Fahrgast-Schwund bei der Bahn:App in den Zug

Premierenfahrt der Werdenfelsbahn in München, 2013

Fahrt in die Moderne: Vor allem im Nahverkehr muss die Deutsche Bahn für die Fahrgäste den Anschluss an den digitalen Standard erreichen.

(Foto: Robert Haas)
  • Die Deutsche Bahn verliert massiv Kunden - auch im Regionalverkehr.
  • Nun wird eine App für getestet, mit der sich bis zu fünf Fahrgäste für das Bayern-Ticket zusammenfinden können.
  • Zudem will die Bahn die Regionalzüge mit kostenfreiem Wlan ausstatten - dieses Projekt steckt allerdings noch im Versuchsstadium.

Von Ralf Scharnitzky

Der Deutschen Bahn laufen die Fahrgäste davon; meist direkt zu den Haltestellen der kostengünstigeren Fernbusse. Und das immer stärker auch im Regionalverkehr. Allein dort hat die DB Regio Bayern 2014 einen Einnahmeverlust von etwa 13 Millionen Euro verbuchen müssen. "Das sind keine Peanuts", sagt Hansrüdiger Fritz, Chef der DB-Regionalleitung. "Der Nahverkehr droht deutlich teurer zu werden."

Besonders dem München-Nürnberg-Express, der Werdenfelsbahn und den nordostbayerischen Schienenkorridoren gehen die Kunden verloren. Die Bahn hat die Gefahr durch die Liberalisierung des Fernverkehrs lange Zeit negiert; sie war einfach zu erfolgsverwöhnt. "Seit zehn Jahren stiegen die Fahrgastzahlen - und plötzlich verzeichnen wir Rückgänge", sagt Fritz. Im Freistaat wird als bundesweites Pilotprojekt deshalb seit Kurzem eine App für Smartphones und Tablets getestet, mit der sich bis zu fünf Fahrgäste für das günstige Bayern-Ticket zusammenfinden können.

Die Kunden wandern zum ZOB

Wie massiv die Konkurrenz der Fernbusse geworden ist, lässt sich gut am Zentralen Omnibusbahnhof in München erkennen. Nach Zahlen der DB wurden dort im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Fahrgäste mehr gezählt als 2012. Pro Tag sind das 7500 zusätzliche Ein- und Aussteiger. Gleichzeitig sank das Fahrgastaufkommen am nahegelegenen Münchner Hauptbahnhof in gleichem Umfang.

Bayerns DB-Konzernbevollmächtigter Klaus-Dieter Josel gibt zu: "Diese negativen Auswirkungen auch auf den Nahverkehr hatte keiner auf dem Schirm." Mit zwei vordringlichen Maßnahmen will die DB im Freistaat ihre Fahrgäste zurückgewinnen: mit einer Mitfahrer-App und Wlan in Regionalzügen. Denn laut einer bundesweiten Forsa-Studie wären 50 Prozent der Fernbusfahrgäste mit der Bahn gefahren, wenn deren Angebote konkurrenzfähiger wären.

Seit ein paar Tagen läuft über Android und iOS eine Testversion der Mitfahrer-App. Ein Kunde kann dort Start-/Zielbahnhof und das Reisedatum eingeben: Sofort werden alle bereits bestehenden Gruppen für diese Verbindung angezeigt. Sollte es keine passende Gruppe geben, kann der User mit ein paar Klicks eigene Gruppe gründen und bis zu vier Mitfahrer hinzufügen.

Das Angebot der Bahn ist für viele unattraktiv

Fahrgast-Schwund bei der Bahn: Eine neue App und Wlan sollen den Fortschritt gewährleisten.

Eine neue App und Wlan sollen den Fortschritt gewährleisten.

(Foto: DB)

Die Mitfahrer-App bietet, neben einer Chat-Funktion zum schnellen Austausch untereinander, zudem eine Bewertungsfunktion der einzelnen Mitfahrer. "Wir wollen uns damit an die Spitze einer Bewegung setzen", so ein DB-Sprecher mit Blick auf die zahlreichen Mitfahrerbörsen für den Individualverkehr im Netz. Anfang kommender Woche soll die Bahn-App offiziell starten. Die Ausstattung der Regionalzüge mit kostenfreiem Wlan fürs Internet steckt noch im Versuchsstadium.

Um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Bussen zu steigern, plant die Bahn in Absprache mit den Ländern weitere Verbesserungen: Konditionen und Preise sollen attraktiver werden. Die Fahrzeiten sollen verkürzt, mehr Direktverbindungen geschaffen und Expresszüge eingerichtet werden. Zudem soll der Service (Steckdosen, Platzreservierung) ausgebaut werden.

Kritik an der Politik

Die Bahn-Chefs üben aber auch heftige Kritik an der Politik. "Parallel zu bestehenden vom Staat finanzierten Bahnstrecken wurden private Buslinien zugelassen", beklagt Regionalleiter Fritz. Die Haltestellen der Busse müssen zwar 50 Kilometer auseinanderliegen - tangieren aber den Regionalverkehr trotzdem erheblich. Auch weil die DB zahlreiche ehemalige Fernverkehrslinien inzwischen mit Regionalzügen bedient - wie die Strecken München-Lindau und München-Mittenwald. Fritz: "Man hat sich nicht vorstellen können, dass die Auswirkungen so gravierend sind."

Während sich die privaten Busunternehmer die lukrativen Strecken raussuchen können, muss die staatlich subventionierte Bahn eine Grundversorgung auch in Randregionen bieten. Wenn die Bayerische Eisenbahngesellschaft, die im Auftrag des Freistaates den Bahnverkehr plant, finanziert und kontrolliert, es in ihren europaweiten Streckenausschreibungen verlangt, dann müssen auch entlegenste Bahnhöfe mit geringem Fahrgastaufkommen angefahren werden - auch noch zu nachschlafenden Zeiten. "Wir befürchten, dass wir das derzeitige Angebot bald nicht mehr im vollen Umfang auf die Schiene bringen können", so Fritz.

Er und sein Boss Josel fordern deshalb Korrekturen am Liberalisierungsgesetz für die Fernbusse. Und zwar so, dass der Schienenverkehr trotz ungleicher Voraussetzungen marktfähig und für den Staat finanzierbar bleibe. "Das ist ein Thema für die Auftraggeber des öffentlichen Verkehrs. Für Bund und Land." Wenn sich nichts ändert, ist für die Bahn-Chefs klar: "Entweder müssen dann Leistungen im Angebot gestrichen werden oder der Freistaat muss für die Leistung mehr zahlen."

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