Energiewende:Die neue Einigkeit

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Der Protest gegen die Stromtrassen ist fast verstummt. Den Staatssekretär freut's, die Naturschützer knirschen mit den Zähnen

Von Christian Sebald, München

Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer ist ein freundlicher Mann, der eigentlich immer Zuversicht und gute Laune verströmt. So auch in diesen Wochen, in denen er seine womöglich heikelste Mission als Wirtschaftsstaatssekretär zu erfüllen hat. Pschierer muss die beiden Stromautobahnen unter Dach und Fach kriegen, die nach der Abschaltung des letzten AKWs in Bayern 2022 Unmengen Windstrom aus Nord- und Mitteldeutschland nach Bayern transportieren sollen. Pschierer merkt man seine schwierige Mission nicht an. Bisweilen hat man sogar den Eindruck, er sei noch ein bisschen zuversichtlicher und besser gelaunt als für gewöhnlich.

Dass das so ist, hat einen Grund: Die Dialogforen für den neuen SuedLink und den SuedostLink kommen gut und zügig voran. Ob Anwohner oder Bauern, Gemeinderäte, Bürgermeister oder Landräte: Überall in Franken, in der Oberpfalz und Niederbayern loben sie die konzentrierte und sachliche Atmosphäre der Informationsveranstaltungen des Netzbetreibers Tennet, der die Stromautobahnen bauen wird. Viel wichtiger aber ist: So scharf man auch hinsieht, man entdeckt kaum Widerstand und Protest. Im Gegenteil: Es herrscht Konsens, dass es nach dem Ausstieg aus der Atomkraft ohne SuedLink und SuedostLink langfristig keine sichere Stromversorgung geben wird.

Die neue Einigkeit ist erstaunlich. Hatten doch die Netzbetreiber Tennet und Amprion beim ersten Anlauf vor fast drei Jahren Proteststürme entfacht. Nicht nur Anwohner und Naturschützer gingen auf die Barrikaden. Sondern Gemeinderäte, Bürgermeister und Landräte. Landauf landab tönte es, dass die neuen Stromautobahnen überflüssig sind, wenn Bayern auf eine regionale und dezentrale Energieversorgung setzt, ausreichend Wind- und Sonnenkraftwerke baut und möglichst viel Strom spart. Sogar Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schloss sich den Protesten an. Er blockierte die Projekte so lange, bis er gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) durchgesetzt hatte, dass statt Freileitungen Erdkabel verlegt werden.

Das ist der entscheidende Punkt: Die Entscheidung für Erdkabel hat dem Widerstand flächendeckend den Wind aus den Segeln genommen. In Pschierers Worten: "Die Frage ob ist durch. Keiner zweifelt an, dass wir die Leitungen brauchen. Jetzt geht's um das Wie." Also darum, bei der Verlegung die modernste Technik zu nutzen, damit möglichst wenig Boden aufgegraben werden muss. Oder darum, Schutzgebiete und Wälder zu schonen. Und es muss ein Ausgleich für die Bauern gefunden werden, durch deren Felder die Erdkabel führen werden. Sie sind aktuell die härteste Nuss, die es zu knacken gilt, berichten Insider - was zeigt, wie sehr die vormaligen Massenproteste in sich zusammengebrochen sind.

Beim Bund Naturschutz (BN) und den paar Initiativen, die weiter gegen die Stromautobahnen sind, verfolgen sie die neue Einmütigkeit mit Zähneknirschen. "Natürlich schmerzt es, dass sich viele aus dem Protest zurückgezogen haben", räumt der BN-Mann Richard Mergner ein. Hubert Galozy vom Aktionsbündnis gegen die Stromautobahnen bedauert sehr, "dass es derzeit schwer ist, gegen die Erdkabel zu mobilisieren". Das heiße aber nicht, dass nun die Luft ganz raus ist aus dem Widerstand. Der Protest werde wieder kommen, wenn die Vorzugstrassen für den SuedLink und den SuedostLink feststehen, sagt Galozy.

Staatssekretär Pschierer lächelt das weg. "Wir sind auf einem sehr guten Weg", sagt er. "Wir reden jetzt mit allen Betroffenen, jeder kann sich einbringen." Bis Frühjahr 2017 sollen die Vorzugskorridore für den SuedLink und den SuedostLink und jeweils ein, zwei Alternativen feststehen. "Dann läuft das förmliche Verfahren an", sagt Pschierer. "Wir sind im Zeitplan, das zählt."

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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