Fall Mollath:Ein T-Shirt-Streit und seine Folgen

Die Argumente gegen Gustl Mollaths Freilassung stützen sich auf Beobachtungen des Klinikpersonals. Der Insasse bringe grundlos Mitarbeiter in Verbindung mit "faschistischen Terrortruppen", heißt es in einer Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Mollath erzählt eine ganz andere Geschichte, in der es um ein dubioses T-Shirt geht.

Von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer

Am 4. März 2013 gab das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eine Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft Nürnberg ab, es ging um den "Unterbringungsverlauf unseres Patienten, Herrn Gustl Ferdinand Mollath". Sechs Seiten umfasst das Schreiben und kommt wie die Stellungnahmen in den Jahren zuvor zu dem Ergebnis, aus psychiatrischer Sicht sei festzuhalten, dass "sich Herr Mollath therapeutischen Behandlungsangeboten" entziehe, was eine Einschätzung seines "psychopathologischen Zustandsbildes" erschwere. Und zwar insofern, als "die Behandler nahezu ausschließlich auf Verhaltensbeobachtungen und wenige getätigte Äußerungen" Mollaths angewiesen seien.

Aufgrund der so erzielten "Verhaltensbeschreibungen" könne die Klinik eines aber feststellen: Es könnten "keinerlei Hinweise ausgemacht werden, dass sich prognoserelevante Veränderungen im Hinblick auf die zu erwartende Gefährlichkeit" Mollaths ergeben hätten. Insofern sei "Sinn und Zweck der Maßregelvollzugsbehandlung nicht in Ansätzen erreicht". Man rate an, Mollath weiter unterzubringen.

Beobachtungen von Klinikmitarbeitern landen im Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Im März beantragte daraufhin die zuständige Staatsanwaltschaft die Fortdauer der Unterbringung, drei inhaltliche Zeilen umfasst die Verfügung: Aus der Stellungnahme der Klinik ergebe sich, am Zustand Mollaths habe sich "nichts geändert". Vor zwölf Tagen wiederum verwies die zuständige Strafvollstreckungskammer Bayreuth darauf, "Veränderungen" hätten sich nicht ergeben, die "Fortdauer der Unterbringung" werde insofern angeordnet. Nächster Prüfungstermin: 10. Juni 2014.

Es sind also in erster Linie Beobachtungen von Klinikmitarbeitern, die zur Einschätzung des Krankenhauses geführt haben, die wiederum Grundlage für das Plädoyer der Staatsanwaltschaft und den Beschluss des Bayreuther Gerichts sind, Mollath weiter in der Psychiatrie zu halten.

Was sind das für Beobachtungen? Auf eine weist die Klinik auf den sechs Seiten mit Nachdruck hin, diese sei "gesondert hervorzuheben". Es geht um ein Telefonat im Januar 2013. Mollath, der auf dem Gang telefonieren muss, habe "mehrfach den Nachnamen eines Pflegemitarbeiters" genannt und geäußert, "mit solchen Leuten" zurechtkommen zu müssen, die aufträten wie von einer "faschistischen Terrortruppe".

Derartige Leute, soll Mollath gesagt haben, "hätten in einem normalen Arbeitsverhältnis keine Chance, würden hier aber die Puppen tanzen" lassen. Und weiter: "Seitens des Pflegemitarbeiters wurde angemerkt, dass es seit der Übernahme des Patienten von der Krisenstation auf die Station FP 4 zu keiner - dem Mitarbeiter erinnerlichen - Konfrontation zwischen ihm und Herrn Mollath gekommen sei, jedoch Situationen, wie soeben beschrieben, zum wiederholten Male aufgetreten seien."

Mollath erzählt eine ganz andere Geschichte

Mollath, so liest sich das, beschimpft grundlos Pflegemitarbeiter, bringt sie in Zusammenhang mit "Terrortruppen", redet aber nicht mal mit dem Betroffenen darüber. Das wäre arg. Wenn es so wäre.

Gustl Mollath

Noch immer in der Psychiatrie: Gustl Mollath.

(Foto: dpa)

Mollath selbst, darauf angesprochen, erzählt eine ganz andere Geschichte. Demnach habe er den Mitarbeiter wegen dessen T-Shirt mit dem Aufdruck "Omon" zur Rede gestellt, eine Einheit der russischen Polizei. Es gibt viele, die Omon für zweifelhaft halten, spätestens seit der Grünen-Abgeordnete Volker Beck 2010 auf einer Schwulen-Kundgebung in Moskau mit ihr unfreiwillig grob in Konflikt geriet. "Deren Aufgabe ist es, Angst zu verbreiten" sagt Beck. Kreuze Omon auf, hätten "rechtsstaatliche Mittel keine Chance mehr". Und: "An Herrn Mollaths Stelle wäre ich auch verängstigt, wenn ein Betreuer mit so einem Schriftzug seinen Dienst versieht."

Stimmt Mollaths Darstellung? Ein ehemaliger Mitinsasse, inzwischen in Freiheit, bestätigt sie der SZ. Er sei Zeuge geworden, wie Mollath den Mitarbeiter auf das Shirt angesprochen habe. Mollath sei erregt gewesen, schließlich handele es sich bei dem Bezirkskrankenhaus "um eine mit öffentlichem Geld finanzierte Institution".

Seit Mai 2013 gibt es, weil Mollath um dienstrechtliche Überprüfung bat, sogar eine Stellungnahme des Sozialministeriums in der Sache. Demnach hat sich der Vorfall im September 2009 zugetragen. Der Mitarbeiter habe erklärt, das Shirt "ohne Kenntnis über die Hintergründe der kyrillischen Schriftzeichen und des aufgedruckten Wappens gekauft" zu haben. Seither habe er das Shirt nicht mehr getragen.

Selbst wenn dem so wäre, wenn der Mitarbeiter nicht wusste, was er da trug: Hätte die Klinik den Vorfall nicht unbedingt erwähnen müssen in der Stellungnahme? Immerhin werden Mollaths Äußerungen dort "gesondert hervorgehoben". Klaus Leipziger, Chef der Forensischen Psychiatrie in Bayreuth, erklärt dazu: Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es "seit der Übernahme des Patienten" auf die jetzige Station zu keiner Konfrontation gekommen sei. Diese Übernahme sei 2012 erfolgt. Der "zeitlich lange zurückliegende und geklärte Vorfall" habe insofern nicht in die "Stellungnahme zum Berichtszeitraum" seit Dezember 2012 eingehen müssen.

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