Energiewende:Auf dem Nullpunkt

CSU will neue Windrad-Regel

In November 2014 hat der Landtag nach monatelangem Streit das Abstandsgesetz beschlossen. Danach muss die Entfernung zur nächsten Wohnbebauung dem Zehnfachen der Windradhöhe entsprechen.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

In Bayern werden wegen der 10-H-Regel kaum Windräder gebaut. Doch viele Gemeinden wollen nicht aufgeben

Von Christian Sebald

Natürlich gibt es Ausnahmen: Im mittelfränkischen Neuhof an der Zenn sind Bürgermeister Bruno Thürauf (CSU) und seine Gemeinderäte den schwierigen Weg gegangen. In schier endlosen Bürgerversammlungen, Planungstreffen und Gemeinderatssitzungen haben sie ein Konzept für drei Windräder ausgetüftelt, das nicht die Vorgaben des 10-H-Abstandsgesetzes des Freistaats einhält. "Wir hatten großes Glück", sagt Thürauf. "Keiner hat protestiert. Sonst hätten wir das Konzept sofort beerdigen müssen." Seit einem Jahr drehen sich die drei 200 Meter hohen Windräder. Alle drei liegen deutlich weniger als die zwei Kilometer von den Wohnhäusern entfernt, die sie nach 10 H als Mindestabstand einhalten müssten. Die Anlagen produzieren gut 18 Millionen Kilowattstunden Windstrom im Jahr - vier Mal so viel wie der 2100-Einwohner-Ort verbraucht. Neuhof an der Zenn ist einer der ganz wenigen Orte im Freistaat, wo trotz des 10-H-Gesetzes neue Windräder geplant, genehmigt und gebaut worden sind.

Bis auf solche seltenen Ausnahmen ist der Ausbau der Windkraft in Bayern zum Stillstand gekommen. Das ist einmal mehr am Donnerstag im Landtag deutlich geworden. Vor dem Wirtschaftsausschuss zogen Experten der Branche und Kommunalpolitiker eine Bilanz des Abstandsgesetzes, das der Landtag im November 2014 nach monatelangem Streit erlassen hatte. Seither können neue Windräder in Bayern nur noch genehmigt werden, wenn ihr Abstand zu den nächsten Wohnhäusern wenigstens das Zehnfache der Höhe der Anlagen beträgt. Bei einer Standardhöhe von 200 Metern vom Fundament bis zur Rotorspitze, wie sie für moderne Anlagen üblich ist, sind das wenigstens zwei Kilometer. Experten hatten bereits seinerzeit eindringlich gewarnt, dass das Gesetz den Ausbau der Windkraft stoppen werde. Das vormalige Ziel der Staatsregierung, nach dem in Bayern bis 2021 bis zu 1500 neue Windräder errichtet werden sollten, könne auf keinen Fall erreicht werden.

Die Vorhersagen sind eingetroffen. Wie Raimund Kamm vom Windkraftverband BWE vor den Abgeordneten erklärte, wurden 2017 bayernweit nur vier Anträge für den Bau von Windrädern bei den Landratsämtern eingereicht, im Jahr zuvor waren es 43. Zum Vergleich: 2012 trafen 271 Anträge bei den Kreisbehörden ein, 2013 sogar 400 und 2014 - als der Streit um die Windkraft bereits tobte - immerhin noch 219. Kamms Prognosen für die Zukunft sind düster. Der Windkraft-Lobbyist, der lange Jahre als Abgeordneter der Grünen dem Landtag angehörte, rechnet nicht mit einem neuen Aufschwung - zumal das neue EEG den Ausbau der Windkraft gerade in Süddeutschland weiter einschränkt.

Bei den Stadt- und Gemeindewerken, die sich ebenfalls stark für den Ausbau der Windkraft engagiert hatten, sieht man die Lage nicht minder dramatisch. Die meisten Kommunen seien stark verunsichert, etliche hätten sich von Projekten abgewandt, die Windkraft-Gegner hingegen hätten massiven Rückenwind bekommen, erklärte Gunnar Braun vom Verband der kommunalen Unternehmen (VKU). "Der Ausbau ist gestoppt, er ist nahezu am Nullpunkt angelangt." Dass 2017 bayernweit dennoch 96 neue Windräder ans Netz gegangen sind und sich damit ungefähr 1150 Anlagen im Freistaat drehen, liegt für Experten wie Kamm und Braun einzig daran, dass die Anlagen vor Inkrafttreten von 10 H genehmigt wurden.

Die Landräte erkennen immerhin an, dass das neue Gesetz den wüsten Windkraft-Streit befriedet hat. So zumindest formulierte es der Fürstenfeldbrucker Landrat und Vizechef des Landkreistags Thomas Karmasin (CSU). "Der Grundkonflikt zwischen den Windkraft-Gegnern und den Befürwortern ist unauflösbar", sagte er. "Aber die Diskussion hat sich sehr beruhigt." Zugleich zeigte sich Karmasin optimistisch, dass wenigstens ein moderater Ausbau der Windkraft nach wie vor möglich sei. Auch wenn die Bürgermeister und die Gemeinderäte, welche die Projekte vorantreiben wollen, sich massiv dafür einsetzen müssten. "Aber", so Karmasin, "wir Kommunalpolitiker sind ja nicht dafür gewählt worden, damit wir es bequem haben. Sondern dafür, dass wir Verantwortung übernehmen."

So wie das der Neuhofer Bürgermeister Thürauf und seine Gemeinderäte getan haben. Gleichwohl fühlte sich Thürauf erkennbar unwohl vor dem Wirtschaftsausschuss. Schließlich hatte nicht nur er, sondern auch der eine oder andere Abgeordnete ganz offenkundig den Verdacht, er sei nur deshalb zu der Anhörung eingeladen worden, um zu demonstrieren, dass trotz 10 H noch Windräder in Bayern errichtet werden können. Wie auch immer, wer gehofft hatte, die CSU könnte zumindest ein Signal aussenden, dass sie das umstrittene Gesetz überdenken werde, wurde enttäuscht. Ausschusschef Erwin Huber erklärte gleich zu Beginn der Anhörung, dass dafür keinerlei Anlass bestehe.

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