie die groß angelegte Suchaktion in Lichtenberg rechtfertigen. Der gesamte Hinterhof eines rosafarbenen Hauses wurde ausgebaggert und auch im Gebäude ließ die Polizei graben. Im Keller wurde ein Hohlraum vermutet, den ein Bodenradar angezeigt hatte, allerdings wurde am Donnerstag dort nichts entdeckt. Die Knochenreste fanden die Ermittler unter einem Anbau, der im Jahr 2001 noch nicht gestanden haben soll. Damals sei dort eine Art Sickergrube gewesen. Der Hof war frei zugänglich, sodass jeder dort etwas habe ablegen können, außerdem sei es möglich, dass das Mädchen beim Spielen in die Grube gestürzt sei, gibt der Oberstaatsanwalt zu bedenken. Theorie freilich alles, aber die Ermittler betonen das auch deswegen, weil gegen den Hausbesitzer kein Tatverdacht vorliege. Der Rentner, 66, ist wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft, aber im Fall Peggy wird nach Angaben des Staatsanwalts nicht gegen ihn ermittelt.

Man suche nach der Leiche, erklärt Schmalz, auch deshalb, weil die Situation für die Mutter des Mädchens immer noch belastend sei. Peggys Mutter, die längst aus Lichtenberg weggezogen ist, setzte große Hoffnung in die erneute Suchaktion. "Ich muss seit zwölf Jahren damit leben, keine Klarheit drüber zu haben, was mit meinem Kind geschehen ist. Ich kann nie damit abschließen", sagte sie der Bild-Zeitung.

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