Ex-CSU-Fraktionschef vor Gericht:Schmid schweigt, sein Anwalt kämpft

Prozess gegen den früheren CSU-Landtagsfraktionschef

Er ist die prominenteste Figur der Verwandtenäffare in der CSU: Ex-Fraktionschef Georg Schmid.

(Foto: dpa)
  • Bereits am ersten Verhandlungstag am Amtsgericht Augsburg zeichnet sich ab, dass den früheren CSU-Fraktionschef Georg Schmid eine Bewährungsstrafe erwartet.
  • Dem 61-Jährigen wird Sozialbetrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen.
  • Schmids Anwalt weist den Vorwurf der Steuerhinterziehung komplett zurück. Er will eine Strafe unter einem Jahr erreichen, weil er sonst um Schmids Pensionsansprüche fürchtet. Das Landtagsamt stellt die Lage jedoch anders dar.

Von Stefan Mayr, aus dem Gericht, und Frank Müller

Mit zusammengekniffenen Lippen und regungslosem Gesicht steht Georg Schmid am Montagmorgen um 10 Uhr im Schwurgerichtssaal 101 des Augsburger Amtsgerichts. Bei der Verlesung der Anklageschrift schüttelt er immer wieder den Kopf. Dass die Anspannung beim früheren CSU-Fraktionschef groß ist, macht sich an seinen Händen bemerkbar: Er faltet und knetet sie.

Dem 61-Jährigen wird vorgeworfen, in 262 Fällen Arbeitsentgelt vorenthalten und veruntreut zu haben. Er ist die prominenteste Figur der sogenannten Verwandtenaffäre, die den Bayerischen Landtag im Frühjahr 2013 erschüttert hat. Schmid, selbst Jurist, mag sich zur Anklage zunächst nicht äußern, das Reden überlässt er zum Prozessauftakt seinem Verteidiger Nikolaus Fackler.

Wie Schmids Anwalt den Fall sieht

Der Anwalt betont, dass Schmid die "berühmten" 5500 Euro pro Monat nicht an seine Frau gezahlt habe, sondern an deren Schreibbüro. Von diesem Geld seien eine angestellte Mitarbeiterin und alle anderen Unkosten des Büros bezahlt worden. Für Gertrud Schmid seien pro Monat maximal 2000 Euro netto übrig geblieben. Fackler räumt ein, dass Schmid seine Frau nicht sozialversichert habe. Er habe das so gemacht, weil er überzeugt gewesen sei, dass seine Frau unternehmerisch tätig war. Sowohl das Landtagsamt als auch die Finanzbehörden hätten das Konstrukt gekannt und nie beanstandet.

Schmids einziger Fehler sei es gewesen, seine Rechtsauffassung nicht von der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung überprüfen zu lassen. Den Vorwurf der Steuerhinterziehung weist Fackler komplett zurück: Das Ehepaar Schmid habe alle Einkünfte gemeinsam versteuert. "Ein steuerlicher Schaden ist nicht entstanden." Andererseits habe es bei vier Betriebsprüfungen durch die DRV nie Einwendungen gegeben, betont Fackler. Einmal sei sogar schriftlich bestätigt worden, dass die Prüfungen "keine Feststellungen" ergeben habe. Dennoch forderte die DRV zwischenzeitlich 780 000 Euro zurück - inklusive Säumniszuschläge.

Georg Schmid zum Prozessauftakt im Amtsgericht Augsburg

Georg Schmid betritt das Amtsgericht in Augsburg und muss im Blitzlicht der Fotografen durch die Sicherheitskontrolle.

(Foto: Stefan Mayr/oh)

Das Interesse an dem Fall des ehemaligen Spitzenpolitikers aus Schwaben ist enorm. Schon eine Stunde vor Verhandlungsbeginn hat sich eine Menschentraube vor dem Schwurgerichtssaal gebildet, viele von ihnen aus Schmids Heimatort Donauwörth. Als Schmid das Amtsgericht betritt, muss er durch die Sicherheitsschleuse. Er muss sein Sakko ausziehen und seine Arme zur Seite strecken, dann tastet ein Security-Mann den gestürzten Politiker mit einem Metalldetektor ab. Einmal von vorne, einmal von hinten; all das im Blitzlichtgewitter.

Für den Nachmittag sind mehrere Zeugen vor Gericht geladen. Eine Mitarbeiterin, die von der Staatsanwaltschaft Georg Schmid zugeordnet wird, sagt, dass Getrud Schmids Büroservice noch zwei weitere Auftraggeber gehabt habe. Der Arbeitsumfang für diese Firmen sei aber gering gewesen. Sie habe auch nicht mitbekommen, dass Gertrud Schmid darüber hinaus Werbung für ihren Büroservice gemacht habe. Wegen der regelmäßigen Zahlungen ihres Mannes habe sie wohl kein hohes unternehmerisches Risiko gehabt, so die Mitarbeiterin.

Georg Schmid verfolgt das Geschehen im Gerichtssaal stets mit versteinerter Miene. Nur einmal zeigt er Emotionen. Sein ehemaliger Mitarbeiter Jürgen Schwieren sagt: "Herr Schmid war ein Workaholic, und er ist es wohl heute noch." Da reißt Schmid seine Brille herunter, schlägt die Hände vors Gesicht und reibt sich die Augen.

Wie Schmid einen Deal erzielen wollte

Die Staatsanwaltschaft wirft Schmid vor, als Abgeordneter seine Ehefrau knapp 22 Jahre lang nicht als Angestellte, sondern als Scheinselbstständige beschäftigt zu haben. Dadurch und durch die Beschäftigung einer weiteren Mitarbeiterin sollen den Sozialkassen Beiträge von mindestens 340 000 Euro entgangen sein.

Schmid selbst hat nach Angaben seines Anwalts bereits Schadenersatz in Höhe von 450 000 Euro an die Rentenkasse gezahlt, darin sind auch Zinsen enthalten. Somit erscheint es unwahrscheinlich, dass Schmid auf einen Freispruch hoffen kann. Laut Fackler hat es schon Gespräche mit der Staatsanwaltschaft über eine mögliche Verständigung auf ein Strafmaß gegeben, jedoch ohne Ergebnis.

Wie die Strafe ausfallen könnte - und welche Folgen drohen

Als Richter Michael Nißl die Protokolle dieser Gespräche verliest, wird absehbar, welche Strafe auf Schmid zukommt: Staatsanwalt Karl Pobuda stellt eine Bewährungsstrafe zwischen 18 und 24 Monaten in Aussicht. Ein Urteil in dieser Höhe hätte für Schmid verheerende Folgen, wie sein Anwalt erläutert; Im Falle einer Haftstrafe über elf Monaten verliere er alle Pensionsansprüche sowohl als Beamter als auch Abgeordneter, sagt Fackler.

Das Landtagsamt stellt die Lage ganz anders dar: Demnach bleiben Schmid die Ansprüche aus der Abgeordnetenzeit auf alle Fälle, weil er nicht eines Verbrechens, sondern nur eines Vergehens angeklagt ist. Die Staatssekretärs-Pension ist ebenfalls nicht gefährdet: Diese verlöre er erst ab zwei Jahren Haft. Außerdem erhält Schmid schon jetzt seine Pension - seit dem 60. Lebensjahr. Dennoch spricht Anwalt Fackler in seiner Erklärung von der "Existenzangst", die seinen Mandanten "umtreibt". Und er redet über die "dramatischen Folgen" der Affäre für das Ehepaar: "Die psychische Belastung ist so hoch, dass sich Herr und Frau Schmid in ärztliche Behandlung begeben mussten. Er hat alles, was er aufgebaut hat, verloren."

Warum Schmids Ehefrau schon verurteilt wurde

Schmids Ehefrau Gertrud war ursprünglich wegen Beihilfe mitangeklagt. Sie wurde aber wenige Tage vor der Hauptverhandlung im Zuge eines Strafbefehls-Verfahrens rechtskräftig verurteilt und muss 13 200 Euro zahlen.

Das Gericht begründete das ungewöhnliche Vorgehen damit, dass Gertrud Schmid wegen einer Erkrankung nur eingeschränkt verhandlungsfähig sei und dies das Verfahren in die Länge gezogen hätte. Gertrud Schmid wird im Prozess gegen ihren Mann nicht aussagen, wie Richter Michael Nißl am Montag sagte. Sie mache von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Auch Schmids Steuerberater werde nichts aussagen, weil er nicht von seiner Schweigepflicht entbunden worden sei.

Was es mit der Verwandtenaffäre auf sich hat

Schmid ist der prominenteste Fall in der Verwandtenaffäre des Landtags, die im April 2013 ins Rollen kam. Etliche Abgeordnete hatten Eheleute oder Kinder beschäftigt, obwohl dies im Jahr 2000 eigentlich verboten wurde. Eine Altfallregelung wurde allerdings von vielen Parlamentariern weiterhin genutzt. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe war Schmid zurückgetreten und hatte 2013 nicht mehr für den Landtag kandidiert.

Der Politiker war fast sechs Jahre lang CSU-Fraktionsvorsitzender, zuvor war er Innen- und Sozialstaatssekretär. Seit 1990 war er Abgeordneter im Bayerischen Landtag.

Schmid ist der zweite Abgeordnete, der wegen der Affäre vor Gericht steht. Der frühere Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Harald Güller, der ebenfalls seinen Posten räumen musste, hatte 2009 seinen Stiefsohn auf Kosten des Staates beschäftigt und wurde zu 18 000 Euro Geldstrafe verurteilt.

Auch der Chef des Haushaltsausschusses, Georg Winter (CSU), der seinen 13- und 14-jährigen Söhnen Jobs verschafft hatte, verlor seinen Posten. Von der Affäre betroffen waren auch mehrere Kabinettsmitglieder, unter anderem Kultusminister Ludwig Spaenle und Agrarminister Helmut Brunner (beide CSU).

Für den Prozess gegen Schmid sind fünf Verhandlungstage bis 25. März geplant, der nächste Termin ist am 16. März.

(Mit Material von dpa)

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