Entscheid am Sonntag:Bahn fahren schwer gemacht

In Erlangen entscheiden die Bürger über ein großes Verkehrsprojekt, das vor allem die Wirtschaft fordert

Von Katja Auer, Erlangen

Florian Janik ist "vorsichtig optimistisch", viel detaillierter will der Oberbürgermeister wenige Tage vor dem Bürgerentscheid in seiner Stadt nichts prognostizieren. Am Sonntag stimmen die Erlanger darüber ab, ob sie eine Stadt-Umland-Bahn haben wollen oder nicht. Das Projekt mit dem sperrigen Namen ist eines der größten Verkehrsprojekte der Region, eine Straßenbahn, die Nürnberg, Erlangen und das Umland - Herzogenaurach vor allem - miteinander verbinden soll. Wenn die Erlanger es ablehnen, dann hat sich das Vorhaben vorerst erledigt, denn der längste Teil soll im Stadtgebiet verlaufen.

Für den jungen SPD-Mann Janik wäre es eine Niederlage, denn er hat die Bahn, genannt StUB, zum Wahlkampfversprechen erhoben, als er vor knapp zwei Jahren Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) aus dem Chefsessel im Rathaus kippte. Und damit einen der prominentesten Gegner des Projekts. Eine positive Wendung also für die Pläne, die schon seit 30 Jahren diskutiert werden, könnte man meinen. Denn gleichzeitig löste im Landkreis Bahn-Befürworter Alexander Tritthart (CSU) den SPD-Landrat Eberhard Irlinger ab, der die StUB auch nicht wollte. Und die Nürnberger samt OB Ulrich Maly (SPD) waren eh dafür. Aber so einfach fügte es sich nicht.

Vogelperspektive Bahnhof

Mit einer Straßenbahn soll Nürnbergs Hauptbahnhof mit Erlangen und Herzogenaurach verbunden werden.

(Foto: Peter Roggenthin)

Im Landkreis formierte sich der Protest, angeführt von den Freien Wählern, der FDP und einer Bürgerinitiative, die einen Bürgerentscheid anstießen. Vor knapp einem Jahr entschieden dann die Bürger, dass sie nicht mitmachen wollen, der Kreis Erlangen-Höchstadt musste aus den Planungen aussteigen und darf sich dem Zweckverband nicht anschließen, der gegründet werden soll, falls Erlangen für die Bahn stimmt. Die soll nach dem Bürgervotum im Landkreis nun anders verlaufen als geplant. Eine T-Form sollte der Schienenverlauf eigentlich haben, von Nürnberg über Erlangen nach Herzogenaurach im Westen und Uttenreuth im Osten. Dieser Abzweig fällt nun weg und die Bahn soll in L-Form nach Herzogenaurach fahren.

Denn das Städtchen will weiter mitmachen, obwohl es zum Landkreis Erlangen-Höchstadt gehört. Allerdings stimmten beim Entscheid fast drei Viertel der Einwohner für die Bahn. Also ließ sich die Kommune vom Landkreis die Zuständigkeit für den Öffentlichen Nahverkehr übertragen und will sich nun allein an dem Projekt beteiligen. Auch finanziell. "Daran hängt unsere Zukunftsfähigkeit", sagt Bürgermeister German Hacker (SPD). Herzogenaurach sei darauf angewiesen, dass es kluge Köpfe gut erreichen könnten. Denn bislang kommt man in den 24 000-Einwohner-Ort nur mit dem Auto oder dem Bus. Dabei wollen jeden Tag mehr als 15 000 Menschen hin, so viele arbeiten allein bei den drei größten Firmen, bei Adidas, Puma und Schaeffler. Die Bahn könnte zu einer Verkehrsschlagader in Bayerns zweitstärkster Industrieregion werden, deswegen wäre es Hacker lieber, man würde, wie in München, von der zweiten Stammstrecke sprechen. Und nicht nur vom Geld.

Entscheid am Sonntag: SZ-Grafik

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Auch Janik redet lieber von der Zukunft, wenn er durch die Stadt tourt, um für die StUB zu werben. "Es geht im Kern darum, ob wir noch wettbewerbsfähig sind", sagt er. Denn Erlangen ist auf die Pendler angewiesen. 110 000 Einwohner hat die Stadt - und ebenso viele Arbeitsplätze. 60 000 Menschen fahren jeden Tag nach Erlangen, sagt Janik. "Unser Reichtum hängt davon ab, dass diese Leute gut reinkommen." Damit steht er nicht alleine da, unterstützt wird er von seiner rot-grün-gelben Stadtregierung und von Vertretern der Universität und der Wirtschaft. Gerade erst haben zwei Siemens-Vorstände in der Lokalzeitung massiv für das Projekt geworben. Obwohl die Bahn nicht mal bis vor die Haustür des geplanten Siemens-Campus im Erlanger Süden fährt, in den das Unternehmen 500 Millionen Euro investieren will. Dennoch, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas, sei die StUB "im Stadtbild ein unübersehbares Zeichen der Nachhaltigkeit".

Ein weiterer Verfechter der Bahn ist Verkehrsminister Joachim Herrmann aus Erlangen, auch in der CSU. Im Gegensatz zu seinen Parteifreunden in der Stadt macht er sich ebenso wie sein Ministerkollege Markus Söder schon lange für das Projekt stark, die beiden versprachen zudem finanzielle Unterstützung. Zu 90 Prozent soll die StUB gefördert werden, zwei Drittel steuert der Bund bei, ein Drittel der Freistaat. Weil der Abzweig nach Uttenreuth wegfällt, ist das Projekt ein wenig billiger geworden, 258 Millionen Euro soll es nach derzeitigem Stand kosten. Plus 39 Millionen Euro Planungskosten.

Andere fürchten, dass sich die Stadt mit ihrem Anteil übernimmt. Besonders die CSU. Zu teuer sei die Bahn, ein ausgebautes Busnetz sei günstiger und flexibler, so die Argumentation. Am Bürgerbegehren beteiligte sich die CSU dennoch nicht, das stieß ein Privatmann an. Bauingenieur Wilhelm Krieger hält die Bahn für zu teuer. Er geht davon aus, dass sie mehr kostet als geplant, schon deswegen, weil nicht alle Abschnitte förderfähig seien. Zudem nennt er sie überflüssig. Busse reichten, damit könne Herzogenaurach gut angeschlossen werden. Er meint zu spüren, dass die meisten Erlanger das auch so sehen. Deswegen ist er für den Sonntag sehr optimistisch.

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