Kabinettstreffen nach CSU-Streit:Seehofer übt den Unschuldsblick

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Ministerpräsident Horst Seehofer (rechts) und Finanzminister Markus Söder: Weihnachtsfrieden in Nürnberg (Foto: dapd)

Das erste offizielle Aufeinandertreffen von Seehofer und Söder nach der Lästerattacke: In Nürnberg wirkt der CSU-Finanzminister nervös, sein Ministerpräsident frotzelt. Mit alkoholfreiem Punsch wird die wiederentdeckte Freundschaft gefeiert - und die FPD-Vertretern haben ihren Spaß.

Von Katja Auer

In Nürnberg hat schon einmal ein Friedensmahl stattgefunden, das war 1649, kurz zuvor war der Dreißigjährige Krieg mit dem Westfälischen Frieden beendet worden. "Im festlich geschmückten Nürnberger Rathaussaal versammelten sich die Abgesandten der verhandlungsführenden Parteien an einer reich gedeckten Tafel, um Einigkeit und neuentstandene Freundschaft zu demonstrieren", steht dazu auf einer Internetseite der Stadt Nürnberg nachzulesen.

Gut 350 Jahre später wird die neu entstandene Freundschaft zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und seinem Finanzminister Markus Söder auf der Nürnberger Kaiserburg demonstriert, einem Ort mit "sehr friedlicher Atmosphäre" eben jener Geschichte wegen, wie Söder erzählt.

Das ist seine Art der Erwiderung. Da müssen Staatssekretärin Katja Hessel und Kunstminister Wolfgang Heubisch laut lachen. Die FDP-Vertreter haben den größten Spaß an diesem Morgen, sie hat Seehofer ja diesmal verschont bei seinem Rundumschlag in der vergangenen Woche, der Söder am härtesten getroffen hat.

Über charakterliche Defizite Söders hatte Seehofer gelästert, den pathologischen Ehrgeiz des Ministers kritisiert, ihm "Schmutzeleien" vorgeworfen und damit große Teile der CSU gegen sich aufgebracht und hinter Söder versammelt. Zwar seien inzwischen "alle aufgeworfenen Fragen ausgeräumt", wie es die Staatskanzlei knapp formulierte, aber das erste offizielle Aufeinandertreffen nach dem bemerkenswerten Eklat wurde dennoch mit Spannung erwartet. Zumal inzwischen bekannt wurde, dass die erste Aussprache so harmonisch gar nicht gelaufen ist, Seehofer soll Söder ordentlich zurechtgewiesen haben. Nun aber: Weihnachtsfrieden.

In Nürnberg also, der Friedensstadt, der Heimatstadt Söders, wo sich das Kabinett am Dienstag zu seiner letzten Sitzung des Jahres versammelt. Söder ist der erste, als örtlicher Minister und als Burgherr qua Amt darf er die Kollegen auf der Kaiserburg begrüßen.

Söder ist nervös, unübersehbar, so etwas merkt man ihm selten an. Seehofer dagegen wirkt gewohnt entspannt, mit leicht geöffneten Armen tritt er ihm im Burgmuseum entgegen und lässt sich etwas über die Geschichte des Nürnberger Wahrzeichens erzählen, das Söder gerade mit 16 Millionen Euro aufpoliert. Söder erzählt, dass Ludwig II. kurz überlegt haben soll, die Kaiserburg zum neuen Regierungssitz zu machen, "aber leider kurz vorher abgesägt" wurde. Da lacht Seehofer.

Zum Konflikt lässt er sich nichts entlocken, nicht mehr als das typische Seehofer-Gesicht, wenn er absolut nichts sagen will. Lippen zusammengepresst, leichtes Kopfschütteln, Unschuldsblick. "Alles ok", sagt er dann doch.

Ein Glas alkoholfreier Punsch noch, dann soll gearbeitet werden. Der Rittersaal ist weihnachtlich geschmückt, auf dem Tisch liegen Tannenzweige und Mandarinen. Hernach wird ein Minister nach dem anderen betonen, dass es die allerschönste, allerbeste und allerharmonischste Kabinettssitzung war, die man sich nur vorstellen könne. Und Geld wurde freilich auch verteilt. "Das liegt nicht nur daran, dass wir die Kollegen aus Mittelfranken im Kabinett außerordentlich schätzen", sagt Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP). Schon wieder eine Anspielung, die frotzelnden Zwischentöne kommen vielen leicht über die Lippen an diesem Tag und die demonstrative Harmonie wird bis zum Abend nicht mehr enden.

"Ein sehr starker, guter Tag für die gesamte Region" sei das, sagt dann auch Markus Söder, vor allem deswegen, weil der Freistaat 395 Millionen Euro für den kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs beisteuern wird. Bei voraussichtlichen Kosten von etwa 450 Millionen Euro, sei das eine fast 90-prozentige Förderung.

Damit ende eine inzwischen 40 Jahre währende Diskussion und Seehofer steuert noch die Anekdote bei, dass auch er schon auf dem Frankenschnellweg im Stau gestanden sei. An einem Montagmittag, wo man doch meinen möchte, dass es da freie Fahrt gebe in Bayern.

Es bleibt bei den Sachthemen, das Nürnberger Staatsschauspiel wird nun doch nicht komplett verstaatlicht, wie es sich Söder gewünscht hatte, man sei im Gespräch, heißt es dazu nur. Alle mittelfränkischen Kabinettsmitglieder dürfen ein paar Wohltaten verkünden, dann lächelt Seehofer in die Runde. "Dass Sie nicht die Frage aller Fragen stellen, enttäuscht uns beide gewaltig", sagt er. Und Söder lächelt mit.

Am Abend trifft sich das Kabinett nach einer ökumenischen Andacht zur Weihnachtsfeier im Goldenen Posthorn, einem Nürnberger Traditionslokal. Albrecht Dürer und Hans Sachs sollen Stammgäste gewesen sein. "Seit Jahrhunderten besungen und besucht von Königen, Künstlern und Gelehrten aus aller Welt", schreibt der Wirt über sein Lokal.

Vorher führte Oberbürgermeister Ulrich Maly die Gäste noch über den Christkindlesmarkt. Er freue sich "reinen Herzens" über die guten Nachrichten für die Stadt und die Region, sagt er. Dann wünscht er allen frohe Weihnachten "mit den Lieben". Ob man da nun die Kabinettskollegen dazuzähle, das müsse sich jeder selber raussuchen.

Ganz generös: Das Kabinett hat am Dienstag "eine Vielzahl von Maßnahmen für Mittelfranken" beschlossen, sagte Ministerpräsident Horst Seehofer. Nicht alles ist dabei neu. Der größte Posten sind die 395 Millionen Euro für den Ausbau des Frankenschnellwegs. 43 Millionen Euro sollen in "hochmoderne Büros auf neuestem energetischen Stand" in das neue Landesamt für Statistik in Fürth investiert werden. 50 Millionen Euro fließen in den Energiecampus Nürnberg. 32 Millionen Euro bekommt das Germanische Nationalmuseum für ein neues Tiefdepot im Museumsinnenhof. Baubeginn soll im kommenden Frühjahr sein. Der Ministerrat will außerdem den Flughafen Nürnberg stärken und diskutierte über ein internationales Kongress- und Tagungszentrum am Airport, an dem sich der Freistaat beteiligen würde. Das Kabinett sprach sich zudem für die Umwidmung des Schwurgerichtssaals 600 zu einer reinen Erinnerungsstätte an die Nürnberger Prozesse aus. Als Ersatz für die Justiz soll am Westflügel des Justizpalastes ein modernes Sitzungssaalgebäude angebaut werden.

© SZ vom 19.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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