Ermittlungen gegen LKV:Finanzskandal in der Landwirtschaft

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Das LKV vergibt die Ohrmarken für Rinder und andere Nutztiere. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Einrichtung. (Foto: Christian Endt)
  • Das Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung (LKV) berät Bauern.
  • Die Einrichtung erhält hohe Zuschüsse vom Freistaat Bayern - und soll dabei Leistungen abgerechnet haben, die gar nicht erbracht wurden. Es geht angeblich um Millionen.
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Subventionsbetrugs.
  • Das LKV weist die Vorwürfe zurück.

Von Christian Sebald, München

Der bayerischen Landwirtschaft droht womöglich ein Finanzskandal. In seinem Zentrum steht das Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung (LKV). Die Einrichtung berät Bauern und erhält dafür hohe Zuschüsse vom Freistaat. Bei der Überprüfung der Abrechnungen soll das LKV nach SZ-Informationen dann aber nicht nachweisen haben können, dass es die Leistungen, die geltend gemacht wurden, tatsächlich komplett erbracht hat. Das LKV weist die Vorwürfe zurück

Die Summe, um die es geht, soll allein für das Jahr 2013 etwa 1,7 Millionen Euro betragen. Insider schließen nicht aus, dass es auch danach zu massiven Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Nach langen internen Ermittlungen haben die Controller der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und des Landwirtschaftsministeriums den Fall Ende Februar der Staatsanwaltschaft München I übergeben. Diese ermittelt nun wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug.

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Das LKV ist eine sogenannte Selbsthilfeeinrichtung der Bauern. Das heißt, seine Träger sind die 31 000 tierhaltenden Bauernhöfe in Bayern, die Mitglied der Organisation sind. Das LKV begreift sich als bäuerliche Tierzuchtorganisation mit allen möglichen Serviceleistungen für seine Mitgliedsbetriebe. Im Vordergrund stehen, so kann man es sich im einem Werbeclip auf der Internetseite des LKV ansehen, verschiedenste Qualitäts- und Leistungsprüfungen, zum Beispiel für Milchbauern und Schweinehalter.

Außerdem bietet das LKV den Bauern Beratungen an, wie sie etwa die Milchleistung ihrer Kühe oder die Mast ihrer Rinder und Schweine verbessern können. Und das LKV ist die Institution in Bayern, bei der die Bauern gemäß EU-Vorgaben ihre Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen registrieren lassen und die entsprechenden Ohrmarken für sie beziehen können.

Allein schon weil etwa die Hälfte der Nutztierhalter in Bayern Mitglied des LKV sind, ist die Organisation mit Hauptsitz in München und bayernweit etwa 2000 Mitarbeitern eine der mächtigsten landwirtschaftlichen Institutionen in Bayern. Auf seiner Homepage rühmt sich das LKV sogar, "der größte Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfung sowie Beratung in Deutschland" zu sein.

Zu den finanziellen Unregelmäßigkeiten soll es bei den Beratungen für die Nutztierhalter gekommen sein. Allein für das Jahr 2013 hatte das LKV eigenen Angaben zufolge beim Agrarministerium 91 290 Beratungsstunden für seine Mitglieder angemeldet. Insidern zufolge stellt das LKV den Landwirten eine Beratungsstunde mit durchschnittlich 90 Euro in Rechnung. Der Freistaat übernimmt für jede geleistete Beratungsstunde 45 Euro als Zuschuss. Alles in allem summierte sich die Förderung für 2013 also auf ungefähr 4,1 Millionen Euro.

Der Freistaat soll dem LKV 80 Prozent des Betrags oder knapp 3,3 Millionen Euro als Abschlag ausbezahlt haben. Nach Informationen der SZ ist dieses Verfahren üblich, zumal es für die Verantwortlichen in der Agrarverwaltung keinerlei Hinweise auf irgendwelche Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll. Das dicke Ende kam offenbar im Frühsommer 2017, als die Controller des LfL sich die Abrechnung des LKV genauer vornahmen.

Zunächst gab es nur Anhaltspunkte, aber allmählich erhärtete sich der Verdacht: Das LKV soll nicht nachweisen können, dass es 2017 so viele Beratungsstunden geleistet hat, wie es beim Agrarministerium angemeldet hat. Aber nicht nur das: Das LKV soll nicht einmal belegen können, dass alle der Beratungsstunden stattgefunden haben, für die es die 3,29 Millionen Euro Abschlag erhalten hat. Am Ende der Prüfung soll das LKV Insidern zufolge angeblich nur etwas mehr als 35 500 Beratungsstunden belegen haben können. Dies entspricht einem Fördervolumen von 1,6 Millionen Euro. Für die verbleibenden 1,7 Millionen Euro soll das LKV die Belege nicht beibringen können.

Dabei haben die Controller des LfL und des Agrarministeriums dem LKV sehr viel Zeit gegeben, die entsprechenden Nachweise beizubringen. SZ-Informationen zufolge soll es die ersten Hinweise auf die Unregelmäßigkeiten bereits vor einem Jahr gegeben haben. Schon damals sollen hohe Beamte in internen Besprechungen geäußert haben, sie seien so gravierend, dass man den Fall der Staatsanwaltschaft übergeben müsse.

Trotz dieser Warnungen sollen die LfL und das Agrarministerium zunächst davon abgesehen haben. Stattdessen sollen sie eine vertiefende Überprüfung des LKV eingeleitet haben. Erst als das LKV auch in diesem aufwendigen Verfahren die große Diskrepanz zwischen bezuschussten und belegbaren Beratungsstunden nicht aus der Welt habe räumen können, sollen sich das LfL und das Agrarministerium entschieden haben, den Fall der Staatsanwaltschaft übergeben.

Der Geschäftsführer des LKV, Uwe Gottwald, erklärt, seiner Organisation lägen keine Informationen vor, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. "Die Verantwortlichen des LKV sind der festen Überzeugung, stets im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gehandelt zu haben", sagt er. "Der Vorwurf des Subventionsbetrugs ist für uns absurd."

Außerdem erklärt Gottwald, dass das LKV selbst gegen die LfL Klage erhoben habe - und zwar vor dem Verwaltungsgericht München. Die LfL hat laut Gottwald Mitte Februar 2018 den angeblichen Fehlbetrag von 1,7 Millionen Euro vom LKV zurückverlangt. "Hierzu vertritt das LKV die Auffassung, dass die Rückforderung rechtswidrig ist und seitens des Verwaltungsgerichts aufgehoben wird", sagt Gottwald.

Im Agrarministerium hält man sich sehr bedeckt. "Das ist ein laufendes Ermittlungsverfahren", sagt ein Sprecher. "Deshalb werden wir uns vor seinem Abschluss dazu nicht äußern."

Der frühere Agrarminister Helmut Brunner (CSU), der während der gesamten Ermittlungen bis zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft an der Spitze des Hauses an der Ludwigstraße in München stand, soll sehr erschrocken gewesen sein, als sich herauskristallisierte, dass die Unregelmäßigkeiten bei der LKV allein für das Jahr 2013 etwa 1,7 Millionen Euro betragen sollen. Vor zwei Monaten ist Brunner im Zuge der Kabinettsumbildung aus seinem Ministeramt ausgeschieden. Aber auch jetzt will er sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern. Bei der Staatsanwaltschaft München I heißt es derweil, ein Abschluss des Verfahrens sei noch nicht absehbar.

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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