Ex-CSU-Fraktionschef Schmid vor Gericht:"Ich habe eigentlich schon alles verloren"

Prozess gegen den früheren CSU-Landtagsfraktionschef

Der frühere CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid im Gerichtssaal in Augsburg.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)
  • Im Prozess um den ehemaligen CSU-Fraktionschef Georg Schmid fordert der Staatsanwalt eine Haftstrafe von zwei Jahren zur Bewährung und eine Geldauflage. Schmid steht wegen des Verdachts auf Sozialbetrugs und Steuerhinterziehung vor Gericht.
  • Die Verteidigung plädiert auf Freispruch.
  • Eine frühere Mitarbeiterin berichtet als Zeugin von Auffälligkeiten bei Zahlungen an Schmids Frau Gertrud.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Im Prozess gegen den ehemaligen CSU-Fraktionschef Georg Schmid vor dem Amtsgericht Augsburg hat der Staatsanwalt eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren plus eine Geldauflage in Höhe von 150 000 Euro gefordert. Der Verteidiger des ehemaligen Staatssekretärs plädierte dagegen auf Freispruch - und für den Fall einer Verurteilung bat er um eine elfmonatige Bewährungsstrafe. Danach hielt Georg Schmid ein fünfminütiges emotionales Schlusswort, in dem er "um eine gerechte Entscheidung" fast schon flehte: "Ich bitte um die Chance für meine Familie, körperlich, seelisch und finanziell wieder auf die Beine kommen zu können."

"Ich habe mich mein ganzes Leben lang bemüht, rechtschaffen durchs Leben zu gehen", sagt Schmid zu Beginn seiner Rede in eigener Sache. Er wird sehr emotional, spricht vom Hörsturz seiner Frau, aber nur ein einziges Mal bricht seine Stimme. "Glauben Sie's mir", raunt er, "was passiert ist, war eine Katastrophe für uns." Alles, was er sich über 30 Jahre hinweg aufgebaut habe, sei zerstört. "Ich habe eigentlich schon alles verloren, was man verlieren kann: Beschäftigung, Arbeit und ein Stück der Ehre."

Die psychische Belastung sei "bis an die Grenze" gegangen - "und an manchen Tagen darüber hinaus". Staatsanwalt Karl Pobuda hält in seinem Plädoyer Schmid zugute, dass er bereits 450 000 Euro Schadenswiedergutmachung an die Deutsche Rentenversicherung überwiesen hat. Dabei betont Pobuda allerdings auch, diese Zahlung sei "im letzten Moment" und "aus prozesstaktischen Gründen" erfolgt. Eine Distanzierung oder gar Reue könne er nicht erkennen.

Schmids Verteidiger Nikolaus Fackler seinerseits bezeichnet die Argumente der Rentenversicherung und der Staatsanwaltschaft als "abenteuerlich" und "nicht tragfähig". Er betont, Schmids Ehefrau Gertrud habe selbst eine Mitarbeiterin beschäftigt - und dies sei ein "extrem starkes Kriterium" für selbständige Tätigkeit. Georg Schmid ist angeklagt wegen Sozialbetrugs und Steuerhinterziehung. Er soll als Landtagsabgeordneter 22 Jahre lang seine Frau als Scheinselbständige beschäftigt haben. Weil er sie nicht ordnungsgemäß anstellte, soll er Sozialabgaben und Lohnsteuer in Höhe von fast einer halben Million Euro hinterzogen haben.

Schmid wird die Kontrollprozedur erspart

Es ist der zweite Verhandlungstag, diesmal wird dem Angeklagten Georg Alois Schmid die entwürdigende Kontroll-Prozedur erspart. Anders als noch vor zwei Wochen beim Prozessauftakt muss er nicht durch den Haupteingang und die dortige Sicherheitsschleuse gehen. Er muss nicht vor zig Kameras sein Sakko ausziehen und sich mit einem Metalldetektor abtasten lassen. Stattdessen kommt er durch die Hintertür und biegt schwungvoll um die Ecke. Seine Aktentasche vor sich haltend eilt er an den wartenden Journalisten vorbei.

Wortlos und grußlos. Das ist auch zwei Jahre nach seinem Rücktritt immer noch gewöhnungsbedürftig, denn früher warf er jedem Reporter und jeder Kamera sein Lächeln entgegen. Immerhin wirkt der 61-Jährige diesmal um einiges selbstbewusster als am 2. März. Kämpferischer, entschlossener. Nach dem ersten Verhandlungstag war Schmid in der Presse als "Häufchen Elend" bezeichnet worden. Am Montag sieht man Schmid an: So etwas will er nicht mehr lesen.

Schmid beantwortet auch diesmal keine Fragen zur Sache. Auch so mancher CSU-Weggefährte wirkt im Zeugenstand eher auskunftsunwillig. So löst der Geschäftsführer des CSU-Kreisverbands Donau-Ries im gut gefüllten Saal lautes Gelächter aus. Auf die Frage, ob er etwas zu Gertrud Schmids Tätigkeit sagen kann, antwortet er: "Da kann ich Ihnen keine Auskunft geben." Diese Aussage amüsiert das Publikum dermaßen, dass der Richter die Zuhörer forsch zurechtweist. Dann nimmt er sich den Zeugen vor: "Wenn Sie sagen, dass Sie mit Familie Schmid freundschaftlich verbunden sind, dann werden Sie doch mitbekommen haben, was sie ungefähr macht." Hat er. "Frau Schmid hat Telefonate entgegen genommen und Arbeiten für ihn gemacht", sagt er. "Alles, was den Abgeordneten Schmid betraf, wurde bei ihm in der Wohnung gemacht." Ob sie dort ein eigenes Büro hatte? "Kann ich nicht sagen."

Zeugin berichtet von Unregelmäßigkeiten

Viel ergiebiger ist das, was eine Mitarbeiterin des Hauptzollamtes als Zeugin berichtet. Ihr zufolge erhielt Gertrud Schmid ihre monatlichen Zahlungen auf Steuerzahlerkosten grundsätzlich im Voraus - und teilweise sogar noch bevor sie eine Rechnung gestellt hatte. Alleine im Jahr 2009 sei dies "fünf- oder sechsmal" der Fall gewesen. Zudem habe Gertrud Schmid sechsmal am Jahresende nochmals eine zusätzliche Pauschalzahlung erhalten. Diese habe allein im Jahr 2000 exakt 22 000 D-Mark betragen. 2003 und 2009 waren es immerhin 6000 Euro. Die Frage des Staatsanwaltes, ob am Jahresende zusätzliche Arbeit zu verrichten war, kann die Fahnderin nicht beantworten: "Bei den Rechnungen gab es keine Leistungsnachweise."

Vor den Plädoyers verliest Georg Schmids Verteidiger eine Erklärung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen: Schmid besitze drei Wohnungen und ein Haus im Gesamt-Verkehrswert von 1,4 Millionen Euro. Er beziehe zurzeit eine Nettopension von 4166 Euro, dem stehe eine monatliche Darlehens-Belastung von 4850 Euro gegenüber. Auf die Frage des Richters nach Mieteinnahmen sagt der Anwalt: "Weitere Erklärungen werden nicht abgegeben." Georg Schmid sitzt nach seinem Schlusswort noch minutenlang mit gläsernen Augen auf seinem Stuhl und starrt ins Leere. Das Urteil fällt am Mittwoch.

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