Ermordete Lottoladen-Besitzerin:Der traurige Tod der Oma Hoose

Seit mehr als 30 Jahren führte Frieda Hoose einen Lottoladen in Nürnberg. Am Morgen des Ostersamstags 2011 finden Polizei und Notarzt die 76-Jährige tot hinter ihrem Tresen. Die mutmaßlichen Täter stehen nun vor Gericht.

Hans Holzhaider

Prozess um Mord an 'Lotto-Oma'

Angeklagt wegen Mordes: Rachid C. (rechts) und sein Bruder Sid C. (in roter Jacke) vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.

(Foto: dapd)

Frieda Hoose, 76, war in ihrem Viertel eine bekannte und beliebte Persönlichkeit. Seit mehr als 30 Jahren führte sie an der Rothenburger Straße im Nürnberger Südwesten einen Schreibwarenladen - Zeitungen und Zeitschriften, Schulbedarf, Süßigkeiten, Zigaretten und natürlich eine Lottoannahmestelle.

Viele Kinder gehörten zu Frieda Hooses Stammkunden; nicht weit entfernt liegt die Henri-Dunant-Grundschule. "Oma Hoose" nannten die Kinder sie liebevoll. Wenn es nach ihrem Ehemann Horst gegangen wäre, hätte sie den Laden schon längst aufgegeben. "Wir haben oft von den Bergen und vom Meer gesprochen", sagt Horst Hoose, 78, "aber sie sagte immer: Am schönsten ist es doch in meinem Laden."

Am frühen Morgen des Ostersamstags 2011 ging bei der Nürnberger Rettungsleitstelle ein Anruf ein: In der Rothenburger Straße 264 sei etwas passiert. Zu erkennen gab sich der Anrufer nicht. Als die Polizei und der Notarzt im Schreibwarengeschäft eintrafen, fanden sie Frieda Hoose tot hinter dem Tresen ihres Ladens liegend. Die Füße waren mit Klebeband gefesselt. Der Gerichtsmediziner stellte fest, dass die alte Frau erwürgt worden war.

"In drei Monaten hätten wir unser 50. Geschäftsjubiläum gefeiert", sagt Horst Hoose, "und im Sommer hätten wir Goldene Hochzeit gehabt. Das hätte ich ihr gern noch gegönnt." Im Viertel herrschte große Betroffenheit. Der Sportverein SG 1883 Nürnberg veranstaltete einen Trauermarsch, und bei der Beerdigung auf dem Westfriedhof brachten mehr als hundert Trauergäste dem Witwer und seinen beiden Söhnen ihre Anteilnahme zum Ausdruck.

Der Tonbandmitschnitt des anonymen Anrufs bei der Rettungsleitstelle war zunächst der einzige Erfolg versprechende Hinweis auf den möglichen Täter. Mehr als 10.000 Menschen riefen bei der von der Polizei geschalteten Telefonnummer an und hörten sich die Stimme des Anrufers an.

Einer von ihnen nannte den Namen eines 28-jährigen Algeriers, den er als den Anrufer erkannt haben wollte. Als die Polizei dessen Wohnung durchsuchte, fand sie 130 Stangen Zigaretten - etwa die Menge, die aus Frieda Hooses Geschäft entwendet worden war. Auf der Verpackung entdeckten die Kriminaltechniker Fingerabdrücke von einem der Söhne des Mordopfers.

Reizgas ins Gesicht gesprüht

Das reichte für einen Haftbefehl. Am 13. Mai 2011 nahm die Polizei Rachid C. fest, und eine Woche später wurde auch dessen kleiner Bruder Sid Ali, 16, verhaftet. Vor der Jugendkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth begann am Donnerstag der Prozess gegen die beiden Brüder.

Wenn alles zutrifft, was Staatsanwalt Matthias Soldner in seiner Anklage vortrug, dann müsste man die Gebrüder C. schon fast als professionelle Räuber bezeichnen. Außer dem Mord an Frieda Hoose legt der Staatsanwalt dem älteren Bruder vier und dem jüngeren zwei weitere Raubüberfälle in Nürnberg zur Last - auf eine Edeka-Filiale und eine Norma-Filiale, auf ein Lottogeschäft und auf eine Schule. Bei dreien der Überfalle waren einer oder mehrere bisher unbekannte Mittäter beteiligt.

Die Täter gingen mit erheblicher Brutalität vor. Sie sprühten ihren Opfern aus kurzer Distanz Reizgas ins Gesicht, traktierten sie mit Elektroschockern und bedrohten sie mit Schreckschusspistolen. Einmal mussten sie ohne Beute fliehen, weil ein Nachbar die Polizei rief.

Ein Geständnis hat bisher keiner der Brüder abgelegt. Rachid C., der ältere, sagte bei der Polizei lediglich, er habe mit dem Mord an Frieda Hoose nichts zu tun und wisse auch nichts von einem Überfall. Der kleine Bruder gab immerhin zu, am Tatort gewesen zu sein. "Er sagte, er sei mit seinem Bruder unterwegs gewesen", berichtete der Ermittlungsrichter als Zeuge. Sie hätten irgendwas abholen sollen.

Sein Bruder habe das Geschäft betreten, er wisse nicht, was dort geschehen sei. Später sei er auch hineingegangen, da habe er eine Frau am Boden liegen gesehen. Sie habe etwas gesagt, er habe aber nichts verstanden. Er sei dann mit seinem Bruder in einem Taxi weggefahren.

Über die Lebensverhältnisse der Brüder ist bisher nur wenig bekannt. Sie sollen unter falschem Namen nach Deutschland eingereist sein und Asyl beantragt haben. Der ältere Bruder hatte eine eigene Wohnung, der jüngere war in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Der Prozess wird an diesem Freitag fortgesetzt.

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