Erbstreit in Oberbayern:"Die müssten uns schon raustragen"

Erbstreit in Oberbayern: Die 50 Rinder und 80 Kälber vom Forstmaier-Hof müssen wohl zum Schlachter, wenn die Bauernfamilie auszieht. Im Winter gibt es keine freien Ställe.

Die 50 Rinder und 80 Kälber vom Forstmaier-Hof müssen wohl zum Schlachter, wenn die Bauernfamilie auszieht. Im Winter gibt es keine freien Ställe.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach jahrzehntelangem Streit hat eine Mutter ihren Sohn und dessen siebenköpfige Familie vom Hof geklagt. Doch die Bauersleute vom Forstmaier-Hof weigern sich auszuziehen - auch wegen ihrer 150 Tiere. Denn eine Zwangsräumung wäre deren sicheres Todesurteil.

Von Korbinian Eisenberger

Am ersten Adventssonntag hätte es soweit sein sollen - nach zwölf Generationen: Die Bauersleute vom Forstmaier-Hof hätten ihre Heimat an diesem Tag räumen müssen, das verlangt ein Gerichtsurteil. Samt ihrer fünf Kinder, den 150 Rindern und Maschinen. Der Bauer hatte jahrelang dagegen gekämpft, gegen den Richterspruch und das Ultimatum des Landwirtschaftsgerichts konnte der 45-Jährige jedoch nichts mehr ausrichten. Und dennoch: Am Wochenende waren rund um den Bauernhof keine Umzugswagen und Viehtransporter zu sehen. Die Kinder gehen an diesem Montag wie jeden Tag zur Schule. Die Kühe stehen noch immer im Stall. "Wir gehen hier nicht weg", sagt Bäuerin Rosi Forstmaier. "Die müssten uns schon raustragen."

Die - damit meint die Bäuerin des Familienbetriebs im Landkreis Ebersberg den Gerichtsvollzieher und seine Möbelpacker. Herwig Eder-Richter, der Anwalt der Familie, geht davon aus, dass die sich in Kürze ankündigen. Tatsächlich hat die Bauernfamilie von Hans Forstmaier die Auszugs-Frist verstreichen lassen und muss jetzt mit einer Zwangsräumung rechnen. Für diesen immer wahrscheinlicheren Fall hat der Bauer einen Kredit über 300 000 Euro aufgenommen und ein Haus im 40 Kilometer entfernten Gars am Inn gekauft.

Ansonsten ist die Familie für den Ernstfall kaum gerüstet. Wovon sollen sie leben? Wo gehen die Kinder nach dem Umzug zur Schule? "Wir hoffen weiter, dass die Gerechtigkeit am Ende gewinnt", sagt die Bäuerin. Antworten haben die Bauersleute nicht. Auch nicht auf eine der drängendsten Fragen: Wie steht es um die Zukunft der knapp 150 Tiere? Dass die 50 Rinder, 80 Kälber, 15 Hühner und die beiden Schweine im Fall einer Zwangsräumung eine neue Unterkunft finden, "ist sehr unwahrscheinlich", sagt Eder-Richter. "Im Dezember findest du keine freien Ställe für über hundert Kühe", sagt er. Der Anwalt hofft deshalb, dass das Gericht den Räumungstermin verschiebt. "Im Sommer könnte man sie zumindest auf die Weide bringen", sagt Eder-Richter. Jetzt würden sie dort erfrieren. Er und die Bauersleute wissen: Wenn der Hof geräumt wird, kommen die Tiere auf den Schlachthof.

Nach einem jahrzehntelangen Familienstreit hatte die Altbäuerin ihren eigenen Sohn erfolgreich verklagt, weil dieser eigenmächtig die Hofpacht gekürzt hatte. Weil sich, wie der Jungbauer sagt, seine Mutter nie an laufenden Kosten wie Strom oder Wasser beteiligt habe. Zuvor, sagt Hans Forstmaier, habe er jeden Monat die vereinbarte Hofpacht von 1500 Euro an seine Eltern überwiesen.

Der Familienstreit eskaliert in einer Klage

Der Grund: Anders als üblich konnte Hans Forstmaiers Vater den Hof nie an seinen Sohn übergeben. Ein schwerer Arbeitsunfall vor knapp 20 Jahren machte Johann Forstmaier zu einem Pflegefall, bevor er den Übergabevertrag unterzeichnen konnte. Die Entscheidungen fällt seitdem ein Ergänzungspfleger für ihn. Weil die Hofübergabe nie zustande kam, eskalierte der Streit in einer Klage.

Ihr Sohn habe es nicht geschafft, ihr ein Austragshaus zu bauen, so die Altbäuerin. "Er will mich fertigmachen", sagt sie. Sie fürchte um ihre Zukunft. Tatsächlich hat Hans Forstmaier bereits vor acht Jahren Pläne für das Austragshaus anfertigen lassen. "Die Zeichnungen sind längst fertig", sagt Bauingenieur Martin Killi, den der Bauer 2006 damit beauftragt hatte. Der Vorbescheid sei bereits zugelassen gewesen, "der Rest war nur noch eine Formalität", sagt Killi. Letztlich habe die Austraglerin immer wieder ihr Veto eingelegt. Gertraud Forstmaier stellt das anders dar. Ihr Sohn habe ihr ein billiges Haus in schlechter Qualität hinstellen wollen, das habe sie nicht mitgemacht - und schließlich aus Angst um sich und ihren Mann gegen die Jungbauern geklagt.

Wie es überhaupt so weit kommen konnte, ist den Menschen in der Umgebung ein Rätsel. Es zu ergründen ist schwierig, Erklärungsversuche liefert ein früherer Nachbar. Der 53-Jährige wuchs neben dem Hof auf, half bereits den Altbauern auf dem Feld. Daran, dass der Altbauer den Hof seinem Sohn überlassen hätte, gäbe es "keine Zweifel", sagt er. Der Zwist in der Familie habe jedoch tiefe Wurzeln. Schon vor Jahrzehnten, sagt er, habe er häufig Streit auf dem Hof erlebt.

Altbäuerin entscheidet über die Zukunft des Hofes

Nach der Hochzeit ihres Sohnes vor knapp 20 Jahren, habe die Altbäuerin ihre Nachfolgerin nie akzeptiert. Oft sei geschrien worden, sagt er. Wer seinen Ausführungen lauscht, bekommt den Eindruck, es gehe weniger um unbezahlte Pachtschulden. Eher um Neid und Eifersucht, seit jeher Motive, die ganze Bauerndynastien die Existenz kosteten. Was den Familienstreit einst tatsächlich auslöste, wird Jahrzehnte später wohl kaum mehr zu ermitteln sein.

Über die Zukunft des Hofes entscheidet die Altbäuerin alleine. Ob sie ihn verkauft, wenn die Jungbauern mit ihren Kindern weg sind? Für eine Stellungnahme ist Gertraud Forstmaier bis Sonntag nicht zu erreichen. Was die 68-Jährige mit dem Hof, dem Stall und den Feldern vorhat, ist nach wie vor unklar. Dass sie ihn weiter bewirtschaftet, scheint reichlich unwahrscheinlich zu sein. Auch deshalb will Bauer Forstmaier weiter kämpfen.

Anmerkung der Redaktion: Bislang hat Süddeutsche.de vom Oberhuber-Hof und der Familie Oberhuber berichtet. Da ihre wahren Namen durch das öffentliche Interesse und die zunehmende Berichterstattung in anderen Medien hinreichend bekannt sind, berichten auch wir jetzt nicht mehr unter Pseudonym.

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