Erneuerbare Energien:Viel Wind um einen Energie-Atlas

Das Ziel ist ehrgeizig: Bayern soll Spitzenreiter beim Ökostrom werden. Umweltminister Söder bejubelt den neuen Energie-Atlas. Doch es gibt Fachleute, die so gar nicht in das Loblied einstimmen wollen.

C. Sebald

Energiesparen, hocheffiziente Techniken und der Ausbau der regenerativen Energien lautet der Dreiklang, mit dem Bayern den Abschied von der Atomkraft binnen zehn Jahren schaffen will. Die Basis dafür liefert der neue "Energie-Atlas Bayern", den Umweltminister Markus Söder (CSU) am Dienstag in München präsentierte. "Nur wenn wir alle Potentiale der erneuerbaren Energien ausschöpfen, werden wir den raschen Ausstieg aus der Kernenergie schaffen", erklärte Söder. "Der Energie-Atlas ist unser Roadbook, unser Routenplaner auf dem Weg dahin."

CSU-Vorstandssitzung

Bayerns Umweltminister Markus Söder möchte möglichst schnell aus der Kernkraft aussteigen.

(Foto: dpa)

Der Freistaat rühmt sich von jeher, deutschlandweit zu den Spitzenreitern bei den erneuerbaren Energien zu zählen. So auch Söder am Dienstag wieder. "Mit einem Anteil von rund 25 Prozent bei der Stromerzeugung liegt Bayern deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 17 Prozent", erklärte der Umweltminister. "Unser Energie-Atlas ist ebenfalls bundesweit einmalig, eine solche Informationsplattform gibt es bisher in keinem anderen Land." In dieses Loblied stimmen längst nicht alle Fachleute ein. Die Agentur für Erneuerbare Energien etwa stuft den Freistaat bundesweit nur auf Rang acht ein, weit abgeschlagen hinter den Spitzenreitern Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg.

Dabei ist die Akzeptanz der Erneuerbaren nirgendwo so hoch wie im Freistaat. In keinem anderen Bundesland montieren die Eigenheimbesitzer Solaranlagen auf so viele Dächer und stellen so viele sich hochmoderne Pelletsheizungen in ihre Keller. Aber in anderen zentralen Bereichen sind die bayerischen Erfolge eher mäßig. Bei den Infoangeboten rangiert der Freistaat auf Rang 13, bei Landes-Förderprogrammen nur auf Platz 14, und bei den Forschungsgeldern ist er sogar Schlusslicht.

Auch Söders Dreiklang aus Energiesparen, hocheffizienten Techniken und erneuerbaren Energien ist so neu nicht. Umweltverbände wie der Bund Naturschutz, aber auch die Grünen haben ihn schon vor vielen Jahren in ihren Atom-Ausstiegsszenarien durchdekliniert. Und bei der Stromproduktion aus den regenerativen Energien verdankt Bayern seine Spitzenposition einzig der historisch bedingt starken Rolle der Wasserkraft - 57 Prozent des bayerischen Öko-Stroms stammen aus zumeist sehr alten, inzwischen modernisierten Kraftwerken entlang der bayerischen Flüsse.

Bei der Windkraft, die allen Experten als die Zukunftstechnologie schlechthin gilt, lässt der Freistaat dagegen von jeher gewaltige Potentiale brachliegen. Gerade mal 412 Windräder standen zum Jahresende 2010 in Bayern, im sehr viel kleineren, von der Topographie und den Windstärken her aber vergleichbaren Rheinland-Pfalz waren es 1086. Wenig verwunderlich, dass nur ein Prozent des Stroms im Freistaat aus Windrädern stammt. Selbst Naturschützer wie der Bund-Naturschutz-Chef Hubert Weiger halten eine Vervierfachung der Zahl der Anlagen und eine Verzehnfachung der Windstrommenge jederzeit für möglich - ohne dass Naturschutz und Landschaftsbild über Gebühr strapaziert würden.

Nun denkt offenbar auch die Staatsregierung um. So will Söder "die Zahl der Windräder rasch verdoppeln und damit den Anteil des Windstroms vervierfachen". Freilich sei das, so betonte der Umweltminister, wie die Energiewende binnen zehn Jahren nur im "Einklang mit der Bevölkerung, der Wirtschaft und den Kommunen möglich ist". Das ist der Grund, warum sich der Energie-Atlas an alle drei gleichermaßen wendet.

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